Keiner verbindet die Spiritualität des Ostens und die expressive Körperkunst des Modern Dance wie er: Nach langer Zeit sind Lin Hwai-min und sein Cloud Gate Dance Theater aus Taiwan am 29. und 30. April 2017 (18 und 17 Uhr) wieder im Festspielhaus Baden-Baden zu Gast. Wie Yin und Yang ergänzen sich in ihrem Doppelabend aus „White Water“ und „Dust“ das Weiß und Schwarz zweier sehr gegensätzlicher Stücke.
Baden-Baden (pm) Bekannt wurde das Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan aus Taipeh mit bilderstarken Werken wie „Moon Water“ oder „Cursive“. Die außergewöhnliche Tanzsprache von Lin Hwai-min vereint am Samstag, 29. April, 18 Uhr und Sonntag, 30. April, 17 Uhr im Festspielhaus Baden-Baden asiatische Mythen und die Ästhetik des zeitgenössischen Tanzes.
Inspiriert von Tai Chi
Lins Choreografie nimmt seine Inspiration aus traditionellen Bewegungslehren wie Tai Chi oder Meditationstechniken wie Qi Gong, aus den asiatischen Kampfküsten und vom Schattenboxen, er integriert Elemente der Peking-Oper und verbindet diese fernöstlichen Stile mit neoklassischen und zeitgenössischen Tanzstilen des Westens. Oft fließt sein Tanz wie reine Seide, aber die zarte Lyrik kann in die gespannte Schnelligkeit der Martial Arts umschlagen, weiche Bewegung wird zu Körperskulpturen von erlesener Schönheit. Lins Werke sind geprägt vom immer wiederkehrenden Thema Natur, oft bestehen seine Bühnenbilder aus natürlichen Materialien wie Weizenkörnern oder Bambus. Die Ästhetik des Raumes ist immer wichtig in diesen Stücken, sie arbeiten mit Videos, Projektionen und Lichtinstallationen.
Wichtigster Choreograf in Asien
Nach einer alten Legende ist „Cloud Gate“, also „Wolkentor“, der Name des ältesten überlieferten chinesischen Tanzes. Lin Hwai-min schöpft tief aus der Tradition seines Landes, aber er hat sein Handwerk im New Yorker Modern Dance gelernt, in den Studios von Martha Graham und Merce Cunningham. Um den Traum von einer eigenen Tanzcompagnie zu verwirklichen, der ersten überhaupt in Taiwan, verdiente der Sohn eines Ministers sein Geld als Autor, heute ist er der wichtigste Choreograf des asiatischen Kontinents. Lin arbeitet mit europäischer und asiatischer, mit alter und neuer Musik. Jedes seiner Stücke ruht in einer eigenständigen, neu erdachten Ästhetik – ob in „Songs of the Wanderer“ wahre Fluten von Reiskörnern die Bühne bedecken, ob es Spiegel sind wie in „Moon Water“ oder ob ihn die chinesische Kalligraphie inspirierte wie in „Cursive“. Seine Stücke laden zur Stille ein, zu einem entschleunigten Alltag, zum Respekt vor der Natur.
Werk präsentiert Elemente des Daoismus
Im Doppelabend aus „White Water“ und „Dust“, entstanden im Jahr 2014, ergänzen sich Hell und Dunkel, Harmonie und Zerstörung. Energie fließt wie Wasser im ersten Stück, die Tänzer strömen über die Bühne wie die weißen Schaumkronen eines ruhig über Felsen dahinstrudelnden, sanften Wassers. Zu Klaviermusik französischer Impressionisten zeigt das einstündige Werk die drei lebenswichtigen Elemente des Daoismus und der traditionellen chinesischen Medizin: Jing (die Lebensessenz), Qi (die Energie) und Shen (den Geist).
„Dust“ dagegen ist dunkel und verzweifelt. Zu Dmitri Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8, einer tieftraurigen und anklagenden Musik, ist die Bühne in dunklen Rauch gehüllt, Menschen mit geschwärzten Gesichtern suchen Schutz beieinander. Der Mensch ist Staub, zerbrechlich und hilflos, unbedeutend umhergetrieben auf der Erdoberfläche und den Katastrophen ausgeliefert. Bewegt von der großen Melancholie der Musik, die angesichts des verwüsteten Nachkriegs-Dresden entstand, zeigt Lin Hwai-min die ewigen Opfer der Weltgeschichte – Flüchtlinge, Hungernde, Unterdrückte, Vertriebene. „Ein Requiem“ lautet der Untertitel des ergreifenden Werkes. Das eine Stück schreit aus tiefster Nacht, das andere feiert den ewigen Kreislauf des Lebens – aufgrund ihres starken Kontrastes hat der Choreograf das helle und das dunkle Werk zu einem Abend zusammengefügt.
Weitere Informationen auf festspielhaus.de. Informationen und Eintrittskarten unter der Telefonnummer 07221 / 30 13 101.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
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