„Mit Texten über das Dorfleben kann man eher in der Volksmusik punkten“ – Interview mit Jay Farmer

"Mit Texten über das Dorfleben kann man eher in der Volksmusik punkten, aber im Rap ist das schwierig." | Foto: Jay Farmer
  • "Mit Texten über das Dorfleben kann man eher in der Volksmusik punkten, aber im Rap ist das schwierig."
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„Hip Hop-Sound mit Dorfschnauze“: Dafür steht der Rapper Jay Farmer (bürgerlicher Name Christian Heneka“). Abseits der großen Bühnen – zuletzt war er auf der Feldbühne beim diesjährigen „Das Fest“ zu hören – schlägt sein Herz für „Punchlines 4 Sunshine“, ein Rap-Charity-Projekt, mit dem er regionale Einrichtungen für krebskranke Kinder unterstützt. Im Interview mit der Brettener Woche/kraichgau.news erzählt der 38-Jährige wie er zur Rap-Musik gekommen ist, was ihn inspiriert und warum es nie mit einer Plattenfirma geklappt hat.

Hallo Jay, woran hast du zuletzt gearbeitet?
An „Punchlines 4 Sunshine“. Da fließt momentan meine ganze musikalische Energie rein.

Was genau verbirgt sich hinter dem Spendenprojekt?
Mit Punchlines 4 Sunshine unterstütze ich regionale Einrichtungen für krebskranke Kinder wie die Waldpiraten Heidelberg durch Rap-Charity Events, Workshops mit den betroffenen Kindern und durch neue Musikveröffentlichungen. So kam vor kurzem das Mini-Album „Punchlines 4 Sunshine – Volume 1“ raus. Aktuell arbeite ich auch schon an einer Fortsetzung, bei der ich Künstler einbinden möchte, die bisher auf irgendeine Art und Weise bei Punchlines 4 Sunshine mitgewirkt haben. Zum Beispiel Bathala von den Backwoods Bunch und Jennifer Loosemore.
Mein Ziel ist es, für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation zu erreichen: Es verdient keiner Geld damit, weil das Geld gespendet wird. Aber jemand, der seine Zeit und Arbeit in das Projekt reinsteckt – ob Texter, Rapper oder Toningenieur – soll durch die öffentliche Wahrnehmung Anerkennung verdienen.

Wie bist du überhaupt zur Musik gekommen?
Mein großes Hobby als Jugendlicher war das Fußballspielen. Dadurch hatte ich einen Kumpel, Marc-Patrick Meister. Dieser wiederum hatte einen Onkel aus den USA, von dem ich die damals angesagtesten Scheiben gekriegt habe. Und so kam ich in Kontakt mit Public Enemy und House of Pain. Später hörte ich die Fantastischen Vier, lange bevor sie „Die da“ veröffentlichten. Die Songs fand ich so cool, dass ich sie total schnell im Gedächtnis behielt. Da bin ich auch schon mal meinen Mitschülern auf die Nerven gegangen, weil ich in den Pausen immer Songs vorgerappt habe.
Auf den B-Seiten der Singles gab es damals den Instrumentaltrack zum jeweiligen Song und das waren die ersten Beats, auf die ich gerappt habe.

Berührend fand ich deinen Song „Punchlines 4 my little sunshine“ auf Facebook, der an deine Tochter gewidmet ist: Der Beat richtet sich nach den Herztönen.

Die Geburt meiner Tochter war natürlich ein sehr positives Erlebnis. Das durch meine Musik zu verarbeiten, tat mir sehr gut. Es ist aber nie so, dass ich sage „Okay, das habe ich erlebt und dazu muss ich jetzt unbedingt etwas schreiben“. Das kommt immer von alleine. Wenn ich den Drang verspüre, etwas zu machen, dann setze ich das auch um. Am Abend der Geburt war ich ganz kaputt – es war eine lange Geburt! – und ich war einfach nur froh, dass meine Frau das geschafft hat. Und dann ist der Song einfach so entstanden, ohne ein großes Konzept. Ich habe einfach meine Gefühle aufgeschrieben und in eine entsprechende Form gebracht. Ich mag solche spontanen Sachen. Die haben so etwas Unverstelltes an sich. Ich wollte einfach den Moment einfangen. Der Song ist perfekt, weil er unperfekt ist.

Woraus noch schöpfst du Inspiration?
Ich mache schon seit fast 20 Jahren Rap-Musik. Als Jugendlicher ging es vor allem um Spaßtexte. Dann kam die Zeit, in der es immer wichtiger wurde, musikalisch sich und sein Umfeld zu repräsentieren.

