"Streit um die beste Lösung ist für alle Beteiligten gut" - Interview mit Brettener Oberbürgermeister Martin Wolff

Martin Wolff, Oberbürgermeister der Stadt Bretten | Foto: Stadt Bretten
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Brettener Woche: Sie haben zu Beginn des Jubiläumsjahrs beim Neujahrsempfang in Anknüpfung an Melanchthon das Motto ausgegeben: Dialog, Disput, Erneuerung. Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Dialogbereitschaft in Bretten?
Martin Wolff: Ich halte die Brettener für außerordentlich dialogbereit. Das hat man ja beim Thema Integriertes Stadtentwicklungskonzept bemerkt: 700 Bürger haben mitgemacht und rund 1200 Vorschläge eingespeist. Mein Eindruck ist auch, dass unsere Veranstaltungen zur Bürgerinformation immer gut besetzt sind. So um die 100 Personen waren immer dabei.

Das zweite Wort ihres Mottos lautet Disput, zu Deutsch Streitgespräch. Davon gab es in den letzten Jahren ja einige, wenn man beispielsweise an die Auseinandersetzungen um den Moscheeneubau, um die Einzelhandelspläne auf der Diedelsheimer Höhe, den Hochwasserschutz oder die Neugestaltung des Sporgassenplatzes denkt. Gehen solche Streitereien auch manchmal an die Nieren?
Wenn es um den sachlichen Austausch von Argumenten geht und den Streit um die beste Lösung, dann ist das für alle Beteiligten gut. Persönliche Angriffe, Beleidigungen und Diffamierungen sind weniger schön. Aber so was gehört zum Job, damit kann ich umgehen.

Beim Neujahrsempfang haben Sie sich kämpferisch gezeigt. Wollen Sie künftig öfter klare Kante zeigen?
Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass ich meine Meinung schon immer mit Nachdruck ausgesprochen habe. Aber es freut mich, wenn das bei Ihnen mit meiner Neujahrsansprache angekommen ist.

Im Jubiläumsjahr wird sicher nicht nur gefeiert, sondern auch gearbeitet, wobei wir beim dritten Teil des Mottos wären: Erneuerung. Welche Projekte wollen Sie bis zum Ablauf Ihrer ersten Amtszeit, also bis Ende 2017, noch abschließen?
Ganz konkret würde ich sagen: Der Seilrutschenpark wird definitiv dieses Jahr fertig, wir wollen in der Innenstadt mit dem Citymanager neue Impulse setzen, beim Breitbandausbau in den Stadtteilen wollen wir dieses Jahr richtig viel weiter kommen. Dann werden wir ein Konzept für die künftige Nutzung des Sporgassenareals vorlegen und auch auf dem Mellert-Fibron-Areal – Stichwort Dienstleistungszentrum – wird sich dieses Jahr spürbar etwas tun.

Einige andere Projekte werden noch dauern. Das gilt vor allem für den Dauerbrenner Sporgassenbebauung: Welche konkreten Schritte sind in diesem Jahr zu erwarten?
Wie gesagt: Bald wird uns ein neues funktionales Konzept dazu vorliegen, was künftig dort passieren wird. Dann wird die Suche nach jemandem beginnen, der das Projekt umsetzen will.

Nachdem zwei Investoren gescheitert sind – was macht Sie optimistisch, dass sich da noch ein dritter oder vierter heranwagt?
Ich bin optimistisch, weil wir jetzt einen völlig neuen Ansatz haben. Die bisherigen Konzepte krankten alle ein wenig daran, dass sie zu sehr auf eine bestimmte Nutzung zugeschnitten waren. Das neue Konzept wird funktional viel breiter aufgestellt und daher leichter realisierbar sein.

Sie haben sich vehement für zwei Ärztehäuser – an der Sporgasse und beim Krankenhaus – ausgesprochen. Welche Argumente sprechen für zwei Gesundheitszentren?
Es gibt Ärzte, die beim Krankenhaus am besten aufgehoben sind. Aber es gibt eben auch Ärzte, die wollen gezielt in die Innenstadt. Ich bin überzeugt davon, dass Stadt und Kliniken-Holding sich da nicht in die Quere kommen werden.

Rund um Bretten sprießen zurzeit die Gesundheitszentren, während es in Bretten noch dauert. Wie lässt sich verhindern, dass Bretten derweil Ärzte ans Umland verliert?
Das Sozialministerium hat kürzlich die ärztliche Versorgung in Bretten und Umgebung als „sichergestellt“ eingestuft. Von einem Trend, dass Bretten massiv Ärzte ans Umland verliert, kann man meiner Ansicht nach also nicht sprechen. Aber natürlich arbeiten wir aktiv daran, die Situation noch zu verbessern. Ich stehe in engem Kontakt zur kassenärztlichen Vereinigung, um die Dinge zu optimieren. Allerdings muss man sich nichts vormachen: Die Stadt kann keine Hausärzte herbeizaubern. Wir können und müssen die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Ärzte schaffen und daran arbeiten wir – zum Beispiel durch ein Ärztehaus in der Innenstadt.

