Andreas Deuser verkörpert den Hauptmann beim Fest
„Im Laufe der Zeit hat Marsilius ein Eigenleben bekommen“
Bretten (ger) Welcher Peter-und-Pauler kennt ihn nicht, den Herrn in rot-weißem Wams mit der langen Straußenfeder am Barrett und dem gezwirbelten Schnurrbart, der begleitet von seiner Leibgarde mit Fähnrich und Trommlern durch die Straßen zieht? Marsilius von Reiffenberg hat eine tragende Rolle bei den historischen Begebenheiten, die dem Fest zugrunde liegen. So war er – das sagt die Chronik des Georg Schwarzerdt, die die Geschehnisse von 1504 beschreibt – der oberste Hauptmann der Verteidiger bei der Belagerung Brettens. Er befehligte die Truppen, und er beschwichtigte, zusammen mit Brettener Kaufleuten, die meuternden Söldner des Albrecht Schedel.
Am Samstag nimmt Marsilius mit seinem Gefolge Quartier im Gerberhaus
Am Peter-und-Paul-Wochenende trifft man Oberst Marsilius, der seit 2004 von Andreas Deuser verkörpert wird, zum Beispiel freitagabends nach dem ökumenischen Gottesdienst gegen 19 Uhr auf dem Kirchplatz, wo er zum Beginn der Belagerung die Bevölkerung aufruft, ihre Häuser zu schützen sowie die bewaffneten Truppen zur Verteidigung auffordert. Am Samstag um 13 Uhr nimmt der Hauptmann Quartier im Gerberhaus. Die Schweizer Reisläufer, die ihn begleiten, warten mit Käse, Wurst und Wein aus dem Reich der Eidgenossen auf und Hypokrass untermalen die Einquartierung musikalisch. Gegen 15.30 Uhr mustert Marsilius die Bauern und Handwerker am Seedamm und auf dem Viehmarkt, anschließend zieht der ganze Pulk zum Kirchplatz, wo ab 16 Uhr Szenen aus der Chronik zum Besten gegeben werden. Ab 19 Uhr hat er bei der Schlacht am Simmelturm, natürlich stilecht in maßgefertigter Rüstung, eine wichtige Rolle. Beim Umzug sonntags ist Marsilius in Begleitung des Prinzen dabei, im Anschluss huldigt man den beiden auf dem Kirchplatz. Den Abschluss ihrer offiziellen Auftritte begehen Hauptmann und Prinz ganz informell dann im Lager der Köhler, wo sie seit Jahren einen Wettbewerb im Nageleinschlagen ausfechten.
Deuser verkörpert Marsilius seit 2004
Wie kommt man zu solch einer tragenden Rolle auf dem Fest? „Das war eher Zufall“, sagt Deuser. 2003, im Jahr vor dem 500-jährigen Jubiläum der Belagerung, fand ein Probelauf des neuen Festablaufs mit Szenen der Chronik statt, die Franz Csiky, der langjährige Pressesprecher der Stadt, in Versform verfasst hatte. Beim Gugg-e-mol-Theater, bei dem auch Deuser immer noch aktiv ist, suchte man nach Protagonisten. Zuerst spielte ein anderer den Marsilius, als der aber im nächsten Jahr aus privaten Gründen nicht mehr mitmachen konnte, übernahm Deuser. „Ich hatte gerade mein Amt als Kassier bei den Landsknechten abgegeben und hatte daher Zeit“, erinnert er sich.
Schweizer Reisläufer sind seit 20 Jahren dabei
Seine Garde, die Schweizer Reisläufer darstellt, die damals zu den gefürchtetsten und zugleich begehrtesten Söldnern gehörten, feiern dieses Jahr schon ihr 20-jähriges Jubiläum – und sie gäbe es ohne Deuser in dieser Form gar nicht. Die internationale Truppe aus mittlerweile 30 Personen hat ihren Ursprung in drei Freunden Deusers aus der Schweiz, die 2003 anlässlich des Fests bei ihm zu Gast waren. „Peter Beyle (der damalige Vorstand der Landsknechte; Anm. der Redaktion) hatte die Idee, dass die drei doch als Schweizer Reisläufer Marsilius begleiten könnten“, erinnert sich Deuser. Die drei waren sofort dabei und im nächsten Jahr schon mit weiteren drei Freunden zur Stelle, um dieses Mal ihren Freund Andreas Deuser als Marsilius zu begleiten.
Faszinierende Gemeinschaft und Gruppendynamik
„Im Laufe der Zeit hat Marsilius ein Eigenleben bekommen“, sinniert Deuser über sein Alter Ego, dem er nicht nur sein Gesicht gegeben, sondern das er auch inhaltlich geprägt hat. Die Leibgarde mit Personen aus Frankreich, Belgien, Italien, England, der Schweiz, Norddeutschland und der Region ist durch seine Kontakte auf andere Mittelalterfeste in Europa angewachsen. Ein gutes Dutzend von ihnen beherbergt er während des Fests bei sich zuhause. Die Gemeinschaft und Gruppendynamik ist auch das, was ihn dabei am meisten fasziniert. „Sie kommen alle hochmotiviert, machen gerne auch bei spontanen Aktionen mit und nehmen dann ganz euphorisch wieder Abschied, das fasziniert mich und erfüllt mich auch mit Stolz“, sagt Deuser.
"Conrad von Sickingen hat wahrscheinlich eine größere Rolle gespielt"
Dabei ist Deuser, der sich für alles interessiert, was über die historischen Figuren bekannt ist, eigentlich der Ansicht, dass der Stadtvogt Conrad von Sickingen bei der Verteidigung der Stadt eine größere Rolle gespielt habe. „Über Marsilius gibt es nur drei Sätze in der Chronik“, sagt er. Auch sei er nicht von hier, sondern, wie in der Chronik angegeben, tatsächlich Niederländer gewesen. Das wisse er vom Historiker Heinz-Peter Mielke persönlich, der in einer Studie über das Geschlecht der Reiffenberger zu dem Schluss kam, dass Marsilius aus der belgischen Linie derer von Reiffenberg stamme. Ziemlich sicher sei auch, dass die Schweizer Garde nicht Marsilius begleitet habe, sondern mit Hans von Hattstatt zur Verstärkung nach Bretten gekommen sei.
Waffe gegen Schreibfeder getauscht
Jenseits des Peter-und-Paul-Fests hat Deuser, der bei der Sparkasse tätig war und gerade in Rente gegangen ist, die Waffen niedergelegt und gegen die Schreibfeder getauscht. Beim Renaissancefest in Le Puy in der Auvergne oder auf der Meersburg an Tagen der Belebten Burg zeigt er, wie um 1500 Tinte und Feder hergestellt wurden und schreibt in stilechter Schwabacher Schrift zum Beispiel die Schwarzerdt-Chronik ab.
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Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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