Flehingen: Begegnungscafé bringt Einheimische und Flüchtlinge zusammen

Die Flehinger Ehrenamtlichen basteln mit den Kindern der Gemeinschaftsunterkunft.
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Das Begegnungscafé in Flehingen bringt Einheimische und Flüchtlinge zusammen. Die engagierten Ehrenamtlichen wollen hier einen Ort der Verständigung und des Austausches schaffen. Bei einem Besuch vor Ort stellten sie das Projekt vor.

Oberderdingen-Flehingen. (wh) Das Begegnungscafé in Flehingen ist an diesem Sonntag gut besucht. Es sind vor allem auffallend viele Kinder da. Heute wird gebastelt. Aber auch Brett- und Gesellschaftsspiele sowie Puzzle liegen bereit und werden gern genutzt. Einige spielen auf dem Vorplatz, trotz der Kälte, Fußball.

Drinnen haben die Helferinnen und Helfer einen Tisch mit Kuchen und Getränke aufgebaut, die sie selbst mitgebracht haben. Die Gemeinde stellt die Räumlichkeiten im Alten Bahnhof Flehingen kostenfrei zur Verfügung. Dort findet seit einem Jahr etwa alle 14 Tage das Begegnungscafé statt. Ins Leben gerufen wurde es von Pfarrer Hans-Joachim Greulich. „Mittlerweile beteiligen sich etwa 30 Ehrenamtliche an dem Projekt“, erzählt Gabi Lingenfelser-Lutz, Koordinatorin des Begegnungscafés.

Ein Ort, wo sich Einheimische und Flüchtlinge kennenlernen

„Man kann immer einfach dazu kommen. Wir wollen einen Raum schaffen, in dem man sich treffen kann“, erklärt Jutta Kunde-Trommer, eine der ehrenamtlichen Helferinnen. Einen Ort also, wo sich Einheimische und Flüchtlinge persönlich kennenlernen können. Einer, den man hier treffen kann, ist Hamoud. Er kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling Ende März 2016 nach Flehingen. Mittlerweile lebt er bei Gabi Lingenfelser-Lutz und ihrem Mann. „Wir haben uns überlegt, wie gut es uns hier in Europa geht“, erzählen sie. Nachdem sie Hamoud einmal getroffen haben, war klar, dass sie ihn aufnehmen wollen.

Jetzt hilft der 18-Jährige selbst mit im Begegnungscafé mit, übersetzt und baut so Brücken zwischen Einheimischen und Neuangekommenen. Themen, über die man spricht, sind oft alltägliche Dinge wie kulturelle Unterschiede, Essgewohnheiten und das Wetter. Die Kälte mache den meist syrischen Flüchtlingen nichts aus, erfährt man. In Syrien kenne man auch Schnee. „Der Winter ist in Deutschland nur länger“, erklärt Hamoud.

Flehinger zeigen großes Engagement

Jutte Kunde-Trommer ist vor allem neugierig auf die Kinder, die nach Deutschland gekommen sind. Sie ist seit 36 Jahren als Psychologin im Kinderzentrum Maulbronn tätig. Sie geht bald in den Ruhestand, will aber trotzdem noch weiter arbeiten. „Es ist eine so schöne Arbeit“, sagt sie. Das war für sie auch ein wichtiger Grund, warum sie sich im Begegnungscafé engagiert. „Kinder sind sehr offen. Gerade die Schulkinder sind sehr interessiert daran, sich zu verständigen“, beobachtete sie. Jugendliche blieben lieber unter sich. Unterschiede im Verhalten zu anderen jungen Kindern habe sie aber nicht feststellen können.

Viele der Kinder sind in Vereinen aktiv, die sich sehr um die Freizeitgestaltung bemühen. Andere helfen bei den Hausaufgaben. Die Flehinger halten zusammen. Das habe man bereits auf der Infoveranstaltung im Vorfeld gemerkt. „Die Stimmung war sehr wohlwollend“, erinnert sich Kunde-Trommer.

Kinder sind Dolmetscher der Eltern

In Flehingen sind seit 2016 viele Familien und auch unbegleitete Minderjährige untergebracht. Gerade die Kinder und Jugendlichen profitieren sehr von den Anstrengungen der Ehrenamtlichen. Doch sie leisten auch selbst einen großen Beitrag zur Integration. „Die Kinder sind oft Dolmetscher für ihre Eltern“, berichtet Lingenfelser-Lutz.

Während die Kinder sehr schnell Anschluss finden, brauchen die Eltern mehr Unterstützung. Darum haben manche Flehinger Familienpatenschaften übernommen. Sie helfen bei Behördengängen, beim Papierkram und übersetzen. Dabei entwickeln sich richtige Freundschaften. Oft müssen sich die Paten und Familien aber wieder trennen, denn die Anschlussunterbringung kann überall im Landkreis erfolgen. Darauf haben die Paten keinen Einfluss. Nur manchmal gibt es glückliche Zufälle.

Ein neues Leben in Deutschland

Auch zwischen Hamoud und seiner Patenfamilie hat sich bereits eine feste Beziehung entwickelt. Das hilft ihm, sein neues Leben in Deutschland anzugehen. Hamoud besucht die Beruflichen Schulen Bretten und möchte später gern Bauingenieur werden. In Syrien ist er elf Jahre zur Schule gegangen und hat die Oberschule erfolgreich abgeschlossen. Manchmal langweilt er sich darum im Unterricht der Integrationsklasse, in der Flüchtlinge mit verschiedenen schulischen Hintergründen gemeinsam unterrichtet werden. Sein größter Wunsch ist es daher, in eine Regelklasse zu wechseln. Er spricht mittlerweile gut Deutsch und versteht so gut wie alles.

Die Geschichte seiner Flucht ist bewegend: Seine Mutter, die noch im Raum Damaskus, lebt, habe ihren Sohn auf die Reise nach Deutschland geschickt, um ihn zu schützen. Sein Vater sei eines Tages einfach verschwunden und Militärgruppen würden junge Männer mitnehmen – oft wisse man nicht einmal, welche der sich bekämpfenden Gruppen eigentlich an die Tür klopft.
Hamoud hat noch Kontakt zu seiner Familie und macht sich sorgen, wenn er hört, dass wieder der Strom ausgefallen ist und wie schlecht es seiner Familie geht. Er selbst kann den Krieg auch noch nicht ganz vergessen. Einmal sei er nachts aufgewacht als die Stadtbahn vorbeifuhr und habe gedacht, die Flugzeuge kämen. Doch in Deutschland fühle er sich sicher und finde wieder ein Stück weit Normalität.

Es sind solche Geschichten, die Jutta Kunde-Trommer dazu bringen, auch über die eigene Vergangenheit und Familiengeschichte zu reflektieren. „Die Familie meines Vaters wurde vertrieben. Das war lange Zeit kein Thema. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr es unsere Familie doch beeinflusst hat. Man hatte weniger Verwurzelung“, erzählt sie.

Hamoud gibt derzeit zumindest seine Patenfamilie Halt. Er wünscht sich, sein Leben in Deutschland verbringen zu können. Zurzeit sucht er nach einem Faschingskostüm.

Die Flehinger Ehrenamtlichen basteln mit den Kindern der Gemeinschaftsunterkunft.
Die ehrenamtliche Helferin Jutta Kunde-Trommer und Hamoud vor dem Alten Bahnhof, in dem das Flüchtlingscafé stattfindet.
Autor:

Wiebke Hagemann aus Bretten

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