Mit der Wahlschlappe von Birgit Halgato in Bauerbach droht im Streit um die Ortsvorsteherwahlen weitere Eskalation
„Wählerwille“ oder „falsche Eitelkeit“?

Auch in der Bauerbacher Verwaltung hat die Wahl des Ortsvorstehers für große Kontroversen gesorgt. Dort wurde Torsten Müller (CDU) zum Vorsteher gewählt.
  • Auch in der Bauerbacher Verwaltung hat die Wahl des Ortsvorstehers für große Kontroversen gesorgt. Dort wurde Torsten Müller (CDU) zum Vorsteher gewählt.
  • hochgeladen von Christian Schweizer

BRETTEN (ch/hk/swiz) In nur vier Minuten war die Wahl des neuen Ortsvorstehers für Bretten-Bauerbach am vergangenen Montagabend erledigt. Als der übergangsweise noch amtierende bisherige Ortsvorsteher Wolfgang Rück sechs der sieben Stimmzettel geöffnet hatte, stand es noch drei zu drei Unentschieden für die Kandidaten Birgit Halgato (SPD) und Torsten Müller (CDU). Dann verlas Rück den letzten Zettel und ein Raunen ging durch die vollbesetzten Zuhörerreihen im Sitzungszimmer der Bauerbacher Ortsverwaltung: Mit einer Stimme Vorsprung hatten die versammelten Ortschaftsräte Torsten Müller zum neuen Ortsvorsteher gewählt. Seine unterlegene Mitbewerberin Birgit Halgato äußerte sich enttäuscht: „Es tut mir leid, dass das heute so ausgegangen ist.“ Die Verpflichtung, die der Wähler dem Ortschaftsrat aufgegeben habe, sei „mit Füßen getreten“ worden, so Halgato.

„Ungeschriebenes Gesetz“?

Eine weitere verbale Eskalation in der seit Wochen auf und ab wogenden Debatte um den Ausgang der Ortsvorsteherwahlen in einzelnen Brettener Stadtteilen, die sich zu einem heftigen Meinungsstreit in den Leserbriefspalten der Brettener Woche aufgeschaukelt hat. Wie ihre zuvor ebenfalls bei den Ortsvorsteherwahlen unterlegenen Kollegen Wolfgang Six (CDU) in Dürrenbüchig und Edgar Schlotterbeck (SPD) in Rinklingen ist auch Birgit Halgato aus der Wahl zum Ortschaftsrat Ende Mai als Stimmenkönigin hervorgegangen. Sie erhielt 790 Stimmen. Und ähnlich wie Wolfgang Six und Edgar Schlotterbeck ist sie der Meinung, der Wille der Wähler werde missachtet, wenn nicht die Stimmenkönige auch zum Ortsvorsteher gewählt werden. Dies sei schließlich seit 15 Jahren ein "ungeschriebenes Gesetz".

Wie ist Ihre Meinung? Sollte der Stimmenkönig automatisch auch Ortsvorsteher werden?

Letzte Entscheidung im Gemeinderat

Die ausdrücklichen Hinweise von Wolfgang Six auf das „gute Verhältnis zur Brettener Verwaltungsspitze“ und von Edgar Schlotterbeck auf seine „Kontakte zu den in der Verwaltung handelnden Personen“ sowie zum Gemeinderat, die „dem Rinklinger Ortschaftsrat Vorteile gebracht“ hätten, legen zudem den Schluss nahe, der Ortschaftsrat könnte sich selbst seines Einflusses berauben, wenn er nicht seine/n jeweiligen Stimmenkönig/in zum Ortsvorsteher wählt. Aber ist das tatsächlich der Fall? Wie sehen das die Brettener Stadträte, die laut Gemeindeordnung das letzte Wort haben und am 24. September entscheiden, ob sie die von den Ortschaftsräten gewählten Ortsvorsteher bestätigen?

Keine Stimmenkönige laut Gesetz

Es sei „eben kein Automatismus, dass der Stimmenkönig auch Ortsvorsteher wird“, stellt Aaron Treut (CDU) fest, der selbst seit 2004 in Ruit dieses Amt innehat. Es könne „eine Leitlinie“ sein, sei aber „kein Gesetz“. Gleichwohl hält er den neu gewählten Rinklinger Ortsvorsteher Timo Hagino „für einen sehr guten und engagierten Mann auf dieser Position“, der „viele ´junge Wilde´ um sich herum habe, die engagiert den Ort nach vorne bringen können“. Auch Jörg Biermann (die aktiven) betont, dass das Gesetz - gemeint ist die baden-württembergische Gemeindeordnung - bei Ortsvorsteherwahlen keine Stimmenkönige kenne. In Rinklingen müsse freilich die SPD erklären, „warum ihr Parteivorsitzender und Stimmenkönig von den eigenen Genossen durch einen anderen Genossen ersetzt wurde.“

„Falsche Eitelkeit“?

