In Bretten zuhause: Kleindenkmäler fordern zur Auseinandersetzung heraus

Hoch oben über Ruit, nicht weit von der Stadtbahnhaltestelle, bietet das Denkmal für die Opfer der Kriege auch einen Ort der Ruhe und Besinnung. Foto: ch
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  • Hoch oben über Ruit, nicht weit von der Stadtbahnhaltestelle, bietet das Denkmal für die Opfer der Kriege auch einen Ort der Ruhe und Besinnung. Foto: ch
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Die meisten Menschen sehen sie schon gar nicht mehr, weil sie tagtäglich an ihnen vorüber gehen oder fahren. Kleindenkmale bevölkern in nicht unerheblichem Maß, wenn auch in sehr ungleichmäßiger Streuung die Brettener Kernstadt und einige Stadtteile.

Bretten (ch) Die meisten Menschen sehen sie schon gar nicht mehr, weil sie tagtäglich an ihnen vorüber gehen oder fahren. Kleindenkmale bevölkern in nicht unerheblichem Maß, wenn auch in sehr ungleichmäßiger Streuung die Brettener Kernstadt und einige Stadtteile. Manchen Menschen sind bestimmte Denkmäler ein Ärgernis, andere lässt ihr Anblick kalt, für wieder andere sind sie ein Ausdruck ihres Heimatgefühls. Auf jeden Fall haben uns Kleindenkmäler etwas zu sagen. Auch wenn sich unsere Einstellung ihnen gegenüber mit den Jahren wandeln kann. Mal sind sie Erinnerung, mal Mahnung, manchmal verkörpern sie auch Sühne, Dank und andere Gefühle. Wir haben, stellvertretend für viele, eine kleine Auswahl bekannter und eher weniger bekannter Kleindenkmäler zusammengetragen.

Der "Kaiser von Bretten"

Andere haben ihre Royals und sonstigen Blaublütigen, Bretten hat seinen Kaiser Wilhelm – als Denkmal. Dabei können sich die Brettener auf ihr 1898 erstmals aufgestelltes monumentales Kaiser Wilhelm-Denkmal am Weststadtkreisel durchaus was einbilden, ist es doch laut Stadtarchivar Alexander Kipphan das einzige in der Form noch erhaltene Denkmal für den Begründer des Deutschen Kaiserreichs, Wilhelm I. von Preußen. Alle anderen wurden im Zweiten Weltkrieg auf Geheiß der Nazis eingeschmolzen, um daraus Waffen zu produzieren. Aber irgendein renitenter Geist sorgte dafür, dass der Brettener Kaiser in einem Kohleschuppen verschwand, wo er 1960 wiederentdeckt wurde. Auf der Rückseite des Sockels erinnert eine Tafel an die aus Bretten stammenden Gefallenen des Deutsch-französischen Kriegs 1870/71, der zur undemokratisch von oben verordneten deutschen Einheit führte. Nur zwei Jahrzehnte zuvor hatte sich derselbe Wilhelm von Preußen den unrühmlichen Beinamen „Kartätschenprinz“ verdient, weil er den demokratischen Vorläufer der deutschen Einheitsbewegung, die bürgerliche Revolution in Baden, 1849 militärisch niederschlagen ließ.

Der Kurfürst von der Pfalz

Genau genommen ist die Ritterstatue auf dem Brettener Marktbrunnen ein Reformationsdenkmal. Ehrt sie doch mit Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz denjenigen Landesherrn, der 1546 offiziell die Reformation einleitete. Von der neuen Konfessionsfreiheit profitierten auch die Bürger Alt-Brettheims, die noch 1504 bei der württembergischen Belagerung ihre Zugehörigkeit zur Kurpfalz erfolgreich verteidigt hatten. Vermutlich seit 1555 krönt die Statue den Brettener Marktbrunnen. Gelegentlich ist zu hören, dass sie kein historisch exaktes Abbild des Kurfürsten darstelle, sondern lediglich eine zeittypische Darstellung sei. Wie dem auch sei, der steinerne Ritter auf dem Marktbrunnen ist ohnehin nur eine Kopie. Das Original wurde zum Schutz gegen Witterungseinflüsse ins Rathaus versetzt.

