Erst ausgebrannt, dann neu gefunden - Tom Glasauer gibt sein Roman-Debüt

Autor und Künstler Tom Glasauer kreiert zusammen mit seiner Partnerin Kunstwerke und Dekoration für das gemeinsame Zuhause.
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  • Autor und Künstler Tom Glasauer kreiert zusammen mit seiner Partnerin Kunstwerke und Dekoration für das gemeinsame Zuhause.
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„Das Geheimnis des Seelenspiegels“ heißt das Erstlingswerk, mit dem Tom Glasauer eine tiefe Lebenskrise verarbeitete. Nach einem Burnout wagte er einen Neuanfang. Heute ist der Autor nicht nur zurück im Beruf, sondern hat auch seine persönliche Rezeptur für ein zufriedenes Leben gefunden - Erfahrungen, die er gern weitergibt.

Walzbachtal (wh) „Ich habe Krisen gemanagt, bis ich selbst in die Krise kam“, beginnt Tom Glasauer zu erzählen. Die Rede ist vom sogenannten „Burnout“-Syndrom, unter dem eine wachsende Zahl Menschen leidet. Die Betroffenen fühlen sich erschöpft und ausgebrannt. „Burnout ist im Prinzip eine starke Depression“, berichtet Glasauer weiter. Lange Zeit habe er versucht, die verschiedenen Symptome zu unterdrücken – typisch für die Erschöpfungsdepression, die zumeist einen schleichenden Verlauf nimmt. Dann kam 2012 Glasauers Schlüsselerlebnis auf der Autobahn. Auf dem Weg zur Arbeit fuhr neben ihm ein Lkw: „Ich dachte: ‚Wenn der jetzt rüber zieht, dann habe ich es hinter mir‘. Das hat mich erschrocken. Ich bin sofort umgedreht und zum Arzt gegangen.“ Eine fünfmonatige Auszeit mit drei Monaten Klinikaufenthalt öffnete ihm schließlich die Augen. Er wagte den Neuanfang, privat wie beruflich. Heute ist der 49-Jährige Senior-Projektmanager bei einer IT-Firma und gibt nebenberuflich Coaching-Seminare. Doch vor allem haben seither Kunst, Meditation und nicht zuletzt auch das Schreiben Einzug in sein Leben gehalten.

Spiel mit Fiktion und Wahrheit

Das spürt man, wenn man das Haus betritt: Schon vor der Haustür wird man von einer metallenen Figur begrüßt, überall im Haus sind kleine Details zu entdecken, aber auch auffällige Dekoration, die die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich lenken.

Wie die rostige Pistole, die im Flur hängt, darunter ein gerahmtes Dokument, das die Geschichte des belgischen Freiheitskämpfers Jean-Baptiste Gosmans erzählt, der 1943 mithilfe dieser Waffe bei einem Kampf gegen deutsche Wehrmachtssoldaten eine Hinrichtung verhinderte. Die Geschichte ist frei erfunden, die Pistole von Glasauer selbst bearbeitet und gealtert, sodass sie Rost ansetzte und authentisch aussieht – ein Spiel mit Fiktion und Wahrheit.

„Malen ist wie Meditation"

Auch viele der zahlreichen Bilder, die das Haus zieren, vor allem am Treppenaufgang, stammen von Tom Glasauer selbst. Am liebsten arbeitet er mit einem Spachtel und Acrylfarben. Seine Bilder sind vielschichtig, vielfarbig und oft mit den unterschiedlichsten Strukturen versehen. Malen hat für Glasauer auch eine selbsttherapeutische Dimension: „Malen ist wie Meditation und eine Möglichkeit, sich kreativ zu erden“, so der Künstler, „Ich bin jemand, der sehr akkurat ist, das Malen bildet hierzu den Gegenpol“. Trotzdem, oder gerade deshalb, entbehren die Bilder doch nicht einer gewissen Ordnung, was das Gemälde einer Weltkarte im Flur veranschaulicht. Glasauer deutet auf eines seiner Bilder, das über dem Sofa im Wohnzimmer hängt. Es zeigt eine rote und eine blaue Fläche, ist stark strukturiert und trotzdem deutlich voneinander abgegrenzt durch vertikal verlaufende Linien. Er hat es „Seperate Ways“ genannt. „Das habe ich gemalt, als es privat schwierig war“. Die Ehe mit seiner Frau, mit der er zwei Kinder hat, hielt dem Druck nicht stand. Doch das private Glück kehrte zu Glasauer zurück. Heute lebt der Brettener gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, die ebenfalls Künstlerin ist, und ihrem jüngsten Sohn in einem Haus in Jöhlingen. Die beiden haben sich auf einer Ausstellung kennengelernt. Mit ihr zusammen arbeitet er Möbel im Vintage-Stil auf. Eine Sitzbank wird mit Portraits verziert, ein Tisch künstlich gealtert, ein alter Schlitten zu einem Regal umfunktioniert, aus einem alten Schweißgerät wird ein Handtuchhalter im Badezimmer, ein verrosteter Fahrrad-Gepäckträger zu einer Lampenhalterung. Im detailreich dekorierten Garten steht eine bunt bemalte Bank unter dem Kirschbaum.