Neustadtrat Fabian Nowak (Die Grünen), zugleich Ortschaftsrat in Gölshausen, weist auf das letztendliche Entscheidungsrecht des Gemeinderats über die Ortsvorsteher hin. Bei der vorangehenden Wahl durch den Ortschaftsrat spielten „unter anderem Aspekte wie verfügbare Zeit, Interessenlage, individueller Charakter und Vorkenntnisse nicht unerhebliche Rollen“. Auf diese Weise könne sich das Gremium durchaus auch für eine Person mit weit weniger Stimmen als der Stimmenkönig entscheiden. Gerade diese Möglichkeit sichere dem Ortschaftsrat auch langfristig seinen Einfluss. Auch Neustadtrat Bernhard Brenner (FWV) ist überzeugt, dass es bei der Ortsvorsteherwahl auf die Stimmenzahl „überhaupt nicht ankommt“. Sicher sei nur, „dass sich Politiker aller Ebenen vor allem durch falsche Eitelkeit, falsches Sendungsbewusstsein, den Glauben, nicht ersetzbar zu sein, und durch völlig unreflektierte öffentliche Äußerungen selbst um ihre Einflussmöglichkeiten bringen“.

Auch Außenstehender wählbar

Vielmehr hänge der Einfluss eines Ortsvorstehers auf die Kommunalpolitik wohl von seiner Präsenz, seinem Engagement und seinem Netzwerk ab, vermutet Neustadtrat Jan Elskamp (FDP). Der Ortschaftsrat hätte sogar das Recht, dem Gemeinderat eine Person als Ortsvorsteher vorzuschlagen, die gar nicht als Ortschaftsrat gewählt, sondern lediglich zum Kreis der „wählbaren Bürger“ zählt, zitiert Hermann Fülberth (Aufbruch Bretten) Paragraph 71 der Gemeindeordnung. Und Andreas Laitenberger (AfD) vertritt die Ansicht: „Nicht jeder mag mit dem Ergebnis zufrieden sein, aber das muss ein/e Demokrat/in aushalten.“

Ortsvorsteher für die Kernstadt?

Trotz der aktuellen Querelen rund um die Wahlen der Ortsvorsteher sind sich die meisten Befragten einig, dass die Ortschaftsräte wichtig sind. Sogar „extrem wichtig“, meint Aaron Treut (CDU), der eine Flächenstadt wie Bretten mit ihren neun Stadtteilen ohne Ortschaftsräte für „nicht regierbar“ hielte. Deshalb plädiert er dafür, die rein beratende Funktion des Ortschaftsrats durch „eine Änderung der Gemeindeordnung“ auszuweiten, um dem „Ortschaftsrat in Form des Ortsvorstehers bei Themen, die den jeweiligen Stadtteil betreffen, im Gemeinderat ein Stimmrecht“ zu geben. Laut Jörg Biermann (die aktiven) hat seine Fraktion schon „mehrmals bedauert, dass es in der Kernstadt keinen Ortsvorsteher gibt“. Ein Gedanke, den auch Hermann Fülberth (Aufbruch) für überlegenswert hält.

Warnung vor Grabenkämpfen

Die Frage, was eine Ortschaft brauche, könne eine gewählte Delegation, die „direkt und unkompliziert vor Ort ansprechbar ist“, am besten beantworten, ist Fabian Nowak (Grüne) überzeugt. Während Ortschaftsräte laut Jan Elskamp (FDP) helfen, die Interessen und Sichtweisen der Ortsteile im Blick zu behalten und in Entscheidungen einzubeziehen“, sieht Andreas Laitenberger (AfD) sie einerseits als „Detailzubringer für den Gemeinderat“ und andererseits als „Mittelsmann des Gemeinderats“ vor Ort. Um etwas zu bewegen, sei allerdings „die Geschlossenheit eines Ortsteils“ von Vorteil, merkt Bernhard Brenner (FWV) an. Und er warnt: Die Grenzen seien erreicht, „wenn man sich in einem Ortsteil lieber Grabenkämpfe liefert, als den Konsens zu suchen.“

Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar zum Thema "Ortsvorsteherwahlen".

Mehr dazu lesen Sie auf unserer Themenseite

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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