"Als ich vom Brexit gehört habe, war ich schockiert“

Gerd Bischoff, Langjähriger Vorstand von Bischoff Glastechnik (BGT).
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Brettener Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Kultur sprechen über die Auswirkungen des Brexits für die Region.

Martin Wolff, Oberbürgermeister Bretten
„Die Stadt Bretten unterhält seit Jahrzehnten unter anderem eine Städtepartnerschaft mit dem walisischen Pontypool. Die schleichende, immer
kritischere Grundhaltung gegenüber der EU konnten wir schon seit drei Jahren beobachten. Deswegen habe ich auch vor kurzem in einem offiziellen Schreiben an
die Bürger von Pontypool appelliert, für den Verbleib in der EU zu stimmen. Die Entscheidung Großbritanniens für einen Austritt aus der EU ist nun ein Tiefschlag
für die EU und für die Stellung Europas in der Welt. Tiefgreifende Reformen sind
meines Erachtens nun unvermeidlich. Wir als Kommune werden unseren Beitrag dazu leisten, weiter am Haus Europa zu bauen, indem wir unsere städtepartnerschaftlichen Bande – unabhängig von der EU-Mitgliedschaft – weiter pflegen und den Austausch, zum Beispiel in Form von Schüleraustauschen, aktiv
mitgestalten.“

Prof. Dr. Günther Frank, Leiter Europäische Melanchthon Akademie Bretten
„Ich sehe vor allem mittelbare Einflüsse auf die universitären und außeruniversitären Forschungsprojekte zukommen, auch im Bereich der
Kunstgeschichte. Das Vereinigte Königreich gehört zu den größten Nehmerländern, was Fördergelder für diese Art von Projekten angeht. Da fließen bis zu 600 Millionen Euro jährlich. Sollten diese Zahlungen nach einem Austritt der Briten aus der Europäischen Union nicht mehr fließen, dann sind natürlich einige
dieser Projekte gefährdet. Weil sie dies wussten, haben sich natürlich auch gerade die englischen Universitäten und Forschungseinrichtungen gegen einen Austritt
aus der EU ausgesprochen. Viele dieser Projekte werden natürlich auch gemeinsam mit Partnerländern aus aller Welt entwickelt, daher sind auch diese
vom bevorstehenden Brexit betroffen. Ein konkretes Beispiel: Wir arbeiten gerade zusammen mit dem Kunsthistorischen Institut in St. Andrews am Aufbau eines virtuellen Museums. Dort läuft zwar momentan alles weiter wie gehabt, aber mal schauen, was die Zukunft bringt.“

Gerd Bischoff, Langjähriger Vorstand von Bischoff Glastechnik (BGT)
„Als ich die Nachricht am Freitagmorgen gehört habe, war ich wirklich schockiert. Ich sehe diesen geplanten Austritt mit großer Sorge und glaube, viele haben die Tragweite dieser Entscheidung auch noch nicht begriffen. Noch ist BGT nicht von
den Folgen betroffen, aber wir unterhalten sehr viele Baustellen in London. Und auch wenn die meisten unserer dortigen Partner keine Engländer sind, würde es
uns natürlich treffen, wenn es zu einem Rückgang der britischen Bauwirtschaft kommt. Dennoch müssen wir jetzt ruhig abwarten, was weiter passiert und wie sich
die Situation entwickelt.“

Thomas Baumeister, Leiter Neff-Werk Bretten (BSH) und Geschäftsführer Neff GmbH
„Das Ergebnis des aktuellen EU-Referendums verändert nicht die Geschäftsstrategie des Unternehmens. Die BSH wird ihre Geschäftstätigkeiten im Vereinigten Königreich auch nach dem Ausstieg der Briten aus der Europäischen
Union erfolgreich weiterführen, mit dem Ziel, ihre starke Position im Markt weiter auszubauen. Für die BSH ist Großbritannien ein wichtiger Kernmarkt in Europa. Sie vertreibt auf der Insel seit vielen Jahren sehr erfolgreich große und kleine
Hausgeräte unter den Marken Bosch, Neff, Siemens und Gaggenau. Derzeit arbeiten rund 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der BSH Großbritannien.“

Heidemarie Leins, Sprecherin der Fraktion FWV im Gemeinderat Bretten
„Zum ersten Mal kommt dieses Jahr niemand von Pontypool zum Fest und seit Jahren werden keine Jugendlichen mehr zum Jugendtreffen der vier Partnerstädte geschickt. Schüleraustausche finden schon lange nicht mehr in der gewohnten Form statt. Es gibt einen Partnerschaftsarbeitskreis, der keinerlei Zuschüsse zu
seinen Aktivitäten mehr vom Gemeinderat bekommt. So kann er auch nichts gestalten. Diese Entwicklung nagt. Überrascht hätte ich deshalb nicht sein müssen und doch hoffte ich auf ein kleines Wunder. Wales meint, dass es vom Europäischen Topf nichts abbekommen hat. Aber wenn ich die vielen Jahre – ich war zum ersten Mal 1982 in Wales – betrachte, dann sehe ich die positive Entwicklung durch EU-Gelder, genauso wie in Portugal. Torfaen, das County unserer Partnerstadt Pontypool, stimmte mit fast 72 Prozent für den Austritt. Eben
bekam ich von der Chefin des Councils von Pontypool die Nachricht, dass der Rat entschieden hat, die Bevölkerung zu fragen, ob sie Partnerschaften möchte oder nicht. Das geschieht über die sozialen Netzwerke. Ich bin entsetzt.“

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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