Region: Preisverfall macht Milchbauern zu schaffen

Jede Kuh hat einen Namen: Landwirtin Jessica Müller und Kuh Adele verstehen sich prima.
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Die anhaltend niedrigen Milchpreise stellen auch für die Landwirte in Bretten ein ernstzunehmendes Problem dar. Auch Jessica und Rudolf Müller machen sich Sorgen um die Zukunft des Milchbetriebs auf ihrem Hof.

Bretten (wh) In manchen Regionen Deutschlands ist der Preis für einen Liter Milch zurzeit auf unter 20 Cent gesunken. Den Brettener Bauernhof der Familie Müller hat es noch nicht ganz so hart getroffen. „Wir bekommen derzeit 25 Cent pro Liter“, berichtet Inhaber Rudolf Müller. Im April sei der Preis für ihn das letzte Mal um zwei Cent gefallen. Kostendeckend kann aber auch Familie Müller schon lange nicht mehr arbeiten.

38 Cent pro Liter Milch braucht der Betrieb, um die Produktionskosten wieder einzufahren. Dann allerdings würde noch kein Gewinn erzielt. „Ich würde mir 40 Cent pro Liter wünschen“, sagt der Milchbauer. Zum Vergleich: Im Discounter kostet der Liter Milch zwischen 42 und 46 Cent. Davon werden Landwirte, Molkereien und der Einzelhandel bezahlt.

Mehr Angebot als Nachfrage

Die Gründe für den Preisverfall sind vielfältig: das Auslaufen der Milchquote in der EU vor etwa einem Jahr, was zu einem Überangebot an Milch geführt hat, aber auch das Russland-Embargo und eine geschwächte Nachfrage aus China.

Das Überangebot schnell zu reduzieren, ist allerdings nicht einfach so möglich. „Eine Kuh kann man nicht ein- und ausschalten wie eine Maschine“, erklärt Rudolf Müller. Sie müsse jeden Tag gemolken werden. Zudem sei die Milch ein begrenzt haltbares Produkt, das zeitnah verkauft werden muss, ergänzt Tochter Jessica.

Ein weiterer Grund für die sinkenden Preise macht Familie Müller auch in der schlechten Verhandlungsposition der Landwirte aus. „Wir haben keinen Einfluss auf die Preisverhandlungen“, sagt der Milchbauer. Die Molkereien verhandelten mit dem Einzelhandel und stünden auch untereinander in großer Konkurrenz. „Wir bekommen dann die Reste“, so Müller weiter.

Ungewisse Zukunftsaussichten

Die 27-jährige Tochter Jessica, die im Familienbetrieb arbeitet und den Hof einmal übernehmen wird, macht sich Sorgen um die Zukunft. „Ich frage mich schon, wie es weiter gehen soll. Ich habe vor allem Angst, zu investieren und am Ende vor einem großen Schuldenberg zu stehen“. Trotzdem liebt sie die Arbeit auf dem Hof und mit den Tieren. „Wenn ein Kälbchen auf die Welt gekommen und alles gut gelaufen ist, dann weiß ich, dass ich den richtigen Beruf gewählt habe“. Trotzdem schaut sie manchmal neidisch auf ehemalige Klassenkameraden mit regelmäßigen Arbeitszeiten und festem Einkommen.

Deshalb wünschen sich Vater und Tochter von der Politik vor allem Verlässlichkeit. „Vor ein paar Jahren hieß es noch: Milch ist die Zukunft“, erzählt Rudolf Müller. Nun empfiehlt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung den Bauern, sich auf andere landwirtschaftliche Bereiche zu verlegen. Für Familie Müller ist dies allerdings ein realitätsferner Vorschlag, denn auch in anderen landwirtschaftlichen Bereichen sehe es derzeit nicht besser aus. Eine Umstellung auf Bio-Produktion würde zudem wieder kostspielige Investitionen voraussetzen.

Lösungen müssen auf EU-Ebene gefunden werden

Viel könne der Verbraucher oder die Lokalpolitik aber nicht tun, resümiert Rudolf Müller. Die Situation müsse seiner Meinung nach auf EU-Ebene geklärt werden. Das kann erfahrungsgemäß viele Jahre in Anspruch nehmen.

Der Bund deutscher Milchviehhalter (BDM) fordert in einer aktuellen Pressemitteilung eine freiwillige Mengenreduktion in Krisenzeiten: „Wer sich freiwillig dafür entscheidet, in der Krise weniger zu produzieren, soll dafür eine Ausgleichszahlung erhalten“. Eine Reduzierung der Milchmenge sei auch schon über weniger Kraftfutter für die Tiere zu erreichen. Auf EU-Ebene müsse aber auch sicher gestellt werden, dass die reduzierten Mengen nicht durch andere Landwirte wieder ausgeglichen würden.

Auch das Institut für Ernährungswissenschaft (ife) in Kiel kommt nach einer Studie zu dem Schluss, dass ein Eingreifen in das Marktgeschehen durch den Staat in Ausnahmesituationen gerechtfertigt sei. Dann sei Milchproduktion auch langfristig rentabel. Eine Mengensteuerung, also eine Art temporäre Milchquote, wie sie sich der BDM wünscht, hält das Institut allerdings nicht für sinnvoll. Sie präferieren eine Art Versicherungssystem. Ein von Minister Schmidt einberufener „Milch-Gipfel“ am 30. Mai soll auf diese Fragen antworten geben. Bis dahin wollen die Landwirte vor dem Büro von Schmidt protestieren.

Wie es in Zukunft für die 75 Kühe auf dem Hof weiter geht, weiß Familie Müller noch nicht so genau. „Das hängt davon ab, wie lange das Tal anhält“, sagt Rudolf Müller. Dass sie irgendwann den Milchbetrieb einstellen, können sie derzeit nicht ausschließen.

Jede Kuh hat einen Namen: Landwirtin Jessica Müller und Kuh Adele verstehen sich prima.
75 Kühe leben auf dem Hof der Familie Müller.
Autor:

Wiebke Hagemann aus Bretten

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