Als Frequenzbringer, also mehr Laufkundschaft, für die Innenstadt haben Sie eine Verlagerung der Stadtbücherei auf das Sporgassen-Areal, eventuell in die Weißhofer Galerie, ins Gespräch gebracht. Welche Überlegungen stehen dahinter?
Für uns hat die Ansiedlung von Einzelhandel dort oberste Priorität, da laufen zurzeit auch Verhandlungen. Klar ist aber auch: Die Stadtbücherei hat einen enormen Zulauf erfahren, die Nutzerzahlen gehen nach oben, die Veranstaltungen werden immer beliebter. Da könnte es durchaus auch ein Gewinn für die Innenstadt sein, die Bücherei an einem zentraleren Ort anzusiedeln.

Thema Verkehr: Die Umgehungsstraße ist zwar jetzt in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufgenommen worden. Aber in Bretten gibt es bis jetzt keine Einigkeit darüber, wo genau die künftige Umgehung verlaufen soll. Wann soll diese Debatte beginnen und bis wann soll sie abgeschlossen sein?
Die Debatte hat längst begonnen – spätestens mit der Vorstellung der Entwürfe für die Umfahrungsvarianten durch die Studenten der Hochschule Wirtschaft und Technik Karlsruhe. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass der Gemeinderat noch in Bälde einen Beschluss dazu fasst. Natürlich hat der Bund das letzte Wort, aber es wäre sicher von Vorteil, wenn wir uns als Stadt klar in Stellung bringen.

Thema schnelles Internet: Bei den Planungen für die Kernstadt hakt es noch. Sind Sie bei Ihren Gesprächen mit anderen Anbietern vorangekommen?
Die Anschlussquote in der Kernstadt war mit 21 Prozent zu gering für die BBV, um hier loszulegen. Es ist schade, dass es dadurch zu einer zeitlichen Verzögerung gekommen ist. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich diese 21 Prozent der Bürger in der Kernstadt nicht im Regen stehen lasse. Der Ausbau in den Stadtteilen ist mir wichtig und kommt voran. Aber ich werde nicht zulassen, dass die Kernstadt abgehängt wird.

Auch hier die Frage: In Oberderdingen, Kürnbach und demnächst Wössingen wird bereits Glasfaser verlegt. Warum in Bretten noch nicht?
Ich will jetzt nicht über Realisierungschancen von schnellem Internet in Nachbargemeinden spekulieren. Aber: Nicht überall, wo Glasfaserleitungen verlegt werden, gibt es automatisch auch gleich schnelles Internet. Die Anschlussquote ist am Ende entscheidend. In Bretten lagen die Anschlusskosten bei null Euro. Anderswo, so lese ich, kostet es knapp 500 Euro. Da wird es sicher noch zum Schwur kommen.

Stimmt das Gerücht, dass die Stadtverwaltung über die Glasfaserverbindung des Landkreises zu den Beruflichen Schulen mitversorgt werden soll?
Nein.

Für die Weststadt haben Sie ein neues Sanierungsgebiet angekündigt. Welche Bereiche haben Sie besonders im Auge? Und an welchen Zeithorizont denken Sie dabei?
Es geht um das Gebiet westlich vom Gottesackertor. Dort gibt es viele Gebäude mit großem Sanierungspotenzial. Solche Sanierungsgebiete laufen in der Regel zehn Jahre.

Sie haben beim Neujahrsempfang erneut Ihr Interesse an einer zweiten Amtszeit bekundet. Nun fällt das letzte Jahr Ihrer ersten Amtszeit mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zusammen. Erwarten Sie davon auch Rückenwind für Ihren Wahlkampf?
Ich glaube nicht, dass ich das nötig habe. Unsere tägliche Arbeit in den letzten knapp sieben Jahren sollte die Menschen überzeugt haben. Aber klar: Generell sind positive Themen wie ein großes Stadtjubiläum immer besser als negative. Für mich beginnt der Wahlkampf, wenn die Bewerbungsfrist vorbei ist.

Erlauben Sie zum Schluss noch eine persönliche Frage: Worauf freuen Sie sich bei den Jubiläumsfeiern besonders?
Auf die vielen Begegnungen mit den Bürgern. Und auf das Ausleben des tollen Wir-Gefühls hier in Bretten.

Die Fragen stellte Chris Heinemann

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In Bretten zuhause 2017

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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