Im Spagat zwischen Klassik und Moderne

21. Dezember 2018
Mariinsky Ballet, 76530 Baden-Baden
Russische Overtüre | Foto: State Academic Mariinsky Theatre

Baden-Baden (kn) Weiße Weihnachten können nicht versprochen werden, wohl aber weiße Schwäne: Dargeboten werden sie auf Spitzenniveau vom Mariinsky Ballett, das auch in dieser Saison zur Weihnachtszeit in Baden-Baden gastiert. Neben Schwanensee präsentiert das Mariinsky Ballett Dance Revolution à la Russe, Die vier Jahreszeiten (Musik von Antonio Vivaldi, arrangiert von Max Richter) und zum krönenden Abschluss eine Ballett-Gala. Im Graben bei allen Vorstellungen das renommierte Mariinsky Orchester.

Viele neue Werke bringt das Mariinsky Ballett in diesem Jahr nach Baden-Baden: Bei ihrem Gastspiel vom 21. bis 27. Dezember zeigt die St. Petersburger Kompanie gleich fünf Ballette von jungen russischen Choreografen, die bei aller Modernität doch fest auf dem Boden der klassischen Tradition stehen. Eröffnet wird das Gastspiel von Mariinsky-Intendant und -Chefdirigenten Valery Gergiev höchstpersönlich. An dem Abend „Dance Revolution à la Russe - Das Mariinsky Ballett St. Petersburg tanzt Prokofiew“ dirigiert er Musik von Sergej Prokofjew. Gezeigt werden neben zwei Neuheiten ein frühes Handlungsballett des Neoklassikers George Balanchine. „Prodigal Son“ entstand als letztes Stück für die berühmten Ballets Russes von Sergej Diaghilew, in dem Balanchine die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn erzählt. In dem ungewöhnlich dramatischen Werk mit expressionistischen Einflüssen gibt es mit einer verführerischen Sirene und dem entdeckungsfrohen, später völlig gebrochenen Sohn zwei großartige Rollen für die Tanzstars des Mariinsky Balletts.

Maxim Petrov, Anton Pimonov und Ilya Zhivoi sind Tänzer im Mariinsky Ballett, alle drei wurden bei den Choreografen-Workshops entdeckt, die Ballettdirektor Yuri Fateyev seit einigen Jahren regelmäßig veranstaltet. Für den Prokofjew-Abend schuf Petrov zu dessen motiv- und farbenreicher „Russischer Ouvertüre“ ein helles, humorvolles Ballett, das die russischen Themen und folkloristischen Motive der Musik aufgreift. Pimonov tauchte Prokofjews Violinkonzert Nr. 2 in ein tiefes Nachtblau und choreografierte im streng neoklassischen Stil in Tutus. Im Zentrum des Balletts steht ein elegischer Pas de deux. Der Choreograf Anton Pimonov gewann 2017 mit der „Goldenen Maske“ den höchsten russischen Theaterpreis für dieses Ballett.

Vor Weihnachten (21. und 22. Dezember) und am ersten Feiertag gibt es drei Aufführungen des Tschaikowsky-Klassikers „Schwanensee“ von Marius Petipa. Erneut brillieren das unvergleichliche Corps de ballet des Mariinsky Balletts als Schwäne und die berühmten Primaballerinen der Kompanie in der zweigeteilten Hauptrolle des weißen und schwarzen Schwanes.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag folgen in der Doppelvorstellung eines modernen Programms weitere Beispiele für die Arbeit der jungen russischen Choreografen: In einem modernen, locker-abstrakten Stil kreierte Anton Pimonov „The Cat on the Tree“ zu lakonischen Songs des amerikanischen Komponisten Nico Muhly und des Songwriters Teitur. Der Choreograph Ilya Zhivoi bleibt in „Die Vier Jahreszeiten“ ebenfalls dem Spitzentanz treu und zeigt ein liebendes Paar mitsamt Corps de ballet beim Durchleben der vier Jahreszeiten. Auf grünem Rasen und vor Eisbergen wird zu Max Richters Bearbeitung der berühmten Vivaldi-Partitur im Stil der Minimal Music getanzt.

Neu und alt treffen sich auch in der abschließenden Gala: Zunächst gibt es eine Preziose von Mikhail Fokine, das 1910 entstandene „Le Carnaval“. Zu einer orchestrierten Version von Robert Schumanns gleichnamigen Klavierstücken zeigt das Ballett eine Serie leichter und komischer Szenen in einem Ballsaal, bei denen die Figuren der Commedia dell’arte in Biedermeier-Kostümen auftreten. Das Necken und Verführen von Columbina oder Pierrot wurde vom Spezialisten Sergei Vikharev, dem viel zu früh verstorbenen Meister der alten Ballette, rekonstruiert. Maxim Petrovs „Le Divertissement du Roi“ ist eine Hommage an Ludwig XIV. zu Musik von Jean-Philippe Rameau. Zwischen Barock und überraschenden modernen Akzenten zeigt das Werk die allegorischen Ballette vom Hof des Sonnenkönigs samt tanzenden Zephyrwinden; ein Zeremonienmeister sagt die Szenen an. Der Abend schließt mit George Balanchines prachtvollen „Diamonds“, dem letzten Teil seines abstrakten Abendfüllers „Jewels“. Hier wird zu Musik aus Peter Tschaikowskys 3. Sinfonie das klassische russische Ballett von Marius Petipa verherrlicht, unter anderem mit einem strahlenden Pas de deux und einer Polonaise des gesamten Corps de ballet in funkelnden weißen Tutus. Von der alten, traditionellen Klassik über die Neoklassik bis zu einer spezifischen St. Petersburger Moderne bietet sich also ein weiter Überblick über mehr als ein Jahrhundert Ballettgeschichte.

Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de. Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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