Brettener Stadtvogt Peter Dick im Interview: „Geschichte der Stadt lebendig werden lassen“

Der Brettener Stadtvogt Peter Dick. | Foto: VAB

Peter Dick, Vorsitzender der Vereinigung Alt Brettheim und Stadtvogt im Interview mit der Brettener Woche.

Bretten (swiz) Herr Dick, wann hat sich die Vereinigung Alt Brettheim gegründet und was waren damals die Beweggründe?
Nach der Währungsreform 1948, der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 und den Wahlen zum ersten deutschen Bundestag sowie der Lockerung der strengen Vorschriften durch die Besatzungsmächte kam auch das Vereinsleben wieder langsam in Schwung. So machten sich engagierte Bürger in Bretten daran, das beliebte Peter-und-Paul-Fest wieder ins Leben zu rufen. Man begann mit einem sogenannten „Erinnerungstreffen“ am 29. Juni1949, bei welchem Festfilme aus den Jahren 1937 bis 1939 gezeigt wurden. Unter diesem Eindruck einigte man sich darauf, einen Festausschuss zu gründen, der am 13.01.1950 erstmals tagte. Weitere Sitzungen folgten und so konnte das erste Peter-und-Paul-Fest nach dem zweiten Weltkrieg vom 1. bis zum 3. Juli 1950 gefeiert werden. Damit dies nicht ein einmaliges Ereignis blieb, wurde am 21. März 1951 auf Vorschlag von Bürgermeister Oest die Vereinigung Alt-Brettheim als zukünftiger Ausrichter des Peter-und-Paul-Fests gegründet. Die Beweggründe dafür waren damals der Wunsch, das 1824 erstmals urkundlich erwähnte Fest nach den Schrecken des Krieges wieder ins Leben zu rufen und damit neben der Freude am gemeinsamen Feiern einen Blick auf markante Ereignisse in der Brettener Geschichte zu werfen.

Beschreiben Sie einem Laien doch einmal die wichtigsten Aufgaben der Vereinigung Alt Brettheim.
Die wichtigsten Aufgaben der Vereinigung Alt-Brettheim sind im Paragraph zwei der Satzung festgelegt. Dort heißt es: „Zweck des Vereins ist die Pflege, Erhaltung und Förderung des Brauchtums und historischen Kulturgutes der Stadt Bretten. In diesem Zusammenhang hat der Verein mit sämtlichen anderen Vereinen/‘Gruppierungen der Stadt Bretten auf kulturellem Gebiet zusammenzuarbeiten, um eine Mitwirkung breiter Volksschichten in ehrenamtlicher Weise herbeizuführen. Die Zusammenarbeit mit auswärtigen mittelalterlichen Gruppen, Fanfarenzügen, Bürgerwehren und Heimatvereinen ist im Sinne der Förderung und Erhaltung geschichtlicher Traditionen und des Heimatbrauchtums zu pflegen. Zu dem nach Absatz eins aufgeführten Satzungszweck gehört auch die alljährliche Durchführung des Peter-und-Paul-Festes am ersten Sonntag nach dem Tage Peter und Paul (29. Juni) mit dem Ziel, die Geschichte der Stadt Bretten darzustellen und lebendig werden zu lassen.“ Bei der Durchführung haben wir die Stadt als Mitveranstalter an unserer Seite. In einer schriftlichen Vereinbarung ist festgelegt, in welcher Form die Stadt sich beteiligt.

Wie lange sind Sie schon Teil der VAB? Wie war Ihr Weg in der VAB?
Im April 1969 kam ich als junger Lehrer an die Brettener Johann-Peter-Hebel-Schule. Schon sehr bald fragte mich der damalige Konrektor Heinz Hofer, ob ich mir vorstellen könne, bei der Durchführung des Peter-und-Paul-Fests mitzuwirken. Ich hatte keine genaue Vorstellung, sagte aber zu, und bereits beim Fest des Jahres 1969 fand ich mich während der gesamten Festtage im Obergeschoss des alten Rathauses am Fenster. Vor mir das Festprogramm und ein Mikrofon. Meine Aufgabe war es, sowohl die einzelnen Programmpunkte anzusagen und zu kommentieren als auch Durchsagen aller Art zu machen. Insgesamt 25 Feste habe ich so erlebt. Später kamen Tätigkeiten im damaligen Beirat für Technik und Organisation, dem Bauausschuss für den Umbau des Vereinsheims am Kirchplatz und dem Planungsausschuss für die Jubiläumsjahre 2000, 2002 und 2004 hinzu. Schließlich wurde ich bei der Mitgliederversammlung des Jahres 1994 zum ersten Vorsitzenden und Stadtvogt gewählt. Dieses Amt begleite ich heute noch.

