DAF Bretten: „Abschiebepraxis gefährdet die Integrationsarbeit“

DAF-Vorsitzender Gerhard Junge-Lampart.

Ein „Alarmsignal von der Basis“ hat der Internationale Freundeskreis Bretten (DAF) an die Öffentlichkeit gesandt. In einem Offenen Brief kritisieren der Vorstand des Vereins und weitere Funktionsträger im Netzwerk der Integrationsarbeit die aktuelle Abschiebepraxis im Land.

Bretten (swiz) Ein „Alarmsignal von der Basis“ hat der Internationale Freundeskreis Bretten (DAF) an die Öffentlichkeit gesandt. In einem Offenen Brief kritisieren der Vorstand des Vereins und weitere Funktionsträger im Netzwerk der Integrationsarbeit die aktuelle Abschiebepraxis im Land. Dabei stellen die Unterzeichner des Briefes, zu denen auch die SPD-Stadträtin Renate Knauss und der Beauftragte für Flucht und Migration im Evangelischen Kirchenbezirk Bretten-Bruchsal, Pfarrer Gunter Hauser, gehören, die Frage: „Was läuft schief in der Migrationspolitik“? „Während wir mit Ungeduld und hohen Erwartungen die längst überfällige Arbeit an einem Einwanderungsgesetz verfolgen, möchten wir Ihnen aus der Perspektive der Ehrenamtlichen unmittelbare Erfahrungen und Fälle schildern, die uns unser Engagement zunehmend erschweren und die das Integrationsklima vor Ort vergiften“, heißt es in dem Brief. Vier Fallbeispiele haben sich die Unterzeichner um den DAF-Vorsitzenden Gerhard Junge-Lampart dafür herausgesucht. Sie sollen stellvertretend für die derzeit vorherrschende, demotivierende Abschiebepraxis stehen.

„Auf Fachkräftemangel in der Pflege wird keine Rücksicht genommen“

Eines dieser Beispiele betrifft einen jungen Mann aus Kamerun. Laut dem DAF ist der Mann sehr motiviert, hat einen Schulplatz und einen Ausbildungsplatz als Altenpflegehelfer in Aussicht. Doch trotz des vorliegenden Angebots der Einrichtung für eine dreijährige Altenpflegeausbildung wurde durch das Regierungspräsidium keine Erlaubnis für Ausbildung oder Arbeit erteilt, heißt es in dem Brief. „Mit Ausbildungsverbot lebt der Mann nun von staatlicher Unterstützung, obwohl er seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten könnte.“ Die Helferausbildung für Migranten dauere zwei Jahre, so der DAF, und sei eine Voraussetzung für die dreijährige Fachkraftausbildung. „Tatsache ist, dass mehr als 50 Prozent der Altenpflegehelfer zum Beispiel an den Beruflichen Schulen in Bretten anschließend in die dreijährige Ausbildung gehen. Trotzdem greift hier die 3+2-Regelung für die Ausbildungsduldung nicht“, so der DAF. Auf den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen werde dabei keine Rücksicht genommen, obwohl doch offensichtlich ein Fachkräftepotenzial bereitstehe.

„Unbeschreiblich bürokratische Verfahren“

Ein weiteres Beispiel der laut DAF fragwürdigen Abschiebepraxis betrifft eine junge Frau aus dem Kosovo mit einer guten Integrationsbereitschaft und guten Deutschkenntnissen. Obwohl sich die verheiratete Mutter dreier Kinder mehrfach beworben hat, wurde sie mit einem Beschäftigungs- und Ausbildungsverbot belegt. In der Folge wurde ein Antrag an die Härtefallkommission Baden-Württemberg gestellt, unterstützt von den Kirchen und dem Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff. Das Votum der Kommission fiel positiv aus, doch es folgte eine Ablehnung des Antrags durch das übergeordnete Innenministerium des Landes Baden-Württemberg. Und dass, obwohl die Frau bei Erteilung der Aufenthaltserlaubnis einen Ausbildungsvertrag in der Altenpflege in der Tasche gehabt hätte. Auch ihr Mann hätte bei einem positiven Bescheid einen Arbeitsvertrag sicher gehabt. So folgte die sofortige Ausreise der fünfköpfigen Familie nach Pristina. Doch ein paar Wochen später durfte die Familie wieder nach Deutschland einreisen. Vorausgegangen war ein positiver Antrag auf ein Arbeitsvisum bei der Deutschen Botschaft mit Vorabzustimmung der örtlichen Ausländerbehörde. Heute macht die Frau eine Ausbildung zur Altenpflegerin und ihr Mann ist im produzierenden Gewerbe tätig. Sozialleistungen werden keine in Anspruch genommen. „Während des Zwangsaufenthalts im Herkunftsland fielen innerhalb eines unbeschreiblich bürokratischen Verfahrens mit ungezählten Gängen zu Behörden und Agenturen“, so der DAF, „allerdings Kosten von über 2.000 Euro an.“

Hohe Kosten und Schikane

„Uns drängt sich als erstes die Frage auf, warum die Schikane Zwangsausreise, Visumsbeschaffung im Heimatland, Wiedereinreise notwendig sein muss, wenn abgelehnte Asylbewerber integrationswillig und ausbildungsbereit für einen Mangelberuf sind und bereits gute Deutschkenntnisse nachweisen können“, so der DAF in seinem Brief. Und weiter: „Sind all diese Kosten, die für die Betroffenen aus eigener Kraft gar nicht leistbar sind, zu rechtfertigen, wenn gleichzeitig vonseiten der Bundesagentur für Arbeit und des Bundeswirtschaftsministeriums in diversen Anwerbeprogrammen händeringend und mit immensem Kostenaufwand Pflegekräfte bis nach Vietnam, Philippinen und China gesucht werden?“ Dies seien dann alles Menschen, die erst einmal Deutsch lernen müssten, während hier in Deutschland bereits integrationswillige und ausbildungsbereite Migranten mit Sprachkenntnissen seien, so der DAF.

DAF zieht ein bedrückendes Fazit

„Bisher hatten wir vor Ort in Bretten keinerlei Probleme mit Asylbewerbern. Die Integrationsarbeit der Stadt, des Landkreises, der Vereine, der Kirchen, der Schulen und vieler unabhängiger Ehrenamtlicher ist auch nach einer Untersuchung des Landratsamtes als sehr gut zu bezeichnen. Durch die geschilderte Situation verschlechtert sich aber aktuell die Atmosphäre zusehends und gibt ein fatales Signal an diejenigen Asylsuchenden, deren Verfahren noch in der Schwebe sind. Demotivation, Fatalismus und eine Gefährdung des inneren Friedens sind die Folge“, zieht der DAF ein bedrückendes Fazit der Situation. Um die Situation zu verbessern, sei unter anderem ein schneller und unbürokratischer Spurwechsel vom Asylverfahren zum Aufenthaltsrecht für integrationswillige Migranten mit Sprachkenntnissen, die erfolgreich in Beschäftigung und Ausbildung vermittelt wurden und die inzwischen Steuern und Abgaben zahlen, nötig. Ebenso brauche es „schnelle und unkomplizierte Verfahren zur Erteilung von Arbeitsvisa an den deutschen Botschaften im Ausland ohne Zwischeninstanzen“.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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