Baustellen und Verkehrssituation als Schuldige?
"Der Käseladen" und Osiander in Bretten geben auf

Der Stammsitz des Käseladens wird derzeit aufwendig saniert. Dorthin zurückkehren wird der Laden aber nicht. Er schließt Anfang August.  | Foto: ger
  • Der Stammsitz des Käseladens wird derzeit aufwendig saniert. Dorthin zurückkehren wird der Laden aber nicht. Er schließt Anfang August.
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Bretten (ger) Eine Institution in Bretten schließt: Nach fast 20 Jahren in Bretten wird „Der Käseladen“ am Samstag, 6. August, zum letzten Mal seine Türen öffnen. „Ich höre auf, bevor es noch schlimmer wird“, sagt Inhaber Joachim Brust. Schuld daran ist in seinen Augen die Verkehrssituation in der Stadt. Er sei selbst überrascht gewesen, wie stark sein Umsatz eingebrochen sei in den letzten drei bis vier Monaten, in denen er 30 bis 40 Prozent weniger Kunden verzeichne.

"Wer nicht unbedingt in die Stadt muss, bleibt daheim"

Wegen der großen Baustelle auf dem Sporgassenparkplatz, der seit Oktober letzten Jahres nur noch etwa ein Drittel der Parkplätze bietet sowie aufgrund der Umleitung, die die halbseitige Sperrung der Weißhofer Straße vor dem Melanchthon-Gymnasium (MGB) Mitte Mai mit sich gebracht hat und die – so hatte es die Stadt angekündigt – noch ein Jahr lang andauert, käme nur noch ein Bruchteil der Besucher nach Bretten, ist Brusts Eindruck. „Wer so wie wir in der Lebensmittelbranche nur eine kleine Gewinnmarge hat, ist auf viele Kunden angewiesen“, sagt er. Die Verkehrs- und Parkplatzsituation sei in Bretten aber gerade so schlecht, dass, wer nicht unbedingt in die Stadt müsse, lieber daheimbleibe. Die am Engelsberg und auf dem Alfred-Leicht-Platz vor dem Rathaus als Ausgleich geschaffenen Parkplätze hätten nichts gebracht.

Osiander schließt zum 1. September

Brust hat den Eindruck, dass es der Stadt noch nicht bewusst sei, dass die Gesichter aller Einzelhändler immer länger und trauriger würden. Er ist sicher, dass nach ihm auch noch andere Geschäfte aufgeben werden. Und tatsächlich: Auf Nachfrage der Brettener Woche/kraichgau.news bestätigt Heinrich Riethmüller, Geschäftsführer und Mitinhaber der Osianderschen Buchhandlung aus Tübingen, dass die Filiale in der Weißhofer Galerie zum 1. September schließen werde. Die Filiale, die im Sommer 2019 eröffnet wurde, habe nie den Umsatz erbracht, der nötig gewesen wäre, um wirtschaftlich zu sein, führt er als ersten Grund an. Des Weiteren habe man Probleme bei der Mitarbeiterakquise für das Geschäft gehabt. Die Mitarbeiter aus Bretten könnte man in anderen Filialen in der Nähe unterbringen. Generell sei es jetzt nach Corona für den Einzelhandel eine schwierige Zeit, betont Riethmüller, und fügt hinzu: „Auch die Baustelle neben der Location hat uns Schwierigkeiten bereitet.“ Man habe den Standort nicht allein beleben können, auch wenn die Stadt als Vermieterin der Galerie immer sehr entgegenkommend gewesen sei.