Brunnen für die Partnerstädte

Mit seiner Weltkugel und dem auf Latein angebrachten Motto „Unus alterum portat – Einer trägt andere“ verweist der 2006 eingeweihte und von der Firma Deuerer gestiftete Partnerschaftsbrunnen in der Melanchthonstraße auf die gegenseitige Verbundenheit aller Menschen, nicht nur, aber besonders in Europa. Die Wappen der sechs Partnerstädte an seinen aus Edelstahl gefertigten Seitenwänden stehen zugleich für das Bekenntnis zu einem friedlichen Europa, dessen Bewohner in ihrer großen Mehrheit nun schon seit über 70 Jahren freundschaftlich, respektvoll und hilfsbereit zusammenleben. Offene Grenzen, ein demokratisches, rechtsstaatliches Miteinander, Rede-, Meinungs-, Glaubens- und Versammlungsfreiheit, Presse- und Reisefreiheit, Gewaltenteilung und nicht zuletzt die Achtung der Menschenwürde sind Errungenschaften, die im regelmäßigen Austausch mit den Bewohnern der Partnerstädte stets aufs Neue mit Leben erfüllt und dadurch erfahrbar werden.

Mahnmal gegen Gewaltherrschaft

Es ist nur eine schlichte Bronzetafel, die man leicht übersehen kann. Und doch informiert sie über ein bedrückendes Detail aus der Brettener Geschichte. Denn auf dem heutigen Gelände der Beruflichen Schule Bretten waren von November 1942 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 bis zu 800 Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene verschiedener Nationalitäten eingesperrt. Später waren die Baracken Durchgangsstation für deutschsprachige Heimatvertriebene aus Ost- und Südosteuropa. „Das mit diesen Ereignissen verbundene Leid ist Mahnung und Verpflichtung für Gegenwart und Zukunft“, heißt es auf der Gedenktafel. Schon vor Schließung und Abbruch des Lagers 1954 hatte der Landkreis auf einem Teil des Geländes mit dem Bau der Berufsschule begonnen.

Denkmal „für Demokratie und Solidarität“

Das eher unscheinbar in einer Seitenstraße sein Dasein fristende Denkmal verkörpert sozusagen die zeitgenössische Antwort auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Weststadtkreisel. Es erinnert an die ursprünglichen Ideale der Badischen Revolutionäre, denen ein demokratisches und solidarisches Deutschland vorschwebte. Das wurde damals vom preußischen „Kartätschenprinz“ und späteren deutschen Kaiser Wilhelm mit Gewalt verhindert. Den tragischen Ausgang dieses ersten demokratischen Experiments auf badischem Boden hat der Brettener Bildhauer Willi Gilli mit der Skulptur eines Läufers dargestellt, der mit verbundenen Augen und in einer Hand eine Kugel haltend eine Krone und einen Gewehrlauf zertritt. Motto des Bildhauers: „Die Stille im Drehmoment der Bewegung oder Das Zwingende des Idealen.“ Das von den Familien Pfaus und Sauter gestiftete Denkmal wurde laut Stadtarchivar Alexander Kipphan am 6. März 1999 mit einem „Oppenloch-Fest“ feierlich eingeweiht.

Mahnmal für die Opfer der Kriege

„Den Opfern der Kriege zum Gedenken – den Lebenden zur Mahnung“ heißt es auf einer im Sommer vom Gras fast verdeckten Inschrift vor dem Mahnmal. Der Ettlinger Bildhauer Volker Erhard hat es bei der Gestaltung an Dramatik nicht fehlen lassen. In Auftrag gegeben hat die Skulptur die damals noch selbstständige Gemeinde Ruit. Bei der Einweihung 1969 lag das Ende des Zweiten Weltkriegs erst 24 Jahre zurück, waren die Schrecken des Krieges in Form von Bombennächten, toten und verwundeten Zivilisten und Soldaten, Hunger, Angst und Vertreibung noch vielen Überlebenden gegenwärtig. Heute ist mehr als drei Mal so viel Zeit vergangen und die Erinnerung erscheint notwendiger denn je.

Ein Kreuz zum ökumenischen Gedenken

Das von der Diedelsheimerin Waltraud Senghaas gestiftete und vom Diedelsheimer Hobby-Bildhauer Norbert Reschke aus Maulbronner Sandstein geschaffene Kreuz-Monument gleich rechts hinter dem Diedelsheimer Friedhofseingang hat sich zum beliebten Gedenkstein entwickelt. Zum Beispiel stellen Jubilare anlässlich Goldener Konfirmationsfeiern gerne Gedenkschalen mit Schleifen für ihre verstorbenen Mitschüler/innen davor ab. Hin und wieder finden sich auch Grablichter. Weil bei seiner Einweihung im Dezember 2006 neben dem früheren OB Paul Metzger und dem Männergesangverein Diedelsheim auch der evangelische und der katholische Pfarrer anwesend waren, sprechen manche auch von dem „ökumenischen Kreuz“. Die inzwischen 73-jährige Spenderin freut sich, dass das Kreuz angenommen wird.

