Zwang und Bann: Die Handwerkszünfte im Mittelalter behaupteten sich gegenüber Kaufleuten und Adel

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(pm) Die Entstehung des Namen Zunft ist abgeleitet von althochdeutsch Begriff „zumft“, sich ziemen, woraus die Bedeutung “Ordnung, nach der eine Gesellschaft lebt“ abgeleitet wird.

Im 13. Jahrhundert stand der Begriff Zunft für einen Zusammenschluss von einzelnen Handwerkern (Gewerben) in einem Handwerkerverband. Die Zünfte genossen für ihre eigenen Angelegenheiten gewisse Selbstverwaltung und wurden von einem gewählten Meister geleitet.

Streit zwischen Handwerkern, Kaufleuten und Adel

Die organisierten Handwerker und Gewerbetreibenden bildeten einen erheblichen Teil der städtischen Bevölkerung. Die Zunftmeister versuchten daher, Einfluss auf Politik und Verwaltung der Städte zu gewinnen. Dieses Bestreben hatte nur in wenigen Fällen Erfolg, aber die Streitereien füllten immerhin ganze Berge von Gerichtsunterlagen und führten zu schweren Zerwürfnissen mit Kaufleuten und Adel.
Nicht nur Handwerker schlossen sich derart zusammen, auch Notare, Musikanten oder Krämer organisierten sich „zünftig“. Diejenigen, die keiner Zunft angehörten, waren die sogenannten Freimeister.

Wirtschaftliche Bedeutung

Die Zunft vertrat das Gemeininteresse der zunftangehörigen Berufsgenossen sowohl nach außen hin als auch gegen den Eigenschutz des einzelnen Mitgliedes. Kein Meister sollte mehr Einkommen haben, als zur standesgemäßen Versorgung für ihn und seine Familie erforderlich war. Der bestehende Zunftzwang erschwerte das Arbeiten außerhalb der Zunft oder machte es unmöglich. Durch Zwangs- und Bannrechte wussten sich die Zünfte ihr jeweiliges Arbeitsgebiet und ihren Warenabsatz gegenüber dem Landhandwerker sowie gegen nicht zünftige „Stadthandwerkerpfuscher“ zu sichern.

Strenge Regeln für Aufnahme in Zünfte

Die Aufnahme in eine Zunft unterlag strengen Regeln. Der Kandidat musste ehelicher Geburt sein und die Eltern durften keine Leibeigenen sein und keine unehrbaren Berufe ausüben. Ein einwandfreier sittlicher und religiöser Lebenswandel waren Voraussetzung. Erst bei Erfüllung dieser Bedingungen wurde ein Jugendlicher als Lehrling angenommen. Fehlte eine dieser Voraussetzungen, so war man für immer vom zünftigen Handwerk ausgeschlossen.
Unzünftige waren etwa Bauern, städtische Angestellte sowie Büttel, Schäfer, Zigeuner und Landsknechte. Dazu zählten auch „unehrliche“ Berufe, die man mit Schmutz, Strafe und Tod in Verbindung brachte, etwa Lumpensammler, Abdecker, Gerber, Scharfrichter und seine Helfer, die Totengräber, die häufig auch Nachtwächter waren.

Die Zunftversammlung und die Zunftlade

Die Zünfte haben ihre „Jahresutensilien“ über Jahrhunderte hinweg in meist hölzernen, mehr oder weniger kunsthandwerklich gestalteten Truhen aufbewahrt: ihre Privilegien und Meisterlisten, die Zunftordnung, Handwerkergelder und briefliche Urkunden; außerdem die Merkzeichen-Tafeln, in der jeder Meister sein Zeichen einzuschlagen hatte, Verzeichnisse über Meisterstücke sowie den Zunftpokal.
Die Zunftlade besaß zwei Schlösser. Einen Schlüssel bekam der jährlich neu zu wählende Zunftmeister, den zweiten der auf Lebenszeit gewählte älteste Geschworene. Am Zunfttag kamen alle Meister einer Zunft zusammen. Die Lade wurde geöffnet und stand während der ganzen Versammlung offen. Bei offener Lade hatten sich Meister und Gesellen ehrsam und züchtig zu verhalten, Streitigkeiten wurden geschlichtet. Was bei offener Lade beratschlagt und beschlossen wurde, unterlag strengster Geheimhaltung.

Vom Lehrbub zum Meister

Die Zünfte regelten die Ausbildung der Lehrlinge und die Dauer der Lehrzeit, die zwei bis vier Jahre währte. Der Lehrling wohnte – wie der Geselle auch – in der Familie des Meisters. Ein sauber angefertigtes Gesellenstück, zur Prüfung vorgelegt, beendete die Lehrzeit. Vor der versammelten Zunft seines Gewerbes sprach der Zunftmeister ihn „frei“.
Dann ging der frischgebackene Geselle auf Wanderschaft; meist blieb er mehrere Jahre fort und kam in dieser Zeit nicht selten in fremde Länder, um auch dort seine Handwerkskünste zu verbessern. Ziel eines jeden Gesellen war es, auch eines Tages Meister zu werden. Weil die Zünfte aber nur eine beschränkte Zahl von Meistern zuließen, ging der Weg oft nur über die Heirat einer „ehrlichen“ Meisterstochter.
Auch Frauen konnten Handwerksmeisterinnen werden, meist als Schneiderinnen oder Weberinnen. In manchen Zünften durften sie nach dem Tode ihres Mannes auch den Meisterbetrieb fortführen.

Zünfte bewachten und verteidigten die Stadt

Die verschiedenen Zünfte lebten in eigenen Stadtteilen und mussten, wenn die Stadt bedroht wurde, einen bestimmten Teil der Stadtmauer verteidigen und gegebenenfalls instandsetzen.

Die Zünfte auf dem Brettener Peter-und-Paul-Fest

Die Handwerkergilde Alt-Brettheim pflegt seit fast 20 Jahren die Tradition und das Brauchtum des mittelalterlichen Handwerks beim Peter- und Paul-Fest in Bretten, aber auch bei verschiedenen Stadtfesten in ganz Deutschland. Dabei stellt die Gruppe mittelalterliche Berufe (Zünfte) dar wie das Küfer-, das Stuhl-, Sonnen- und Weidenflechterhandwerk, das Steinmetz- und das Weberhandwerk sowie das Seiler- und das Seifensiederhandwerk.
Am Freitagabend findet auf dem Viehmarktplatz die Musterung der Handwerker statt. Dort bietet die Gruppe auch ihre anlässlich des Stadtjubiläums mit dem eingebrannten 1250-Jahre-Bretten-Logo geschmückten, handgefertigten Trinkbecher und –krüge aus Holz zum Verkauf an. Vom handwerklichen Können der verschiedenen Zünfte kann man sich überdies in der Handwerksgasse, der Unteren Kirchgasse, am Seedamm und am Viehmarkt überzeugen:

-am Freitag ab 18.30 Uhr bis Einbruch der Dämmerung,
-am Samstagmittag von 15 Uhr bis Einbruch der Dämmerung und
-am Sonntag nach dem Festzug von etwa 16.30 Uhr bis Einbruch der Dämmerung.

Nähere Informationen unter -alt-brettheim.de">www.handwerkergilde-alt-brettheim.de

Mehr lesen Sie auf unserer Themenseite Peter-und-Paulfest

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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