Dehoim in Oberderdingen: Von Mönchen und Fabrikanten

Zentrum geistlicher und weltlicher Macht: Den heutigen Amthof - im Bild (von links) das ehemalige Amtsgebäude mit Abtskapelle, heutigem Gebäude der Weingärtnergenossenschaft und ehemaligem Hexenturm - ließen einst Zisterziensermönche errichten. Foto: ch
  • Zentrum geistlicher und weltlicher Macht: Den heutigen Amthof - im Bild (von links) das ehemalige Amtsgebäude mit Abtskapelle, heutigem Gebäude der Weingärtnergenossenschaft und ehemaligem Hexenturm - ließen einst Zisterziensermönche errichten. Foto: ch
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(ch) Statt des einstigen Klosters Herrenalb sorgt heute die Industrie für Wohlstand in Oberderdingen.

Dass Oberderdingen im Jahr 766 als „Tardingen“ erstmals urkundlich erwähnt wurde, ist 2016 mit der 1250-Jahr-Feier festlich begangen worden. Dasselbe Jubiläum kommt in elf Jahren auf den Ortsteil Flehingen zu, der 778/79 als „Flancheim“ ins Licht der geschriebenen Geschichte trat. Im Jahr 784 wurde unter dem Namen „Sicchenheim“ auch Sickingen erstmals aktenkundig, das 1936 in Flehingen aufging. Der Ortsteil Großvillars hingegen konnte schon 1999 den 300. Jahrestag seiner Gründung durch protestantische Glaubensflüchtlinge aus dem westlich von Turin gelegenen piemontesischen Villar Perosa feiern.

Bis 1963 wurde nur das Oberdorf als Oberderdingen bezeichnet

Den zugleich mit der Kreisreform 1973 vollzogenen Eingemeindungen von Flehingen und Großvillars verdankt Oberderdingen seine heutige Gestalt. Dabei ist Oberderdingen erst seit 1963 der Name der Gesamtgemeinde. Vorher bezeichnete er nur das Oberdorf. Knapp 30 Gehminuten entfernt lag Unterderdingen. Die räumliche Lücke zwischen beiden schloss erst die nach dem Ersten Weltkrieg angesiedelte Industrie, wie der Vorsitzende des Heimatkreises Oberderdingen, Altbürgermeister Erwin Breitinger, angemerkt hat.

Einer der besterhaltenen Amthöfe im Land

Bevor im 20. Jahrhundert Fabrikanten wie Heinrich Blanc und Karl Fischer mit der heute weltweit erfolgreichen Edelstahl verarbeitenden und Elektrogeräte-Industrie für wachsenden Wohlstand sorgten, wurde das Leben vom ländlichen Jahreskreislauf bestimmt. Zur Sicherung seiner reichen landwirtschaftlichen Einnahmen ließ das rund 300 Jahre bestimmende Zisterzienserkloster Herrenalb seinen Gutshof im Oberdorf befestigen. Woraus der heutige Amtshof entstand, laut Breitinger einer der besterhaltenen im Land.

Württemberger beendeten die Klosterherrschaft

Den Verwaltungssitz behielten auch die Württemberger bei, die in der Reformation 1547 die Klosterherrschaft beendeten. Im kriegerischen 17. Jahrhundert erlagen die meisten Bewohner von Derdingen und Flehingen Hunger und Krankheiten. Einwanderer aus der Schweiz und sesshaft gewordene Ex-Soldaten, in Flehingen auch die ersten Mitglieder der später von den Nationalsozialisten vernichteten kleinen jüdischen Gemeinde, konnten die gravierenden Steuerausfälle für die Obrigkeit nur vorübergehend ausgleichen. Für Derdingen ordnete deshalb der württembergische Herzog 1699 die Aufnahme von aus dem Piemont vertriebenen Waldenser an.

Auswanderer und Heimatvertriebene

Ihre Ansiedlung an der Markungsgrenze hatte ab 1866 zur Folge, dass Großvillars bis 1973 unter Oberderdingen und Knittlingen aufgeteilt war. Landwirtschaftliche Rückschläge im 19. Jahrhundert, namentlich im Weinbau, und in den 1920er Jahren die Inflation trieben viele Derdinger und auch Flehinger zur Auswanderung. Umgekehrt musste Derdingen nach dem Zweiten Weltkrieg knapp 500 Heimatvertriebene, hauptsächlich aus dem Sudetenland, aufnehmen. Ihre Integration gelang nicht zuletzt auch wegen des guten Arbeitsplatzangebots in der lokalen Industrie und aufgrund von Infrastrukturverbesserungen, die der politische Zusammenschluss 1973 möglich gemacht hat.

Wenn Sie mehr zum Thema lesen möchten, klicken Sie einfach auf unsere Themenseite: Dehoim in Oberderdingen

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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