Wo einst in Bretten der Seifensieder war
Führung durch das Haus in der Weißhofer Straße 2

Architekt Frank Morlock erläutert das Schmuckfachwerk an der Vorderseite des Hauses. Foto: hk
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  • Architekt Frank Morlock erläutert das Schmuckfachwerk an der Vorderseite des Hauses. Foto: hk
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Bretten (hk) Am Tag des offenen Denkmals am 11. September erläuterte Architekt Frank Morlock bei einer öffentlichen Führung durch das Gebäude in der Weißhofer Straße 2 die dortigen Sanierungs- und Baumaßnahmen. „Für uns war die ganze Geschichte auf den ersten Blick nicht attraktiv“, gibt Morlock ehrlich zu. „Mittlerweile sind Sie aber Feuer und Flamme für das Haus, nicht wahr?“, fragte eine Teilnehmerin, worauf Morlock mit einem zustimmenden Kopfnicken antwortete. Dem Architekten aus Königsbach-Stein, der sich vor allem auf die Sanierung von Altbauten spezialisiert hat, war besonders der Gebäude-Anbau aus den 1970er-Jahren ein Dorn im Auge. „Der Anbau hat nicht wahnsinnig viel Wohnraum geschaffen und hat in erster Linie das Gebäude zusätzlich verunstaltet“, erklärte Morlock. In der Zwischenzeit wurde der Anbau abgerissen und durch einen Fahrstuhlschacht ersetzt.

Stahlstützen im Erdgeschoss

Ein weiterer Eingriff in die Gebäudesubstanz sei damals der Einbau von Stahlstützen im Erdgeschoss gewesen. „Unser Ansatz war, den Stahl wieder herauszunehmen und die Fassade wieder zu schließen, aber so, dass das Erdgeschoss wieder für eine gewerbliche Nutzung mit Verkauf geeignet wäre“, sagte Morlock und ergänzte: „Das hat nicht geklappt – der Stahl wurde ohne Rücksicht auf Verluste in der Bausubstanz eingebracht.“ Das Haus ruhe laut Morlock im Wesentlichen auf zwei Stahlträgern und sechs Stahlstützen. „Das kriegen wir mit halbwegs vernünftigem Aufwand leider nicht wieder raus“, so der Architekt.

"Die Stadt lebt ja hier von Fachwerk"

Hinsichtlich des Fachwerks sei das Denkmalamt zunächst nicht davon überzeugt gewesen, es wieder sichtbar zu machen. Untersuchungen hätten ergeben, dass das Fachwerk am Haus 1690 sichtbar war, aber dass es nach etwa 100 bis 120 Jahren überputzt wurde. „Aber die Stadt lebt ja hier von Fachwerk“, lautete die Meinung des Architekten. Wäre es bei der Entscheidung geblieben, das Fachwerk nicht sichtbar zu machen, hätte man es laut Morlock zunächst freigelegt und saniert, um es schließlich wieder zu verputzen. „Wir haben es aber geschafft, dass wir das Fachwerk wieder sichtbar machen dürfen.“ Zusätzlich zur bestehenden Dachgaube aus dem 18. oder 19. Jahrhundert wurde außerdem eine weitere für mehr Licht in der Wohnraumnutzung hinzugefügt.

Seifensieder, Gasthaus und Bäckerei

Der Architekt lieferte auch viele Hintergrundinformationen über das Wohn- und Geschäftshaus, die die Teilnehmer mit gespanntem Interesse verfolgten. Das Gebäude stamme aus dem Jahr 1689 und war von dem großen Stadtbrand während des Erbfolgekrieges beschädigt worden. Beim Wiederaufbau 1690 sei das Haus in der Weißhofer Straße auf zwei Gewölbekellern errichtet worden. Es soll eines der ersten Häuser in Bretten gewesen sein, das nach dem Erbfolgekrieg wieder aufgebaut wurde, berichtete Morlock. Den Teilnehmern der Führung entging nicht, dass das Fachwerkhaus „sehr groß und auch vom Fachwerk her sehr wertig“ ist. Das Fachwerk selbst, so Morlock, sei aus hochwertigem Eichenholz gefertigt worden, das auch beim Schmuckfachwerk an der Vorderseite verwendet wurde. „Weiß man eigentlich, wer der erste Besitzer war?“, wollte eine Teilnehmerin wissen. Über den ersten Besitzer wisse Morlock nichts, aber der zweite Besitzer des Hauses habe Seife hergestellt. Im Laufe der Jahre befand sich in dem Gebäude auch ein Gasthaus, eine Bäckerei und in den 1970er-Jahren soll dort ein Radiohändler sein Geschäft geführt haben.

Kosten von 2,4 Millionen Euro

Was den Zeitplan anbelangt, wäre man gerne weiter gewesen, so Morlock. „Um es plakativ zu sagen: Wir haben relativ wenige Handwerker, die auf ein solches Projekt wirklich Lust haben.“ Je komplexer und älter ein Bauprojekt sei, desto weniger Angebote würden eingehen, so Morlock. Die Rohbauarbeiten beispielsweise habe man dreimal ausschreiben müssen. Beheizt werden soll das Wohn- und Geschäftshaus mit einer Holzpellet-Heizung im Gewölbekeller. Die Fertigstellung der Sanierung verschiebe sich von Ende dieses Jahres auf April oder Mai 2023. Die Baukosten belaufen sich auf etwa 2,4 Millionen Euro. Für die gewerbliche Nutzung des Erdgeschosses im ehemaligen "Käseladen" gibt es laut Morlock zwei Interessenten.

Architekt Frank Morlock erläutert das Schmuckfachwerk an der Vorderseite des Hauses. Foto: hk
Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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