Mit Rap verbindet man eher Großstädte und urbane Verhältnisse.
Richtig. Aber ich und die Leute mit denen ich damals Musik gemacht habe – wir waren Dorfkinder und das wollten wir nach außen tragen. Wir haben uns zwar in überspitzter Form dargestellt, wollten uns dabei aber nicht verstellen.

Ein „eigenständiger Sound mit Dorfschnauze“ eben, wie es auf deiner Webseite zu lesen ist.
(lacht) Ja, weil in meinen Texten immer wieder Vergleiche zum Dorfleben kommen. Das ist eine Thematik, auf die ich gerne zurückgreife, auch wenn sie in aktuellen Werken nicht mehr so viel im Fokus steht. Und eigenständiger Sound bedeutet, dass ich mich nicht auf einen bestimmten Stil festlege. Mal rappe ich über einen Piano-Loop, dann wieder zu harten Metal-Riffs. Mal erinnern die Nummern an ein Soul-Song, mal an ein (zu) Jazzlied. Mein Sound kann nicht in eine Schublade gesteckt werden.

Du rappst auch im Dialekt, und das sogar sehr erfolgreich: 2015 hast du mit Marcel Kohn den ersten Platz bei dem Mundartwettbewerb „De Gnitze Griffel“ belegt.
Das macht sehr viel Spaß! Und wir haben festgestellt, dass es sich im Dialekt ganz gut rappen lässt. Das hat seinen ganz eigenen Charme. In diesem Zusammenhang haben wir mit zwei anderen Musikern aus Kraichtal die Kombo „Flowß Fritz“ gegründet, in Anlehnung an Joß Fritz.

Wie kommt das beim Publikum an?
Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht: Die Leute kommen mit sehr positivem Feedback auf uns zu. Und das Ganze funktioniert generationsübergreifend, weil die modernen Elemente aus dem Rap mit Mundart zusammengeführt werden. Das kann auch die ältere Generation nachvollziehen. Und inhaltlich geben wir die Lebenswelt von allen wieder.

Du bist an keine Plattenfirma gebunden. Gab es jemals Bestrebungen, an eine heranzutreten?
Die gab es auf jeden Fall, vor allem in jüngeren Jahren. Irgendwann habe ich aber gemerkt: So ganz werde ich mit dem, was ich mache, nie im Mainstream landen, weil die Thematiken nicht die großen Massen ansprechen. Mit Texten über das Dorfleben kann man eher in der Volksmusik punkten, aber im Rap ist das schwierig. Ich könnte den Erfolg nicht genießen, wenn dieser auf etwas beruht, das mich nicht wiederspiegelt.

Stattdessen bist du Lehrer geworden.
Genau. Nach der Schule habe ich eine Ausbildung gemacht, dann studiert und nun bin ich Lehrer. Von daher hatte ich nie den Druck, mit der Musik Geld verdienen zu müssen. Natürlich ist es aber klar, dass man mit einer Plattenfirma viel mehr Menschen erreichen kann.

Glaubst du, dass Hip und Hop und Rap in den letzten Jahren einen Imagewechsel durchgemacht haben?
Für die Öffentlichkeit sieht das schon danach aus. Rap ist ein bisschen negativ abgedriftet, zuletzt bei der Echo-Verleihung, als es den Eklat mit Kollegah und Farid Bang gab. Aber die Frage ist natürlich auch: Nach welcher Art von Schlagzeile suchen die Medien? Ich dagegen glaube, dass man über Rap täglich positive Dinge berichten kann. Es werden sehr viele Workshops mit Kindern durchgeführt – wie auch ich sie mache –, und es gibt immer noch Acts, die sich auf die Grundprinzipien des Hip Hops berufen und die Musik aus dieser Liebe heraus machen. Das ist bei mir genauso.
Wenn man zum ersten Mal in Kontakt mit dieser Kultur kommt, sieht man: Da wird nicht nur gerappt, sondern auch gebreakt, Graffiti gesprüht, da wird gescratcht. So entsteht in diesem Zusammenhang der Gedanke, sich mit anderen zu messen – und das finde ich positiv.
Die Schwierigkeit besteht darin, dass Rap, seitdem er populär ist, häufig für negative Schlagzeilen missbraucht wurde, zum Teil auch um Platten über ein bestimmtes Image zu verkaufen. Mir als Rapper ist es jedoch wichtig, die Wurzeln der HipHop-Kultur, die positive Energie und den Spirit zu vermitteln.

Die Fragen stellte Redaktionsvolontärin Havva Keskin.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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