Magie-Tage in der Fauststadt Knittlingen

18. Juni 2017
Faust-Museum, 75438 Knittlingen
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18. Juni 2017

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Die Magie-Tage 2017 finden vom 16. bis 18. Juni in der Fauststadt Knittlingen statt. | Foto: ch
  • Die Magie-Tage 2017 finden vom 16. bis 18. Juni in der Fauststadt Knittlingen statt.
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Knittlingen (pm) „Spiegelungen – a kind of magic“ lautet das Motto der Magie-Tage vom 16. bis 18. Juni 2017 in Knittlingen. Mit Vorträgen, Theater-, Film und Musikaufführungen wird die Magie als Welterklärung in Literatur und geschichtlichem Kontext beleuchtet. kraichgau.news verlost 2x2 Tickets für die Theateraufführung „Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist am 16. Juni 2017 sowie für die Stummfilm-Vorführung von „Nosferatu“ mit Live-Musik am Samstag, 17. Juni 2017.

Bei der Veranstaltung „Spiegelungen – a kind of magic“ Magie als Welterklärung in Literatur und geistesgeschichtlichem Kontext handelt es sich nicht um eine Konferenz im herkömmlichen Sinne. Schon das breite, interdisziplinär ausgerichtete Feld der Vortragsthemen zeigt eine Vielseitigkeit, die jedoch auf eine bestimmte Fragestellung zugespitzt wird: die Vorstellungswelt und die Welterklärungsmodelle des vormodernen Menschen und ihre Ausprägungen bis in die heutige Zeit in Literatur, Kunst und Philosophie. Die Annäherung an dieses Themenfeld wird dabei auf mehreren Ebenen und aus verschiedenen Perspektiven erfolgen.

Breites Themenspektrum

Die moderne Weltdeutung der westlich/abendländischen Kultur basiert auf den Denkkategorien der Aufklärung. Dies hat zur Folge, dass die Welt als solche ebenfalls kategorisiert wird. Es gibt unter anderem eine chemische, physikalische, biologische, ökonomische, soziologische, politische, literarische Weltdeutung. Allen ist gemeinsam, dass sie nur einzelne Aspekte des Weltganzen modellieren und zumeist ohne gegenseitige Bezüge auskommen. Mit dem Oberbegriff „Reduktionismus“ wird das Weltdeutungsprogramm der Aufklärung teilweise methodisch beschrieben.

Konträr dazu stehen die vormodernen Weltbilder – in dem auch der historische Georg Johann Faust und seine Zeit, die Renaissance, angesiedelt sind. Da das moderne Weltbild erst seit etwa 250 Jahren existiert, gibt es für den langen Zeitraum davor eine ganze Anzahl unterschiedlicher Vorstellungen, denen aber eines gemeinsam ist: Sie versuchten stets, die Welt als Ganzes zu erfassen und zu deuten. Das gilt für die Schamanen genauso wie für die Naturphilosophen der Renaissance.

Allen Modellen ist gemeinsam, dass der Mensch nicht als externer Beobachter auftritt, sondern als Teil der Welt. Die Externalisierung führt zur Idee des „objektiven“ Beobachters (die Welt als Objekt), die Inklusion erzeugt zwangsläufig eine „subjektive“ Sicht (die Welt wird nicht von außen beobachtet, sondern teilhabend erlebt). Diese Form der Weltdeutung wird – zumindest für die Dauer der Tagung – unter dem Begriff „Magie“ zusammengefasst.

Mit dem Wort „Spiegelungen“ werden mehrere Begriffsebenen angesprochen. Zunächst die Tatsache, dass die Grundlage der Magie in der sogenannten „Mikrokosmos-Makrokosmos-Parallele“ besteht, die von einer Spiegelung des Menschen im Kosmos und des Kosmos im Menschen ausgeht. Diese Grundidee wirkt in unterschiedlicher Art und Weise auf alle Denk-Konzepte späterer Zeiten und auch ihrer Niederschläge in Literatur und Kunst sowie in Psychologie und Soziologie. Erst der alleine der Logik verpflichtete Rationalismus löst sich davon vollständig ab. Bei vielen Menschen bleibt allerdings bis heute ein Rest davon wirksam, wie das Interesse an „alternativen“ oder „esoterischen“ Methoden etwa der Medizin zeigt.

Vor diesem Hintergrund beziehen sich die Fragestellungen unserer „Magie“-Tage in der Fauststadt Knittlingen sowohl auf die geistesgeschichtliche Basis des vormodernen Weltbildes als auch ihrer Niederschläge in Kunst und Literatur.