Ort der religiösen Verehrung

Ursprünglich stand an der Stelle der heutigen Kapelle „Goldenes Kreuz“ an der alten Neibsheimer Landstraße im Außenbereich von Büchig ein einfaches Hochkreuz. Im Ort vermutet man, dass der auffällig vergoldete Korpus Ausdruck der hohen Bedeutung und Wertschätzung des Kreuzes als Patronatszeichen der Büchiger Kirche ist. Es ist bekannt, dass der ehemalige Ortsgeistliche Dr. Bartholomäus Kempf ein großer Verehrer dieses Kreuzes war, vor dem er oft gebetet haben soll. Insofern verwundert es nicht, dass er aus eigenen Mitteln eine Backsteinkapelle erbauen ließ, um das Kreuz vor Witterungseinflüssen zu schützen. 1978 wurde das Kleindenkmal restauriert und mit einer Außenanlage verschönert. Wie auf Büchiger Gemarkung, so findet sich auch in den anderen katholischen Stadtteilen Bauerbach und Neibsheim eine Vielzahl von Kruzifixen unterschiedlicher Bedeutung.

Erinnerung an Kriegsereignis

Zwar ist die „Kapelle zur schmerzhaften Mutter Gottes“ in Bauerbach vermutlich erst 1798, also 150 Jahre nach dem 30-jährigen Krieg, erbaut worden. Aber manchmal wirken schreckliche Ereignisse noch sehr lange nach, zumal wenn sie drei volle Jahrzehnte gedauert und so unvorstellbare Verwüstungen wie der 1648 beendete 30-jährige Krieg angerichtet haben. Und so ist es durchaus vorstellbar, dass in der Legende von dem hinter der Kapelle über die Felswand abgestürzten schwedischen Reiter ein Körnchen Wahrheit steckt. Denn von Soldaten befreit zu werden, gleich welcher Kriegspartei, galt vielen Landbewohnern damals als glückliche Fügung, weil sie damit von Plünderungen, Hunger, Mord und Totschlag verschont blieben. Gut denkbar, dass die Erinnerung an dieses Ereignis in der Bezeichnung „Schwedenkapelle“ die Jahrhunderte überdauert hat. Seit 1910 ist die Kapelle in Gemeindeeigentum.

Geistlicher Wegweiser

Das sogenannte Bosch´sche Kreuz, das heute am östlichen Ende der Hohkreuzstraße steht, wurde laut Stadtarchivar Alexander Kipphan im Jahr 1749 vom damaligen Kaufmann und Stadtrat Johann Conrad Bosch gestiftet. Es stand ursprünglich beim Hirschwirt Scheifele an der Ecke Melanchthon-/Hirschstraße. Von dort wurde es 1844 an das sogenannte Deichelloch am Diedelsheimer Weg versetzt und kam dann nach Umwegen erst am 4. Oktober 1992 an seinen heutigen Standort. Das Bosch´sche Kreuz sollte das alte, abgegangene und namenstiftende Kreuz der Hohkreuzstraße, über dessen Verbleib in den städtischen Quellen nichts zu finden ist, ersetzen. Die Inschrift aus dem Johannes-Evangelium (Joh. 14.6) lautet „Ego sum via veritas vita“, auf Deutsch „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“.

Vierbeiniges Wahrzeichen der Stadt

Hoch oben auf dem Hundlesbrunnen sitzt das Brettener Hundle erst seit 1880, wie der Leiter des Stadtmuseums im Schweizer Hof, Dr. Peter Bahn, herausgefunden hat. Die älteste Darstellung des Hundle ist vermutlich die kleine Skulptur an der Nordfassade der Stiftskirche. Die Brettener Hundle-Figuren, von denen es nicht erst seit dem letztjährigen Stadtjubiläum einige mehr im Stadtgebiet gibt, knüpfen an die bekannte Brettener Haussage an, wonach ein gemästeter kleiner Hund durch seine üppige Erscheinung einem Belagerungsheer in der Stadt vorhandenen Überfluss vorgetäuscht und es dadurch zum Abbruch der Belagerung veranlasst haben soll. In ihrer Enttäuschung hätten die Belagerer dem armen Tier seinen Schwanz abgeschnitten, heißt es. Dass diese Geschichte in ähnlicher Lesart auch anderswo erzählt wird, wie Dr. Bahn nachgewiesen hat, hinderte das Hundle nicht an seinem Aufstieg als beliebtes Brettener Wahrzeichen. Davon zeugt bis heute seine vielfältige Verwendung auch als Emblem auf Vereinsfahnen, auf Brettener Souvenirs und nach wie vor – seit mehr als 100 Jahren – auf Ansichtskarten, die von Bretten aus in alle Welt verschickt werden.

Mehr Beiträge und Bilder auf unserer Themenseite In Bretten zuhause

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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