Interview mit Ulrike Trautz, der Dekanin des Kirchenbezirks Bretten-Bruchsal
"Konfession ist auch Geschmackssache"

Dekanin Ulrike Trautz. hk

Bretten (swiz) Ulrike Trautz ist als Dekanin des Evangelischen Kirchenbezirks Bretten-Bruchsal Nachfolgerin der in den Ruhestand verabschiedeten Gabriele Mannich. Seit Dezember 2010 war Trautz Gemeindepfarrerin in Kürnbach-Bauerbach. Im Interview mit Brettener Woche-Redaktionsleiter Christian Schweizer spricht sie über ihre Pläne als neue Dekanin und nötige Umstrukturierungen in der evangelischen Kirche.

Frau Trautz, Sie haben die Stelle von Dekanin Gabriele Mannich angetreten. Wie haben Sie Ihre Vorgängerin erlebt? Sie haben vor Ihrer Wahl zur Dekanin seit 2014 auch als deren Stellvertreterin gearbeitet.
Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, obwohl sie damals Mühe hatte, mich dazu zu überreden, ihre Stellvertreterin zu werden. Von ihr habe ich gelernt, den Blick auf das große Ganze zu weiten. Sie hat mir sehr viel Wertschätzung in der täglichen Arbeit entgegengebracht. Vor allem auch durch sie habe ich das Zutrauen entwickelt, das jetzige Amt als Dekanin anzunehmen.

Wie kamen Sie persönlich zu einem Leben mit Gott und der Religion?

Ich bin ein Pfarrerskind. Von daher kenne ich dieses Leben schon von Kindesbeinen an, und ich habe dieses Leben immer als sehr positiv erlebt. Mein Vater war gefühlt immer ein bisschen häufiger zuhause als andere, zwar nicht immer ansprechbar (lacht) aber da. Als ich dann in der Oberstufe des Gymnasiums war, habe ich eine Tagung für Interessierte am Theologie-Studium besucht, und dieser Besuch hat mich dann überzeugt, Pfarrerin werden zu wollen. Nach Studium-Stationen in Bielefeld, Marburg und Heidelberg habe ich dann mein kirchliches Examen in Karlsruhe gemacht, war nach dem Vikariat Pfarrerin in der Friedensgemeinde Baden-Baden und dann ab 2010 in der Kirchengemeinde Kürnbach-Bauerbach, seit 2014 zugleich Stellvertreterin der Dekanin.

Was war denn Ihre Motivation, sich für das Kirchenamt der Dekanin wählen zu lassen?
Ich war für mein Leben gern Dorfpfarrerin! Aber ich habe zunehmend gemerkt, dass es wichtig ist, den Blick über den eigenen Kirchturm hinaus zu weiten und Beziehung und Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und den Kolleginnen und Kollegen zu fördern.

Wie zeigt sich das im Alltag?
Ich versuche eher kollegial zu leiten. Das heißt mit den haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden gut in Kontakt zu kommen, ihre Begabungen und Stärken wahrzunehmen und mit ihnen gemeinsam nach dem richtigen Weg zu suchen. Das ist manchmal auch anstrengend, weil es viel von den Einzelnen verlangt. Aber der offene Dialog ist mir wichtig. Und natürlich kann es dann auch in der Kirche einmal Streit geben, aber es muss ein konstruktiver Streit sein, bei dem man einander auch zuhört und gegebenenfalls die Größe hat, seine Meinung zu ändern. Wichtig ist, dass ich mich auch mal entschuldigen kann.

Sie haben einmal von dringend nötigen Umstrukturierungsprozessen in der Kirche gesprochen. Was haben Sie damit gemeint?
Eine Studie der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität besagt, dass die Kirchen bis zum Jahr 2060 etwa die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren werden. Das liegt zum einen an der demographischen Entwicklung, zum anderen aber am Tauf-, Austritts- und Eintrittsverhalten der Menschen. Festgestellt wurde auch, dass die meisten Menschen zwischen 20 und 35 Jahren aus der Kirche austreten, weil sie zum einen monetäre Gründe und zum anderen keine Bindung mehr zur Kirche haben. Diese Menschen müssen wir versuchen, wieder mit unserer Botschaft zu erreichen.

