Einmal Gurs hin und kein zurück
Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs am 27. Oktober 2024

Symbolische Schienen führen zum Eingang des Friedhofs | Foto: privat
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  • Symbolische Schienen führen zum Eingang des Friedhofs
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Bretten ist Mitglied der AG zur Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs, gelegen am französischen Fuß der Pyrenäen. Diesem Friedhof für die badischen, pfälzischen und saarländischen Juden und auch spanischen Deportierten nahm sich OB Günter Klotz von Karlsruhe an. 1963 wurde der Friedhof nach langen Verhandlungen vom Oberbürgermeister eingeweiht. Damit haben die ungefähr 1100 jüdischen Toten einen würdigen Platz bekommen.

Es ist eine große Ehre, an der Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die ca. 6.500 jüdischen Deportierten aus unserer Heimat im weiteren Sinn teilzunehmen. Wichtig ist die Begegnung, weil doch alle Beteiligten das gleiche Anliegen haben – die grausame Geschichte der Entrechtung und schließlich Vertreibung am 22. Oktober 1940 wach zu halten.
Baden-Baden hatte die Schirmherrschaft, doch besonders eindrucksvoll war die Rede des Vertreters des Departements. „Hier in Gurs nahm die Barbarei Gestalt an, das Grauen wurde Wirklichkeit“, so seine Worte und weiter. „Jeder Mensch ist reich an seiner Kultur, an seiner Unterschiedlichkeit. Lassen Sie diesen Reichtum teilen.“

Für Heidi Leins bedeutet der Besuch auch immer das Nachspüren der Geschichte von ehemaligen jüdischen Mitbürgern. So fiel schon vor Jahren auf, dass auf dem Grabstein von Auguste Bauernfreund der Geburtsort falsch ist. Es kann nicht Heidelsheim sein. Ein Antrag an die AG machte nun die Korrektur möglich. Auguste wurde 1866 als Tochter von Salomon Erlebacher und Babette Kahn in Diedelsheim geboren. Sie verheiratete sich in Diedelsheim mit Isaak Bauernfreund aus Schluchtern bei Eppingen. Auguste war Witwe als sie von Schluchtern nach Gurs deportiert wurde. Nach fünfzehnmonatigem Lagerleben starb sie 1942 in Gurs. Auch ihre beiden Kinder überlebten den Holocaust nicht. Sie wurden aus Frankfurt und Stuttgart deportiert und in KZs ermordet. Familie ausgelöscht.

Eine weiterer Grabstein wurde korrigiert. Auch bei Helene Baum stimmte der Geburtsort nicht. Sie ist in Bretten 1885 geboren und nicht in Wertheim. Mit 30 Jahren war sie schon Witwe, weil ihr Mann, Teilhaber der Brettener Eisenwaren­handlung Salomon Wertheimer, im 1. WK fiel. Da war die Tochter fünf Jahre alt. Ein unstetes Leben führte sie, war viel auf Reisen. Nur drei Monate überlebte sie in Gurs, die von Karlsruhe aus deportiert wurde. 55 Jahre alt. Die Tochter Erna wollte ihre Mutter nach Lugano holen, aber da war sie schon tot, wie die vorhandene Postkarte aufweist.

Auch in diesem Jahr wurde die Teilnahme in Gurs durch Besuche in verschiedenen Archiven erweitert. Neu war der Besuch im Archiv in Auch/F. Die Frau von Moritz Lichtenberger starb in Auch im Krankenhaus. Die Spuren verlieren sich, obwohl die Unterlagen von Masseube, ihrem letzten Lager, in Auch verwahrt sind. Rabbiner Siegfried Grzymisch aus Bruchsal und seine Brettener Frau Karola z. B. lebten auch in Masseube, wo er die religiöse Betreuung der Menschen übernahm. Ihnen wurde vorgegaukelt, in einem Zentrum in Albussière nicht weit weg von Grenoble hätten sie es besser, doch in Wirklichkeit war es wiederum ein Sammelort. Mit einem der letzten Concois mit der Nummer 69 wurden sie am 4.3.1944 von Drancy nach Auschwitz in den sicheren Tod gebracht.

Im Archiv in Pau wurden dieses Mal Sterbeunterlagen aus Gurs eingesehen, ehe die Weiterfahrt nach Perpignan startete. Rivesaltes ist ein weiteres Lager, in das oftmals Familien verlegt wurden. Im ersten Convoi von Gurs nach Rivesaltes waren 570 Kinder. Darunter auch Albert Erlebacher, 6 Jahre alt, mit seinen Eltern Irma und Julius aus Bretten. Sie gaben ihren Sohn zur Rettung an eine Hilfsorganisation mit dem Wissen, dass ihnen der Weg in ein Vernichtungslager nicht erspart bleibt. So kam es dann auch. Sie wurden in Auschwitz ermordet.

Mit vielen Eindrücken und Archivmaterial wieder zu Hause, geht es nun an das Sortieren und Ordnen, damit im Ortsfamilienbuch der jüdischen Bevölkerung von Bretten recht viel ergänzendes Material nachlesbar wird.

Heidi Leins

Autor:

Heidemarie Leins aus Bretten

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