Dance Revolution à la Russe – Das Mariinsky Ballett St. Petersburg tanzt Prokofjew

21. Dezember 2018
20:00 Uhr
State Academic Mariinsky Theatre, 76530 Baden-Baden
Foto: State Academic Mariinsky Theatre

Baden-Baden (kn) Mit einem Klassiker und zwei zeitgenössischen Balletten feiert Stardirigent Valery Gergiev den Komponisten Sergej Prokofjew, neben Peter Tschaikowsky und Igor Strawinsky sicher der bekannteste Komponist großer Ballettmusik. Der dreiteilige Abend, mit dem das Mariinsky-Ballett am 21. Dezember 2018, 20 Uhr, seine diesjährige Residenz im Festspielhaus eröffnet, wird von Mariinsky-Intendant Valery Gergiev persönlich dirigiert.

Das Mariinsky Ballett zählt neben dem Bolschoi Ballett zum Besten, was der klassische russische Tanz zu bieten hat. Unter dem Namen „Kirov“ entwickelte sich das einst kaiserliche Ballett St. Petersburgs zum kulturellen Exportartikel Nummer Eins der Sowjetunion. Tanz-Stars wie Rudolf Nurejew, Natalia Makarowa und Mikhail Baryshnikov gelangten durch die Compagnie zu Weltruhm und setzten ihre Karrieren dann als Stars in den USA und Westeuropa fort. Als kraftvoller Auftakt der Baden-Badener Residenz des Mariinsky Ballett stellt der Abend den Komponisten Prokofjew mit einem Handlungsballett und zwei abstrakten Werken vor, in denen sich die klassische Ballettmoderne in ihrer russischen Ausprägung zeigt. Er hatte 2016 im Rahmen der großen Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag des Komponisten in St. Petersburg Premiere.
„Prodigal Son“, zu deutsch „Der verlorene Sohn“, war das letzte Werk, das für die Ballets Russes choreographiert wurde; nach dem Tod von Sergej Diaghilew zerbrach die berühmte Avantgarde-Kompanie 1929 und zerstreute sich in alle Winde. Die relativ freie Adaption der biblischen Parabel ist eines der seltenen Handlungsballette von George Balanchine, dem letzten Chefchoreograph der Ballets Russes. Er erzählt die Geschichte vom verlorenen Sohn, der auf falsche Freunde und eine verführerische, aber eiskalte Sirene trifft, der verletzt und ausgeraubt wird und danach reuig bei seinem Vater um Vergebung für sein Fortgehen bittet. „Prodigal Son“, wie Balanchine das Werk in seiner endgültigen Fassung in den USA nannte, gehört zur späten, stark avantgardistischen Phase der Ballets Russes und ist weit stärker vom darstellerischen Ausdruck geprägt als die abstrakten New Yorker Werke Balanchines, ja es nähert sich in manchen Bewegungen und Posen fast dem deutschen Expressionismus. Die Choreographie wirkt durchweg sehr bildhaft, wodurch Balanchine auch die Figuren detailliert charakterisiert – der Titelheld und die langbeinige Sirene sind zwei begehrte Rollen für dramatische Tänzerpersönlichkeiten. Diaghilew persönlich hatte die Partitur bei Prokofjew in Auftrag gegeben, sie ist die einzige originäre Ballettmusik, die an diesem Abend erklingt.

Denn sowohl Anton Pimonov wie auch Maxim Petrov wählten Konzertstücke von Prokofjew für ihre Ballette. Beide Choreographen gingen aus den „Kreativen Workshops für Junge Choreographen“ hervor, die Yuri Fateyev, Ballettchef des Mariinsky, seit 2013 zur Förderung des eigenen Nachwuchses veranstaltet. Der ehemalige Mariinsky-Tänzer Pimonov, der sich inzwischen ganz der Choreographie widmet, ist bereits mit vier Stücken im Repertoire der Kompanie vertreten. Für sein „Violin Concerto No 2“ erhielt er im letzten Jahr die „Goldene Maske“, den höchsten russischen Theaterpreis. Zu Prokofjews zweitem Violinkonzert in g-moll, entstanden im Jahr 1935, schuf Pimonov ein rein neoklassisches Ballett in einer klaren, hierarisch strukturierten Architektur. Was fast wie eine Hommage an George Balanchine wirkt, hat dennoch eine eigene Färbung, etwa in den sparsam dosierten modernen Kontrapunkten, die mitunter wie ein ironischer Touch wirken. Im Mittelpunkt steht ein langer, elegischer Pas de deux zum zweiten Satz des Konzerts, dessen abschließendes Allegro leicht spanisch beeinflusst klingt. Stilvolle Tutus und Kostüme in elegantem Dunkelblau kleiden das Werk in eine kühle, klare Eleganz. Anton Pimonov ist sich sicher, dass „Dance Revolution à la Russe“ nur bedeuten kann, aus der Kraft der Tradition heraus den nächsten Schritt zu gehen: „Ich höre oft, dass es angeblich nichts Neues gibt, nur Abgedroschenes. Ich reagiere nicht darauf und zitiere bewusst die Klassiker. Immerhin haben wir ihnen die wichtige Verbindung zwischen den Generationen in der Ballettkunst zu verdanken.“

In hellem Weiß, mit grünen und goldenen Farbpunkten stürmt Maxim Petrovs Ballett „Russian Overture“ über die Bühne. Prokofjews „Russische Ouvertüre für Sinfonieorchester“ op. 72 entstand nach langen Jahre der Reisen im Ausland und feiert mit folkloristischen Motiven und einer farbenfrohen Instrumentierung die musikalische Tradition des Heimatlandes. Ballettdirektor Yuri Fateyev hebt den Humor des Ensemble-Stücks hervor, die zarten Verbeugungen vor Choreographen wie Bronislawa Nijinska oder, auch hier, George Balanchine. Für Valery Gergiev ist die Musik ein weiterer Beweis dafür, wie tänzerisch Prokofjew fast immer komponiert hat. Natürlich greift Petrov, ebenfalls Tänzer der Mariinsky-Kompanie, in seiner klassisch grundierten Choreographie die folkloristische Hommage an Russland auf. Mit seinen 25 Jahren ist er übrigens genauso alt wie George Balanchine es war, als er „Prodigal Son“ choreographierte – auch das traditionsreiche Mariinsky-Ballett weiß, dass es sich trotz seines riesigen Repertoires an Klassikern ständig erneuern muss.

Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de. Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101.

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

14 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.