Verwaltungsgericht Karlsruhe gibt Eilantrag statt
Kein Verbot von "Spaziergängen" in Bretten

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat heute einem Eilantrag gegen ein von der Stadt Bretten verfügtes allgemeines Verbot nicht angemeldeter „Spaziergänge“ stattgegeben.  | Foto: archiv
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Bretten (kn) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat einem Eilantrag gegen ein von der Stadt Bretten verfügtes allgemeines Verbot nicht angemeldeter „Spaziergänge“ stattgegeben. Das hat das Gericht in einer aktuellen Mitteilung verkündet. Die Stadt hatte mit einer Allgemeinverfügung vom 20. Dezember 2021 bis Ende Januar 2022 „alle mit generellen Aufrufen zu ‚Montagsspaziergängen‘ oder ‚Spaziergängen‘ in Zusammenhang stehenden, nicht angezeigten und nicht behördlich bestätigten Versammlungen und Ersatzversammlungen“ untersagt. Bei den Spaziergängen handelt es sich in der Regel um Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. 

Widerspruch und Eilantrag gegen Verfügung

Gegen die Verfügung der Stadt hatte sich nun ein Antragssteller gewandt, der laut Verwaltungsgericht "regelmäßig an angemeldeten Versammlungen gegen staatliche Maßnahmen der Pandemiebekämpfung teilnimmt". Der Mann legte Widerspruch bei der Stadt ein und wandte sich gleichzeitig mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht, um das Verbot ihm gegenüber auszusetzen. Er berief sich dabei unter anderem auf eine ähnlich lautende Allgemeinverfügung der Stadt Bad Mergentheim, die bereits vom Verwaltungsgericht Stuttgart als rechtswidrig angesehen worden sei.

Stadt beruft sich auf Vorfälle in der Region

Die Stadt Bretten berief sich dagegen vor Gericht darauf, dass es vor Weihnachten in der Umgebung zu mehreren größeren Vorfällen bei Protestversammlungen gekommen sei. Darunter unter anderem eine Versammlung mit 300 Personen in Jöhlingen am 16. Dezember sowie eine teils gewalttätige Demonstration mit 2.000 Personen in Mannheim und mehrere Aufzüge in Karlsruhe am 20. Dezember. Zudem sei in einem bekannten Telegram-Kanal für den 21. Dezember zu einem „Corona-Spaziergang“ in Bretten aufgerufen worden, der durch das Eingreifen der Polizei habe verhindert werden können. Am 10. Januar sei eine weitere unangemeldete Versammlung mit 42 Teilnehmern von der Polizei aufgelöst worden. Das Verbot nicht angemeldeter Versammlungen sei daher notwendig, da die Unterlassung der Anmeldung dazu diene, möglichen Auflagen zum Infektionsschutz seitens der Stadt aus dem Weg zu gehen. Angemeldete Versammlungen blieben weiterhin möglich.

Keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefahr

Die 14. Kammer hat nun dem Eilantrag des Antragsstellers entsprochen. Zwar sei die Stadt als Versammlungsbehörde auch nach Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite grundsätzlich befugt, Versammlungen präventiv zu verbieten, jedenfalls sofern dies nicht allein der Abwehr von Infektionsgefahren diene, hieß es in der Begründung des Gerichts. Bei den über soziale Medien und Messengerdiensten beworbenen „Spaziergängen“ handele es sich zudem auch um Versammlungen, da sie auf die gemeinschaftliche Kundgabe des Unmuts gegen die Corona-Maßnahmen abzielten. Ein Verbot müsse sich jedoch in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit halten und setze konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr voraus, die hier für den örtlichen Anwendungsbereich nicht ausreichten.

"Versammlungen sind bisher friedlich verlaufen"

Als Gründe nannte das Gericht, dass die bisherigen nicht angemeldeten Versammlungen im Stadtgebiet Bretten nur von mehreren Dutzend Personen besucht worden und friedlich verlaufen seien. Zwar seien dabei keine Mund-Nasen-Bedeckungen getragen worden, spätestens nach Ansprache durch die Polizei seien jedoch die erforderlichen Mindestabstände eingehalten worden. Es lägen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass Gefahren durch Ansteckungen oder einen gewaltsamen Verlauf nicht auch zukünftig durch polizeiliche Maßnahmen begegnet werden könnten. Diese stellten laut Verwaltungsgericht zudem ein milderes Mittel gegenüber dem präventiven Verbot dar.

Versammlungsfreiheit von Teilnehmern beschränkt

Zudem werde durch die Allgemeinverfügung auch die Versammlungsfreiheit von Teilnehmern beschränkt, die nicht die Absicht hätten, gewalttätig zu werden oder gegen die Vorgaben zur Einhaltung von Mindestabständen und zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu verstoßen. Diese Beschränkung sei wiederum nur bei einem polizeilichen Notstand zulässig. Der Beschluss (14 K 119/22) gilt unmittelbar nur zugunsten des Antragstellers und ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einlegen.

"Haben richtig gehandelt"

In einer ersten Reaktion betonte der Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff: "Zum Zeitpunkt des Erlasses haben wir richtig gehandelt. Das Gericht sieht dies nun anders, das müssen wir akzeptieren." Ob man Berufung einlege, werde jetzt intern geprüft, so Wolff.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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