Erhöhung der Gewerbesteuer ein "Tritt hintendrauf"

Natürlich sieht auch Brust in der Pandemie und in der in Folge des Ukrainekriegs gestiegenen Lebenshaltungskosten einen Faktor für die fehlende Kaufkraft. Aber sein Großhändler habe ihm versichert, dass kein anderer Käsehändler solche massiven Einbrüche habe wie er, der jetzt nur noch die Hälfte ordert. Als „nochmal einen Tritt hintendrauf“ habe er die Erhöhung der Hebesätze der Gewerbesteuer empfunden, die die Stadt für 2022 beschlossen habe. Er wolle aber nicht nur auf die Verwaltung schelten, sagt Brust, dessen Laden eigentlich in der Weißhofer Straße 2 ansässig ist. Während die Stadt das denkmalgeschützte Gebäude umfassend sanieren lässt, ist der Käseladen vorübergehend ein paar Türen weiter untergebracht, und beim Umzug habe die Verwaltung ihn sehr gut unterstützt.

Baustellen und Umleitungen sorgen für Verwirrung

Die Vereinigung Brettener Unternehmen (VBU) blickt mit Bedauern auf Brusts Entscheidung. Beisitzer Michael Stoll ist als Inhaber von „Mode Michel“ selbst Einzelhändler und bestätigt Brusts Eindruck, dass die Kundenfrequenz stark zurückgegangen sei. Auf die Baustellen in der Stadt und die damit einhergehende Verkehrsänderung blickt auch er mit Sorge: „Wenn dann noch das ehemalige Altenheim St. Laurentius abgerissen wird, werden weitere Zufahrtsstraßen blockiert.“ Als Affront hätten die Einzelhändler auch empfunden, dass die verbliebenen Parkplätze auf der Sporgasse über das Peter-und-Paul-Fest für die Schausteller zur Verfügung gestellt worden seien. Der neue VBU-Vorstand Jörg Biermann hat vor allem auch Kunden von außerhalb im Blick, die sich nicht gut auskennen in der Stadt. Wenn dann zur Sperrung vor dem MGB auch noch eine weitere Sperrung der Weißhofer Straße stadtauswärts hinzukäme, wie es neulich wegen Glasfaserkabel-Verlegungen der Fall gewesen sei, wäre die Verwirrung, gerade für Auswärtige, komplett.

"Müssen Stadtentwicklung betreiben"

Auf Nachfrage bedauert Oberbürgermeister Martin Wolff, dass Brust plant, den Käseladen zu schließen. Die Ursache für den Umsatzrückgang sei in seinen Augen schwer zu eruieren, wahrscheinlich handle es sich um ein Konglomerat an Gründen. Baustellen seien natürlich nie schön, aber: „Wir müssen ja Stadtentwicklung betreiben, auch um die Stadt attraktiver zu machen“, so das Stadtoberhaupt, da müsse der Einzelhandel auch mal die Zähne zusammenbeißen. „Das, was wir für die Einzelhändler tun, geht weit über das hinaus, was andere Städte machen“, konstatiert Wolff und führt die eigens geschaffenen Ersatzparkplätze ins Feld. In einem Dreivierteljahr sei die Tiefgarage an der Sporgasse fertig und dann gäbe es mehr Parkplätze in der Innenstadt als zuvor. Dass sich gerade alles verteuere, würde niemandem entgehen, und demzufolge würden die Menschen an Luxusgütern, wie sie der Käseladen führe, eben sparen.

Stadt versucht, Lücken zu schließen

Das Dienstleistungszentrum, das auf der Tiefgarage entstehen wird, sei bitter notwendig, um die medizinische Versorgung in der Melanchthonstadt sicherzustellen: „Wenn uns die Fachärzte abwandern, ist auch keinem geholfen.“ Und davon profitiere dann auch der Einzelhandel. „Wo sich Leerstand ergibt, versuchen wir als Stadt frühzeitig, die Lücken zu schließen“, beteuert das Stadtoberhaupt. Außerdem habe er noch eine kleine Hoffnung, dass der Käseladen doch bleiben werde. Schließlich habe man auch die Sanierung des ursprünglichen Ladenstandorts mit Brust konzipiert. Indes sucht die Inhaberin des „Fachlädle“ in der Weißhofergalerie, Katja Seebach, einen Nachfolger für ihr Geschäft, weil sie beruflich neue Wege gehen will. Seebach hatte das "Fachlädle" vor sieben Jahren übernommen.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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