Neibsheim: Tragödien, Tischtennis und Landmaschinen-Umzug

1956 fuhr die Landjugend stolz mit den neuen Landmaschinen durch den Ort, um sie vom Pfarrer segnen zu lassen.
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Robert Gerweck ist Gründungsmitglied der Katholischen Landjugend-Bewegung Neibsheim

Neibsheim (ger) "Neibsä, Bichä, Bethlehem, Bauabach, Jerusalem" ist eine beliebte Floskel in der Gegend. Sie weist augenzwinkernd darauf hin, dass die drei nördlichen Stadtteile Brettens immer katholisch geblieben sind. Auch heute noch spielt in allen drei Stadtteilen der Katholizismus eine Rolle. In Neibsheim ist die Katholische Landjugend-Bewegung, kurz KLJB, die 1951 gegründet wurde, noch heute sehr aktiv am Dorfleben beteiligt. Die Mitglieder der Landjugend stellen zusammen mit dem Kulturkreis den Kinderfasching auf die Beine, veranstalten, unterstützt vom Ortschaftsrat, ein Adventscafé für Senioren, richten in Eigenregie das beliebte Johannisfeuer aus und übernehmen in der Kirche die Meditationen am Gründonnerstag und am Heiligen Abend. Eine feste Größe ist das Zeltlager für Kinder und Jugendliche zwischen neun und 14 Jahren, das die KLJB alljährlich in den ersten zwei Wochen der Sommerferien organisiert. Dieses Jahr geht es zum Beispiel an die Donau nach Obermarchtal.

Tischtennis als liebste Freizeitbeschäftigung

In den 1950er Jahren wurde die Gemeinschaft auch großgeschrieben, aber die Aktivitäten waren andere. Robert Gerweck aus Neibsheim ist Jahrgang 1933 und war von Anfang an mit dabei. Nach Bernhard Bachmann war er ab 1952 Vorstand der KLJB. "Es gab ja damals nur die Feuerwehr, den Männergesangverein, den Kirchenchor, den Fußball und einen Athletenverein im Ort", erzählt er. Daher erfreute sich die Landjugend schon zu Beginn eines großen Zuspruchs.
Man traf sich im ehemaligen Pfarrsaal, der seinerzeit den Kindergarten beherbergte. Im hinteren Bereich war ein Raum abgeteilt, der als Nähzimmer diente. Die Frauen vom Ort konnten dort an Nähmaschinen und mit Unterstützung einer Ordensschwester die Kleidung der Familie ausbessern, abändern oder auch Neues nähen. "Wir räumten die Nähmaschinen beiseite und spielten auf den Tischen Tischtennis", erinnert Gerweck sich an die liebste Freizeitbeschäftigung. Bald wurde aber eine richtige Tischtennisplatte angeschafft. "Als ich Vorstand wurde, hatten wir nämlich 86 Mark Schulden," schmunzelt Gerweck. "Das Geld für die Platte hatte uns der Besitzer der unteren Mühle geliehen." Das Geld war knapp damals. Zuschüsse von der Gemeinde oder der Kirche bekam die KLJB nicht. So musste man selber zu Einnahmen kommen.

Ambitionierte Theaterstücke, um die Vereinskasse aufzupeppen

Dazu trugen die Theaterstücke bei, die die männlichen Landjugend-Mitglieder zusammen mit der weiblichen Landjugend und anderen jungen Menschen aus dem Dorf zum besten gaben. Gespielt wurde im damaligen "Ochsen", einer von damals sechs oder sieben Wirtschaften im Ort und heute unter dem Namen "Ziegelhütte" bekannt. Die Landjugend gab sich nicht mit leichten Schwänken zufrieden, sondern spielte hochdramatische Tragödien wie "Ben Hur", "Elmar Herr vom Habichtshof" (nach Friedrich Wilhelm Webers Mittelalter-Epos "Dreizehnlinden"), "Die Susannenglocke von Augsburg" oder "Wieviel Erde braucht der Mensch" von Tolstoi. Auch Volkstänze gehörten eine Zeitlang zu den Freizeitbeschäftigungen der Landjugend, die zum Beispiel zum Erntedankfest vorgeführt wurden.
Eines der ersten gemeinsamen Projekte war der Bezug von eigenen Räumen im Keller des Pfarrsaals, die in Eigenleistung hergerichtet werden mussten. "Wir haben unter Anleitung eines Schreiners den Boden verlegt", erinnert sich Gerweck. " Und natürlich die Wände gestrichen und für die Einrichtung gesorgt."

„Über die Polarität der Geschlechter“

In den Wintermonaten traf sich die Landjugend jede Woche, aber nicht nur zum Tischtennisspielen und "Tratschen". Oftmals gab es weiterbildende Vorträge mit geladenen Gästen. Die Themen kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Es gab landwirtschaftliche Beiträge wie „Vorschläge zur höheren Milchleistung durch besseres Futter“ oder „Gedanken zur Frühjahrsbestellung“; theologische Themen wie „Das Christliche Weltbild“. Aber auch Vorträge – wohlgemerkt vom Pfarrer gehalten –, die man heutzutage dem Bereich der Genderforschung zuordnen würde, mit dem Titel „Über die Polarität der Geschlechter“. Zur Fortbildung und Abwechslung trugen auch die Ausflüge bei, die zum Beispiel an den Bodensee führten. „Wir mieteten einen Bus und haben bei Privatleuten übernachtet“, beschreibt Gerweck das Vorgehen.
Ein denkwürdiges Projekt war die Verschönerung des Ortsbildes im Rahmen eines Wettbewerbs vom Landkreis. Die Landjugend zimmerte Sitzbänke, legte am Ortseingang ein bepflanztes Rondell an und stellte Blumenkästen auf. Und mit Erfolg: 250 Mark gewann sie mit dieser Aktion.

Landmaschinensegnung

Für große Begeisterung sorgte 1956 die von der KLJB Neibsheim organisierte Landmaschinensegnung. Statt Pferden hatten sich die Landwirte nach und nach einen Bulldog zugelegt. Die jungen Bauern fuhren damit von der Kirche zum Dreschplatz, wie es sich für einen Sonntag gehört im weißen Hemd mit Krawatte auf dem herausgeputzten Schlepper sitzend, und holten sich den Segen fürs Jahr ab. Das ganze Örtchen war auf den Beinen. Vor dem Rathaus hatten sich die Honoratioren versammelt wie Bürgermeister Anton Hauk, der Landtagsabgeordnete und spätere Landtagspräsident Dr. Franz Gurk, Landrat Weiß und Diözesanvorstand Hans Heitlinger aus Rohrbach und lobten das Engagement der Landjugend.

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In Bretten zuhause 2017

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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