Was macht für Sie persönlich in einigen Sätzen das Faszinierende und Anziehende am Peter-und-Paul-Fest aus?
Beim Peter-und-Paul-Fest handelt es sich nicht wie in anderen Fällen um ein eingekauftes Mittelalter-Event, sondern um das Vorhaben, Teile der Geschichte unserer Heimatstadt lebendig werden zu lassen. Bei dem Motto „Eine Stadt lebt ihre Geschichte“ wird dies deutlich. Unser Fest orientiert sich an historischen Begebenheiten und Traditionen der Belagerung des kurpfälzischen Brettens im Jahre 1504, an dem seit dem sechzehnten Jahrhundert überlieferten Freischießen der damaligen Bürgerwachen und dem belegten sogenannten „Schäfersprung“. Das heißt: Wir stellen nicht irgendein fiktives Mittelaltergeschehen dar, sondern präsentieren Geschehnisse aus der Stadtgeschichte. Dabei engagieren sich die Aktiven in circa 50 Gruppen und einigen Gastgruppen sowie die Funktionsträger und Organisatoren allesamt ehrenamtlich. Die Begeisterung, mit welcher trotz immenser Vorarbeit und vollen Dienstplänen allenthalben zu Werke gegangen wird, motiviert mich seit vielen Jahren, mich entsprechend meinen Möglichkeiten einzubringen. Faszinierend ist für mich auch, dass trotz Festhaltens an bewährten Feststrukturen, immer wieder neue Ideen geboren und auch umgesetzt werden.

Wie hat sich das Fest aus Ihrer Sicht in den letzten Jahrzehnten verändert?
In den Anfangsjahren waren es vor allem die Bürgerwehren aus nah und fern, die in der Tradition des Freischießens sowie des Auftrags aus dem Jahre 1824 das Fest gestalteten. Ältere Brettener benutzen auch heute noch den Begriff Schützenfest, wenn sie über das Peter-und-Paul-Fest sprechen. Hinzu kamen die Heimatvertriebenen mit Trachten und überlieferten Tänzen, Theater- und Musikaufführungen. Das Mittelalter war 1950 mit einer Kindergruppe, einer Jagdgruppe, einigen Edelleuten und Bürgerinnen, einer Reitergruppe, Landsknechten und dem Fanfarenzug vertreten. Übrigens wurde bereits in den Anfangsjahren darauf geachtet, Angebote für Kinder im Programm zu haben. Teilweise waren auch die Schulen mit eingebunden. Ende der 70er-Jahre rückte dann das Geschehen um die Belagerung aus dem Jahre 1504 mehr und mehr in den Mittelpunkt. Zu den bestehenden Mittelaltergruppen kamen neue hinzu, um das „Leben und Treiben in einer mittelalterlichen Stadt“ darzustellen. 1986 begann dann mit dem Umzug der Landsknechte vom Marktplatz in den Amtshof die Erschließung der Altstadt bis hinunter zum Seedamm. Die Gruppen legten und legen dabei viel Eigeninitiative und Eigendynamik an den Tag. Selbstverständlich wird bei allen Entwicklungen darauf geachtet, dass bei aller Kreativität das Geschehen von 1504 so authentisch wie möglich dargestellt wird. Darüber hinaus hat es sich in den letzten Jahren als notwendig erwiesen, ein Augenmerk auf die Sicherheit von Besuchern und Aktiven zu richten. Vieles davon geschieht vorbeugend und im Hintergrund. Das Festgeschehen selbst ist lebendig und identitätsstiftend geblieben. So wurde es von einer Expertenkommission bezeichnet, als das Peter-und-Paul-Fest 2015 als erstes baden-württembergisches historisches Heimatfest in die bundesweite Liste immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Warum ist Ihrer Meinung nach eine Beschäftigung mit der Vergangenheit wichtig für unsere Gesellschaft?
Dazu zitiere ich gerne unseren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, der einmal sagte: „Nur wer weiß, woher er kommt, weiß, wohin er geht.“ Eine Gesellschaft, die sich nicht mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, hat keinen „festen Boden unter ihren Füßen“ und steht vor einer unsicheren Zukunft.

Die Fragen stellte Brettener Woche-Redaktionsleiter Christian Schweizer.

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Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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