Schmerzmitteltherapie mit Opioiden – sicher und verträglich

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Schmerzmitteltherapie mit Opioiden – sicher und verträglich. Expertentipps zu Nebenwirkungen und Anwendung.

pr-nrw. Aus der heutigen Schmerztherapie sind Opioide nicht mehr wegzudenken. Sie kommen bei der Behandlung von Tumorerkrankungen, nach einer Operation oder schweren Verletzung, aber auch bei Nerven- und chronischen Rückenschmerzen zum Einsatz. Doch Opioide können zu Nebenwirkungen wie schwerer Verstopfung führen und sie bergen bei missbräuchlicher Anwendung ein Suchtrisiko. Nicht ohne Grund unterliegt die Verschreibung der meisten Opioide dem Betäubungsmittelgesetz. Wie sich Nebenwirkungen der Schmerztherapie mit Opioiden vermeiden lassen und der sichere Umgang mit den Medikamenten gewährleistet wird, dazu informierten Experten am Lesertelefon. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wann kommen Opioide überhaupt zum Einsatz – und wann nicht?
Dr. med. Franz Krizanits: In erster Linie werden Opioide bei tumorbedingten Schmerzen eingesetzt – dort ist ihr Nutzen für die Patienten uneingeschränkt anerkannt. Nach geltender Leitlinie setzen wir Opioide auch bei anderen opioid-empfindlichen Schmerzen ein, vorrangig bei Schmerzen des Rücken- und Skelettsystems sowie bei Bauch- und Nervenschmerzsyndromen. Mit Einschränkungen können Opioide gegen Schmerzen auch bei bestimmten psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie oder schwerer Depression zur Anwendung kommen. Nicht wirksam sind Opioide hingegen bei Migräne und den meisten Kopfschmerzerkrankungen. Bei Patienten mit einer Sucht-Vorgeschichte muss der Einsatz von Opioiden sorgfältig abgewogen werden.

Warum wirken Opioide so gut?
Priv.-Doz. Dr. med. Stefan Wirz: Damit der Mensch Schmerz empfindet, müssen Schmerzsignale vom Ort der Schmerzentstehung über das zentrale Nervensystem an bestimmte Bereiche im Gehirn weitergeleitet werden. Opioide wirken an spezifischen Bindungsstellen, so genannten Rezeptoren, und verringern die Weitergabe der Schmerzinformation über die Nerven zum Rückenmark und von dort ans Gehirn.

Warum können Opioide zu einer Verstopfung führen?
Prof. Dr. med. Martin Storr: Rezeptoren, die von Opioiden aktiviert werden, finden sich auch im Darm. Doch diese Rezeptoren sind nicht für die Schmerzweiterleitung, sondern für die Steuerung der Darmbewegungen zuständig. Werden sie von Opioiden aktiviert, führt dies zu einer Verlangsamung des Darmtransports. Die Folge: Dem Stuhl wird mehr Wasser entzogen, es kommt zur Verhärtung des Stuhls und damit zur Verstopfung.

Warum wirkt ein herkömmliches Abführmittel nicht?
Prof. Storr: Herkömmliche Abführmittel können die Opioid-Verstopfung nicht beseitigen, weil sie nicht dort wirken, wo die Verstopfung ihre Ursache hat: an den Opioid-Rezeptoren im Darm.

Wie bekomme ich eine durch Opioide verursachte Verstopfung in den Griff?
Prof. Storr: Für die Behandlung der Opioid-induzierten Verstopfung gibt es eine eigens entwickelte Wirkstoffgruppe, die Gruppe der so genannten PAMORA . Mit ihnen lässt sich die Verstopfung gut behandeln, weil sie die Rezeptoren im Darmtrakt blockieren, an denen sonst die Opioide andocken. Die Opioide können also ihre unerwünschte Wirkung nicht entfalten. Seit etwa zwei Jahren gibt es diese Wirkstoffe in der praktischen Tablettenform.

Verringert sich dadurch die Wirkung des Schmerzmittels?
Dr. Wirz: PAMORA können aufgrund ihrer Größe die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Das heißt: Sie beeinflussen die schmerzdämpfende Wirkung der Opioide nicht und wirken ausschließlich im Darmbereich. Dort besetzen sie die für die Steuerung der Darmbewegung zuständigen Rezeptoren, sodass die Opioide dort nicht wirken können.

Verursachen auch schwächer wirksame Opioide eine Verstopfung?
Dr. Wirz: Der Wirkmechanismus ist bei allen Opioiden gleich. Jedes Opioid, egal ob „schwach“ oder „stark“ wirksam, führt regelmäßig zu einer Verstopfung. Lediglich die Ausprägung der Verstopfung ist individuell unterschiedlich.

Welche Nebenwirkungen können bei der Einnahme von Opioiden noch entstehen?
Dr. Krizanits: Neben der Verstopfung kann es zu weiteren Nebenwirkungen im gesamten Magen-Darm-Trakt kommen, zum Beispiel zu einem Reflux in die Speiseröhre oder zu Magenentleerungsstörungen. Auch Störungen bei der Entleerung der Blase können auftreten. Mögliche Nebenwirkungen im Zentralnervensystem sind beispielsweise Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit.

Worauf muss ich im Alltag achten, wenn ich Opioid-haltige Schmerzmittel einnehme?
Dr. Krizanits: Bevor die Einnahme überhaupt beginnt, sollte der behandelnde Arzt die genaue Krankengschichte des Patienten erfassen, besonders mit Blick auf mögliche Nebenwirkungen. Werden Opioide verordnet, sollte der Arzt den Patienten genau bezüglich der Dosisfindung, Einnahmefrequenz und möglicher Nebenwirkungen informieren, auch über eine mögliche Einschränkung der Fahrtüchtigkeit vor allem in der Einstellungsphase. Wichtig: Retardierte Opioide müssen wegen ihres verzögerten Wirkungseintritts streng nach dem vorgegebenen Zeitplan eingenommen werden.

Mit welchen Folgen muss ich rechnen, wenn die Opioid-Therapie beendet wird?
Dr. Wirz: Am Ende einer Behandlung mit Opioiden muss der Wirkstoffspiegel behutsam und kontrolliert abgesenkt werden, um mögliche „Entzugssymptome“ zu vermeiden. Dazu zählen zum Beispiel Unruhe, Schweißausbrüche, Zittern, Schwächegefühl oder Kreislaufstörungen. Oft zeigt sich, dass gerade die letzten Schritte der Opioidwegnahme problematisch sein können. Daher sollte diese immer ärztlich begleitet stattfinden. Auf keinen Fall sollten Patienten die Einnahme von Opioiden beenden, ohne dies mit dem behandelnden oder verschreibenden Arzt abzusprechen.

Wie kann sichergestellt werden, dass es nicht zu einer Abhängigkeit oder Sucht kommt?
Dr. Krizanits: Bei Anwendung retardierter Opioide ist die Gefahr einer Suchtentwicklung als gering einzuschätzen. Regelmäßige Konsultationen beim verschreibenden Arzt und die genaue Nachverfolgung der Verschreibungs- und Verbrauchsmengen können ein Suchtrisiko weiter senken. Die aus den USA berichteten Suchtprobleme resultieren aus der Anwendung nicht retardierter oder missbräuchlich veränderter Retard-Präparate. Zudem erschwert in Deutschland das Betäubungsmittelgesetz den Opioid-Missbrauch.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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