Die da lautet?

Ich glaube, alle Menschen tragen eine Sehnsucht in sich nach Halt und Geborgenheit in ihrem Leben. Wir müssen ihnen als Kirche vermitteln, dass der Glaube an Gott und Jesus Christus ihnen das geben kann.

Sie sind auch eine Verfechterin der, nennen wir es mal, interkommunalen Zusammenarbeit auf Kirchenebene.
Ja, durch die demographische Entwicklung werden wir nicht nur viele Mitglieder verlieren, auch in der Kirche gehen nun die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Obwohl also der Nachwuchs in den kirchlichen Berufen zur Zeit konstant bleibt, steuern wir auf einen Personalmangel zu. Wir haben also die Wahl, ob zukünftig viele Pfarrstellen vakant bleiben werden oder ob wir versuchen, die Arbeit über die jetzigen Gemeindegrenzen hinaus noch besser zu verzahnen und neue Kooperationen oder größere Gemeindezuschnitte zu schaffen. Im Moment verschleißen wir noch sehr viele Kräfte, weil jede/r Pfarrer/in alles macht. Wenn wir in Teams arbeiten, könnten die verschiedenen Arbeitsbereiche nach Begabungen unter den Hauptamtlichen aufgeteilt werden, so dass eine Person zum Beispiel für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zuständig ist und eine andere für die ältere Generation. Das könnte einen Synergieeffekt haben und neue Freiräume schaffen.

Welchen Stellenwert hat für sie die Ökumene?
Einen sehr hohen Stellenwert und ich glaube, wir sind da auch schon sehr weit. Ich könnte mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass man in Zukunft die Gemeindehäuser gemeinsam nutzt. In Kürnbach haben beispielsweise die Evangelische, die Katholische und die Methodistische Kirche ihr eigenes Gemeindehaus. Das könnte man vielleicht irgendwann zusammenlegen. In Bauerbach klappt das schon sehr gut. Da sind wir für unsere Gottesdienste zu Gast in der Katholischen Kirche. Und feiern regelmäßig ökumenisch Gottesdienst. Trotzdem denke ich, dass es gut ist, wenn es verschiedene Kirchen gibt. Die Menschen sind verschieden. Darum brauchen sie auch verschiedene Formen, um ihren Glauben zu leben. Konfession hat auch etwas mit Geschmackssache zu tun.

Für den Islam gilt das auch?
Ja, ich finde den Dialog mit dem Islam sehr wichtig. Und ich hoffe, dass Begegnungen mit den Vertretern in Bretten möglich sein werden.

Muss denn die Kirche an sich aus Ihrer Sicht moderner werden?
Die Kirche ist schon moderner geworden als viele denken, die schon lange keinen Kirchenraum mehr von innen gesehen haben. Inzwischen spielen Bands in Kirchen, es gibt Online-Seelsorge und vieles mehr. Ich denke, es ist wichtig, dass die Kirche mit ihren Angeboten in der Lebensrealität der Menschen auftaucht. Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit halte ich zum Beispiel für sehr wichtig. Diese Anliegen möchte ich als Dekanin noch mehr in die Fläche tragen. Ein Beispiel ist der Grüne Gockel (Ein Umweltmanagement-System der Evangelischen Landeskirche in Baden für Kirchengemeinden; Anm. d. Red.), mit dem schon einige Gemeinden in unserem Kirchenbezirk ausgezeichnet sind. Unsere Landeskirche wird demnächst ein neues Klimaschutzprogramm auflegen, um CO2-neutral zu werden. Dabei wollen wir aktiv mitwirken.

Die Fragen stellte Christian Schweizer

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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