Von Faust bis zur Aufklärung

Am Geburtsort der historischen Faust-Figur, Georg Johann Faust, sind die Bezüge zur Faustsage und ihren Wurzeln herzustellen, aber auch eine Verbindung zwischen historischem und literarischen Faust: Inwieweit entspricht die faustische Verzweiflung dem Verlust einer gelingenden, möglichen Naturwahrnehmung? Dabei sind auch die Zeitgenossen des historischen Faust nicht zu vergessen, so sind Paracelsus und seine Schüler mit in diesen Kontext einzubeziehen, wobei auch deren Symbolik und ihre Präsenz in zeitgenössischer und moderner Kunst einen spannenden Ansatz zum Diskurs leisten.

Im Themenfeld des literarischen Faust ist auch Johann Wolfgang von Goethe und seine Integrierung dieser Denkmodelle in einzelnen Motiven und Metaphern in seinen „Faust“ zu berücksichtigen. Dass Goethe Kenntnisse von Naturmagie hatte, steht fest, und gerade auch die so vielseitig interpretierbare Antwort auf die Gretchenfrage wird hier zu diskutieren sein.

Doch warum halten sich auch und gerade nach der Aufklärung stets Ideen von Elementar- und Naturgeistern, der Glaube und der Wunsch nach metaphysischen Kräften aus und in der Natur? Dabei werden ja diese durchaus auch als Stör- und Beeinflussungsfaktoren wahrgenommen und in der Literatur dementsprechend inszeniert. Ein Ausfluss davon ist gerade im 19. Jahrhundert spürbar und hat ein ganzes Genre gegründet: die Tradition der gothic novel, der Schauerromane und der Thriller, sollen bei den Magie-Tagung auch als Gegenreaktion zur Nüchternheit der Aufklärung gedeutet und untersucht werden. In diesem Zusammenhang sind auch Geheimbünde wie die Rosencreutzer und Freimaurer und ihr Fortdauern bis heute sowie ihre ausgesprochene Faszination, die sich unter anderem in Belletristik niederschlägt, zu thematisieren.

Schließlich ist zu fragen: Treibt uns auch heute noch die faustische Sehnsucht, in einem ganzheitlichen Sinne zu begreifen, was „die Welt im Innersten zusammenhält“?

Vorträge, Theater, Film und Musik

Die Magie-Tage können bei dieser breiten, interdisziplinären Ausrichtung zwischen Literatur, Geschichte, Wissenschaftsgeschichte und Kunst nur in eben solcher vielgestaltiger Umsetzung präsentiert werden: Mit Theater-Performance, wissenschaftlichen Referaten ausgewiesener Experten ihres jeweiligen Faches, Filmvorführungen, Live-Musik und Experimentalvorführungen.

Eröffnet werden die Magie-Tage durch eine künstlerische Gestaltung dieses komplexen Feldes, mit einer Aufführung des „Käthchen von Heilbronn“ von Heinrich von Kleist. Diese möglicherweise überraschend erscheinende Wahl hat aber auch hier enge Bezüge zum Themenschwerpunkt: Heinrich von Kleists literarische Produktivität im frühen 19. Jahrhundert fällt in die Zeit, als der Mesmerismus und Hypnosetechniken in Deutschland populär sind. Das Stück „Käthchen von Heilbronn“ hat Heinrich von Kleist dabei benutzt, um den Bewußtseinszustand des modernen Menschen darzustellen, der die Anbindung an tiefere Schichten des Unbewussten verloren hat und doch von diesen umso unausweichlicher gesteuert wird.

Nach der abendlichen Auftakt-Aufführung wird am Folgetag eine Nachbesprechung des Theaterstücks und Kleists Integrierung dieser wissenschaftlichen Ideen in sein Stück mit den Schauspielern diskutiert.

Die wissenschaftlichen Vorträge werden von dem bekannten Religionswissenschaftler an der Universität Groningen, Professor Kocku von Stuckrad eingeläutet, der zunächst das thematische Feld in seiner gesamten Breite öffnet und sich mit dem Antagonismus „Aufklärung und Esoterik“ befasst. Anschließend verlagert sich die Diskussion in die Zeit des historischen Faust mit ausgesuchten Beispielen aus der zeitgenössischen Literatur, Privat-Dozentin Ute Frietsch.

Die literaturhistorische und literaturwissenschaftliche Dimension der Vampir- und Schauerroman-Literatur als Gegenbewegung nach der ach so rationalen Aufklärung stellen Professor Claus Priesner aus München, der Literaturwissenschaftler Jost Eickmeyer (Berlin) sowie Denise Roth (Faust-Museum/Faust-Archiv) dar. Ein Brückenschlag zu Johann Wolfgang von Goethes „Faust“ gelingt im Anschluss über den Theologen und Universitätspfarrer, Professor Wolfgang Achtner aus Gießen, der über „Magie zwischen Wissenschaft und Religion“ und deren Thematisierung in Goethes „Faust“ unter dem Titel „Goethe und Agrippa von Nettesheim“ referieren wird.

