Anekdoten aus dem Gemeinderat Bretten - Von Kleinstadtperlen und kaputten Toiletten

Es gibt Themen im Brettener Gemeinderat, da sitzt man als Vertreter der Presse relativ arglos im Ratssaal und erwartet eigentlich zwei oder drei lobende Wortmeldungen und am Schluss fraktionsübergreifende Einigkeit hinsichtlich des Themas. Und dann kommt alles anders als man denkt.

Bretten (swiz) Es gibt Themen im Brettener Gemeinderat, da sitzt man als Vertreter der Presse relativ arglos im Ratssaal und erwartet eigentlich zwei oder drei lobende Wortmeldungen und am Schluss fraktionsübergreifende Einigkeit hinsichtlich des Themas. Der Tagesordnungspunkt "Information zum Projekt Kleinstadtperlen" in der gestrigen Sitzung des Rates war so ein Thema. Um vom ansteigenden Städtetourismus künftig stärker profitieren zu können, wurde das Projekt „Kleinstadtperlen“ ins Leben gerufen, in das zwölf Kleinstädte in Baden-Württemberg aufgenommen wurden. Gemeinsam mit der Tourismus MarketingGmbH Baden-Württemberg (TMBW) und den Industrie- und Handelskammern (IHK) im Land werben die Städte um Reisende, die Angebote abseits des Mainstreams suchen. Unter Aspekten wie "attraktiver Mix aus Kultur, Geschichte, Sehenswürdigkeiten, Einzelhandel und Events" wurde für den Landkreis Karlsruhe die Melanchthonstadt als Kleinstadtperle von den IHK  ausgesucht. Eine gute Chance für Bretten also, um mehr Touristen in die Stadt zu ziehen, wie die Verantwortliche für Stadtmarketing, Nathalie Dörl-Heby und Daniela Kerres, Amt für Bildung und Kultur, bei ihrem Vortrag unisono betonten.

"Springe eben nicht gleich auf jeden Zug auf, den es gibt"

Bis dahin alles gut, sollte man meinen. Ein gutes Konzept, ohne viel Möglichkeit und Ansatzpunkte für Kritik. Doch weit gefehlt. Den Reigen der Kritiker rund um das Projekt Kleinstadtperle eröffnete Linke-Stadtrat Hermann Fülberth. "Etwas Gutes hat diese Aktion jedenfalls, Bretten ist nun offiziell eine Kleinstadt", so der Stadtrat ironisch. "Und über Kommerz kann man sich natürlich auch streiten." Doch damit war Fülberth noch nicht am Ende der Kritik angelangt. Warum sich Bretten denn nicht auch an der Aktion „Lass den Klick in deiner Stadt“ beteilige. Städte wie Ettlingen hätten damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Ob diese Aktion denn beim Stadtmarketing nicht bekannt sei, so Fülberth. Eine sichtlich gereizte Dörl-Herby entgegnete daraufhin, man "springe eben nicht gleich auf jeden Zug auf, den es gibt. Man muss erstmal prüfen, ob das Sinn macht."

"Touristen sollten vor Fahrtantritt nochmal eine Toilette aufsuchen"

Dass es in den folgenden Wortmeldungen von Otto Mansdörfer (Bündnis90/Die Grünen), Jörg Biermann (die aktiven) und Edgar Schlotterbeck (SPD) noch um die defekten öffentlichen Toiletten und angeblich fehlende Stellplätze für Wohnmobile und Camper ging, war, hatte man die Diskussion bis dahin verfolgt, nur folgerichtig. Alle Camper, die nun übrigens erschreckt aufhorchen, können jedoch beruhigt sein. Auf dem Parkplatz "Seedamm" sind genauso Wohnmobilparkplätze eingerichtet, wie am Hallensportzentrum und am Ortseingang des Stadtteils Ruit. So viel dazu. Dennoch wollte es Fülberth nicht versäumen, Touristen, die Bretten besuchen wollen, noch einen guten Rat mit auf den Weg zu geben: "Suchen Sie vor Fahrtantritt nochmal eine Toilette auf."

"Machen wir uns doch nicht immer selber schlechter, als wir sind"

Was diese Diskussionen noch mit dem Thema "Information zum Projekt Kleinstadtperlen", der geneigte Leser erinnert sich womöglich noch an den Anfang des Artikels, zu tun hatten, war Stadtrat Gernot Fritz (FWV) und Bürgermeister Michael Nöltner inzwischen nicht mehr klar. Und so sahen sich die beiden Politiker ebenfalls zum Eingreifen in die Debatte genötigt. "Da können wir etwas Positives für Bretten tun und dann will der Gemeinderat lieber über Fäkalien sprechen. Das kann doch nicht wahr sein", so Fritz beinahe verzweifelt und äußerte den augenzwinkernden Wunsch, die Presse möge "dies doch bitte zensieren". Nöltner schlug danach in die gleiche Kerbe: "Man kann doch nicht so etwas Gutes nur mit Negativem verknüpfen. Machen wir uns doch nicht immer selber schlechter, als wir sind."

Und schlussendlich muss man eben auch bei einer Perle manch kleinen Makel akzeptieren. Es bleibt immer noch eine Perle, auch ohne Toilette.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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