"Hexenkessel-Fall" in Eppingen: "Übermut mancher Gruppen ist nicht zu bremsen"

Mit einem bitteren Nachgeschmack ging der Fastnachtsumzug in Eppingen am vergangenen Samstag zu Ende, nachdem sich bei einem tragischen Vorfall eine 18-Jährige schwere Verletzungen durch Verbrühungen an den Beinen zugezogen hatte. Offenbar war sie von als Hexen verkleideten Teilnehmern über einen mit heißem Wasser gefüllten „Hexenkessel“ gehoben worden.

Eppingen (hk) Nach einem Bericht der Heilbronner Stimme haben die Ermittlungen inzwischen ergeben, dass der Kessel mit integriertem Holzfeuer und heißem Wasser von der Kraichtaler Narrengruppe Bohbrigga Hexebroda mit geführt wurde. Der psychische Druck, der durch die Medien nun auf die Narren ausgeübt werde, sei enorm, so der Sprecher der Hexengruppe gegenüber dem Onlineportal der Zeitung, stimme.de. Viel schlimmer sei es aber, dass eine junge Frau mit schweren Verletzungen zu Schaden gekommen sei. Die genaue Klärung des Vorfalls durch die Polizei dauert noch an. Zu klären ist auch, ob die verkleideten Hexen, die die Frau über den Kessel gehalten haben, wirklich zu den Kraichtaler Hexen gehörten. Der Leiter des Eppinger Polizeireviers Jens Brockstedt glaubt laut dem Bericht von stimme.de indes nicht, dass die Frau absichtlich in den Kessel geworfen wurde. Man gehe „von einer Verkettung unglücklicher Umstände“ aus. Seitens der Stadt Eppingen heißt es, dass der Wagen der betroffenen Gruppe vor dem Umzug vom Ordnungsamt geprüft worden sei. Da habe sich noch kein heißes Wasser auf dem Fahrzeug befunden.

Einhaltung der Regeln schwierig zu kontrollieren

Ähnlich wie bei mittelalterlichen Festzügen gehöre der enge Kontakt zum Publikum dazu, wenn Umzugsgruppen aufgrund der Authentizität etwas szenisch darstellen, erklärt Bernd Neuschl, Präsident der Brettener Bütt. „Das darf dann auch eine euphorische Eigendynamik entwickeln, so lange niemand gefährdet wird.“ Deutlich harscher dagegen fällt die Einschätzung des Oberzugmarschalls des Komitee Bruchsaler Fasnachtsumzüge aus: „Der Übermut mancher Gruppen ist einfach nicht zu bremsen“, kommentiert Peter Dautermann den Vorfall. Reinhard Heckele vom 5er Rat Flehingen zeigt sich bestürzt darüber, dass der Vorfall mit der Bohbrigga Hexebroda  zusammenhängt. „Wenn wir es hier mit Jugendlichen zu tun hätten, wäre so manches vorstellbar, aber nicht beim Bohbrigga Hexebroda.“ Der 5er Rat hätte da schon ganz andere Gruppen erlebt: „Wenn da die Maske aufgezogen ist wird das, dass man unerkannt ist, schamlos ausgenutzt“, weiß er zu berichten.
Die Vertreter der Faschingsgruppen sind sich einig, dass alles erlaubt sei, was unbeschwerte Freude bereitet. Klare Regeln der Veranstalter sowie Sicherheitshinweise, die mit Teilnehmern vorab kommuniziert werden, gibt es dennoch zu beachten. „Beim Flehinger Umzug sind wir vom hiesigen Fünfer-Rat angehalten, Bonbons hinter die Zuschauer zu werfen, damit keine Kinder auf die Strecke rennen“, berichtet Neuschl. Die Veranstalter versuchen also durch präventive Maßnahmen Unfälle oder Unglücksfälle zu vermeiden. Allerdings, so Dautermann, sei es sehr schwierig die Einhaltung der Regeln zu kontrollieren.

„Die Hexengruppen haben es manchmal auch nicht einfach“

„Bei unseren Umzügen ist es in den letzten Jahren zu keinen solchen Vorfällen gekommen, aber wir beobachten natürlich auch die Vorkommnisse bei anderen Umzügen“, sagt Regina Fuchs, Präsidentin des Narrenbund Kakadu. Problematisch werde es, laut Neuschl, sobald die Hemmschwelle sinkt und dazu noch Alkohol im Spiel ist. Die Gruppen werden in sogenannten „Marschbefehlen“ zu verantwortlichem Handeln ermahnt, da sie sonst dem Veranstalter schaden und nicht nur den Zuschauern. „Sollten wir vom KBF Auffälligkeiten feststellen, werden diese Gruppen aus dem Umzug genommen und von uns markiert, um in Zukunft nicht mehr eingeladen zu werden“, erklärt Dautermann. Diese Aufzeichnungen werden auch im Narrenkreis untereinander ausgetauscht. Unter alkoholisierten Personen hätten aber nicht nur die Besucher, sondern auch die Hexengruppen selbst zu leiden, findet Fuchs: „Die Hexengruppen haben es manchmal auch nicht einfach. Die Hästräger haben eine schlechte Sicht und können nur geradeaus sehen, bekommen nicht alles mit und werden oft geschupst oder gestoßen.“

Verbot wäre für kleine Vereine ein großer Rückschritt

Eine pragmatischen Lösung, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden, schlägt Neuschl vor: Eine Nebelmaschine statt kochendem Wasser. „Und ob man Zuschauer heutzutage noch entführen muss, ist wohl ein dörfisches Fastnachtsrelikt aus der Zeit, als neben dem Winter auch noch schlechte Manieren gezielt vertrieben wurden.“ Fastnachtsumzüge generell zu verbieten, sieht Fuchs als problematisch. „Für die kleinen Vereine wäre das ein großer Rückschritt.“ Der Eppinger Oberbürgermeister, Klaus Holaschke, lässt die Zukunft des Nachtumzugs laut stimme.de offen.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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