Nach dieser theoretischen Auseinandersetzung mit der Thematik folgt im Anschluss an eine Pause Abwechslung über Spektakel, Film und Musik. Die Chemie-Show „Feuerball und Farbenspiel“ zeigt (Al-)chemische Versuche in historischem Gewand, wobei sich die Chemiker Professor Claus Priesner und Christian Heinrich Wunderlich (Landesdenkmalamt Halle) als theatralische Quacksalber mit echten Experimenten unters Volk auf dem Pfleghof mischen.

Im Evangelischen Gemeindehaus der Stadt Knittlingen präsentiert das Faust-Museum/Faust-Archiv dann um 20.45 Uhr die Stummfilm-Vorführung des Klassikers „Nosferatu“ mit Live-Musik (Klavier und Kontrabass) des Roman Rothen-Duos (Königsbach-Stein).

Für das leibliche Wohl ist auf dem Pfleghof im Stil eines spätmittelalterlichen Marktplatzes durch die Theatergruppe Laterna Mystica und die Weingärtnergenossenschaft Knittlingen gesorgt.

Den dritten Festival-Tag läutet zunächst ein Blick auf mittelalterliche Wissenschaftsmodelle im postnuklearen Zeitalter durch Damaris Aschera Gehr ein, literarische Niederschläge metaphysische Vorstellungen und Sehnsüchte, aber auch Ängste thematisieren dann Professor Tobias Bulang (Heidelberg), Hannah Mieger sowie Professor Leander Petzold (Innsbruck) in Bezug auf Dämonologie, unter anderem in modernen Texten.

Nach der Mittagspause wird der Leiter der Wormser Museen, Olaf Mückain über Alchemie in modernen Kunstwerken referieren, bevor es um die Bruderschaften der Gold- und Rosenkreuzer geht. Der Diplom-Psychologe Eberhard Bauer (Freiburg) präsentiert den derzeitigen Stand parapsychologischer Forschung, bevor als abschließender Höhepunkt der Filmwissenschaftler Professor Matthias Hurst (Berlin) über Nosferatu und andere Vampir-Gestalten der Filmgeschichte an ausgewählten Beispielen sprechen wird.

Über das Faust-Museum/Faust-Archiv

Das Faust-Museum/Faust-Archiv widmet sich seit mehreren Jahrzehnten der Dokumentation des Faust-Mythos‘, so mit einer Dauer-Ausstellung, die auf drei Ebenen den Weg von der historischen Faust-Gestalt bis in die verschiedenen Ausprägungen, unter anderem in Literatur, Theater, Film und Musik, präsentiert.

Hinzu kommt das in der ehemaligen Alten Lateinschule seit dem Jahre 2002 untergebrachte Faust-Archiv, das in seiner Bibliothek über 6500 Titel zum Thema „Faust“ beherbergt, fußend auf mehreren Sammlungen, die in ihrem Umfang und ihrer Vielseitigkeit einen besonderen Platz in der Faust-Forschung beanspruchen können.

Sich in der Geburtsstadt des historischen Vorbildes für Goethes „Faust“, Georg Johann Faust, dem authentischen Ausgangspunkt der Faust-Legende und ihres geistesgeschichtlichen Horizontes zu widmen, sowie den Brückenschlag in die Moderne bis in die aktuelle Gegenwart und ihres Weltbildes zu wagen, bietet sich damit nicht nur an, sondern liefert die angemessene und äquivalente Plattform – sowohl thematisch als auch von den wissenschaftlichen und organisatorischen Gegebenheiten.

Info und Vorverkauf

Die Magie-Tage finden vom 16. bis 18. Juni 2017 in Knittlingen statt.

3-Tages-Pass inkl. Abendveranstaltungen: 60 Euro
1-Tages-Pass Samstag inkl. Abendveranstaltung: 30 Euro
1-Tages-Pass Samstag ohne Abendveranstaltung: 20 Euro
1-Tages-Pass Sonntag: 20 Euro
Einzelbuchungen:
Theateraufführung „Das Käthchen von Heilbronn oder Die Feuerprobe“
von Heinrich von Kleist Freitagabend: 15Euro / 12 Euro (ermäßigt)
Schulklassen: 10 Euro pro Person (Buchung über Lehrer)

Stummfilm mit Live-Musik „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ Samstagabend: 10 Euro / 8 Euro (ermäßigt), FSK 12 Jahre

Einzelbuchung je Vortrag: 5 Euro

Karten gibt es im Faust-Museum oder im Faust-Archiv, Reservierung unter:
Tel.: 07043/ 9506922 und 07043 / 951610 oder E-Mail: faustmuseum@knittlingen.de
Infos unter: www.faustmuseum.de.

Autor:

Wiebke Hagemann aus Bretten

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