Islam ist „gelebte Vielfalt“

Referent Ebrem bei seinem engagierten Vortrag | Foto: Gunter Hauser
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Ibrahim Ethem Ebrem liefert Überblick und grenzt Islam von Islamismus ab

Innerhalb der Veranstaltungsreihe „Bretten im Dialog“ hatten der Internationale Freundeskreis DAF und die Volkshochschule Bretten zu einem Vortrag zum Thema „Islam und Islamismus in Deutschland“ eingeladen. Der Referent Ibrahim Ethem Ebrem ist Mitarbeiter der Landeszentrale sowie der Bundeszentrale für politische Bildung im Bereich Extremismusprävention und hat sich in dieser Funktion dem Thema gestellt. Gekommen waren ca. 60 Besucher, die dem zweistündigen Vortrag gebannt folgten und interessierte Zwischenfragen stellten.
Ebrem gelang es in einem ersten Schritt, den Islam in seiner breiten Vielfalt sowohl in der weltweiten Verbreitung als auch in Deutschland sehr differenziert darzustellen. Die meist nicht muslimischen Zuhörer erhielten dabei Einblicke in Theologie und Traditionen, in Entstehungsgeschichte und auch in die einerseits reformerischen, andrerseits traditionalistischen Strömungen des Islam. Diese Differenzierungen seien auch erkennbar in deutschen Islamverbänden wie die im DITIB organisierten Moscheegemeinden, deren Imame in der Türkei je nach Schule dogmatischer oder liberaler ausgebildet würden. Die „gelebte Vielfalt“ des Islam sei zwar für Nichtmuslime verwirrend, aber auch ein positives Zeichen dafür, dass in der Glaubenspraxis der Streit um die „wahre“ Religionsausübung keine große Rolle spiele. Konflikte zwischen den verschiedenen Strömungen seien nicht religiöser, sondern politischer Natur.
Danach widmete der Referent den zweiten Teil seiner Analyse dem Islamismus, den er als „religiös motivierten, politischen Extremismus“ definierte – mit der Betonung auf politisch. Inhaltliche Grundausrichtungen islamistischer Bewegungen mit unterschiedlichen Tendenzen von demokratiefeindlich, aber gewaltfrei bis offen gewalttätig und jihadistisch wurden sehr gut und verständlich erklärt. Bei den ca. 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland sei der Anteil der Menschen mit demokratiefeindlichen Einstellungen aber nicht höher als in der deutschen Gesamtbevölkerung.
In seinem dritten Teil wurde dann der Salafismus als die bekannteste islamistische Bewegung in Deutschland auseinander genommen. Der Salafismus will zurück zum vermeintlich „wahren“ Islam des 7. Jahrhunderts. Interessant war die Schlussfolgerung, dass die Öffentlichkeit in Deutschland in den letzten Jahren fast ausschließlich den Salafismus wahrnimmt, die große Vielfalt des Islam aber dahinter verschwindet. Dabei macht der Salafismus in Zahlen gerade mal 0,157 Prozent aller Muslime in Deutschland aus. Allerdings erzielen Salafisten über die sozialen Netzwerke eine überproportional hohe Reichweite. Diese verschobene Wahrnehmung, verbunden mit der Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung sei das derzeitige Problem. Auch diese Erscheinung wurde von Ebrem gut erklärt: Die notwendige Auseinandersetzung der religiösen Traditionen des Islam mit der deutschen Kultur und den politischen Strukturen brauche Zeit. Und die Probleme lägen nicht nur bei den Islamverbänden, sondern auch in unterschiedlichen politischen Regelungen der Bundesländer, z.B. was deutschsprachigen islamischen Religionsunterricht betrifft.
Nach knapp zwei Stunden hoch komprimierter Information gab es engagierte Wortmeldungen von Muslimen und Christen im Publikum. Und schnell war man sich trotz unterschiedlicher Positionen darin einig, dass man mehr Informationen über die jeweils andere Religion braucht, um das gegenseitige Verständnis und die erhoffte konstruktive Entwicklung weiter voran zu bringen. „Wir haben 50 Jahre lang die Verständigung verschlafen“, so Ebrem, dies gelte es nun aufzuholen. Nach einem anekdotenhaften Einblick in seine Familiengeschichte erhielt Ibrahim Ethem Ebrem einen begeisterten und ungeteilten Applaus aller Anwesenden. Und dies ist bei so einem heiß diskutierten Thema keine Selbstverständlichkeit. Koorganisator Gerhard Junge-Lampart lobte in seinem Schlusswort die sehr differenzierte Darstellung des Islam und wünschte Bretten eine weiter gelingende Fortsetzung des Dialogs.

Autor:

Gerhard Junge aus Bretten

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