Wie aus Tausendundeiner Nacht

Im April 2017, fast fünf Jahre nach der Burnout-Diagnose, erschien schließlich der Debütroman von Tom Glasauer im Ansata Verlag, der zur Random House Verlagsgruppe des Medienunternehmens Bertelsmann gehört. Das Schreiben hatte am Anfang einen eher therapeutischen Zweck: Glasauer beschloss, aufzuschreiben, was ihm persönlich geholfen hat; zunächst nur für sich selbst, um sich daran zu erinnern. Kein Fachbuch, kein Erlebnisbericht, kein Protokoll – eine Geschichte sollte es sein, wie aus Tausendundeiner Nacht. Lektionen, verpackt in ein Märchen mit einem zauberhaften Setting und stilisierten Charakteren. Glasauer möchte seine Erfahrungen vermitteln, ohne zu belehren.

Mansaar, die Hauptfigur, ist ein erfolgreicher Händler, der im Laufe der Zeit merkt, dass er energielos und unzufrieden ist. Dazu kommen körperliche Beschwerden. Er sucht verschiedene Ärzte auf, aber hinterher geht es ihm nur noch schlechter als vorher. Dann erhält er einen Tipp von einem Freund, der ihm von der Legende des Seelenspiegels erzählt. Dieser soll ihm helfen, sich selbst zu erkennen. Mansaar macht sich auf die Suche und es beginnt eine wundersame Reise.

Alles hat eine Bedeutung

Tom Glasauer selbst ist passionierter Leser. Aufgewachsen ist er mit den Werken von J.R.R. Tolkien, bekannt durch „Der Herr der Ringe“, und den Fantasyromanen der australischen Schriftstellerin Trudi Canavan. Das merkt man auch beim Lesen seines Debütromans. Alles hat eine Bedeutung: die Namen der Figuren, ihre Berufe, ihre Kleidung bis hin zu den Accessoires, die sie tragen.
So wurde das Schreiben mehr und mehr auch zu einem persönlichen Entwicklungsprozess. Nachdem Glasauer bereits beruflich Erfahrung mit Coaching gesammelt hat, gibt er nun nebenberuflich Seminare für Menschen, die sich in einem Selbstfindungsprozess befinden und vermittelt so seine Erfahrungen auf persönlicher Ebene. Diese flossen auch in sein Buch mit ein. Die Geschichte ist nicht in Kapitel, sondern in Lektionen unterteilt. Zudem finden sich darin Übungen zur Meditation und Achtsamkeit im Anhang.

Burnout ist wie Ebbe und Flut

Job, Familie, Malerei, Schreiben, Seminare, so stellt man sich eher jemanden vor, der kurz vor einem Burnout steht und nicht jemanden, der ihn bereits hinter sich hat. Doch Glasauer nutz diese Ressourcen selektiv und hat gelernt, sich achtsam zu beobachten. „Man ist nie hundertprozentig auskuriert“, gibt er zu und vergleicht die Depression mit den Gezeiten, Ebbe und Flut: „Es gibt immer wieder Phasen, wo es besser und wo es schlechter geht“.

Er nimmt sich heute bewusst mehr Zeit für sich, sitzt gern mit seiner Familie im Garten und beobachtet die Vögel, die sich in dem naturbelassenen kleinen Refugium pudelwohl fühlen. „Manchmal sollte man nicht mit oder gegen den Strom schwimmen, sondern aus dem Fluss klettern und am Ufer eine Pause machen“. Das bedeutet für Glasauer aber nicht, auf dem Sofa zu sitzen und nichts zu tun: Er gestaltet die Freizeit aktiv. Entspannung findet er auch beim Qigong, einer Meditations- und Bewegungslehre aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), die er seit 2012 betreibt. Mittlerweile gibt er darin auch offene Kurse.

Achtsamkeit ist das Schlüsselwort. Glasauer macht sich keinen Druck, auch wenn nach dem Erscheinen des Romans Lesungen und im Juli sogar eine Einladung nach Berlin vom Fernsehsender Astro TV anstehen. Kein Druck, das gilt auch für das zweite Buch, an dem er gerade arbeitet. „Ich muss in der Stimmung sein, um zu schreiben“ Glasauer hat noch dutzende Ideen im Kopf. „Ich habe mehr Ideen als Zeit, umso wichtiger ist es, auf mich zu achten“. Das zweite Werk erzählt eine parallel verlaufende Geschichte zu seinem ersten Buch und nimmt das familiäre Umfeld, das auch unter dem Burnout des Betroffenen leidet, in den Blick. „Die Familie weiß oft nicht, damit umzugehen“, weiß der Autor aus Erfahrung. Seine Angehörigen hätten damals seine Stimmung früher gespürt, als er selbst.

Es hat Mut gebraucht

Wenn sich eine Chance ergibt, könne er sich vorstellen, hauptberuflich zu schreiben. Vorerst ist er aber in seine alte Branche zurückgekehrt. „Viele sagen, dass sie nach einem Burnout aus ihrem Beruf ausgestiegen sind. Das hört sich für den Leser toll an, aber das schaffen nur die wenigsten. Die meisten Burnout-Patienten müssen nach der Therapie zurück ins Leben. Diese Erfahrung war wichtig für mich“.

Es habe Mut gebraucht, dies in der Firma zu kommunizieren, aber er habe Glück gehabt. Seine Firma kam ihm entgegen, änderte das Aufgabenfeld, reduzierte die Arbeitszeit. „Ich war vorher jemand, der zu allem ‚Ja und Amen‘ gesagt hat und ‚Ich schaffe das‘. Das war dann auch die Einstellung, welche das Fass zum Überlaufen gebracht hat“. Dieser Fehler, das hat er sich fest vorgenommen, wird ihm nie wieder passieren.

Autor:

Wiebke Hagemann aus Bretten

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