Nie wieder!?
Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs

Symbolische Schienen in Gurs. | Foto: Leins
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Gurs am Fuße der Pyrenäen gelegen, ist einer der Nationalen Französischen Gedenkorte unserer gemeinsamen Geschichte während der Naziherrschaft. „Er wird für immer im Gedächtnis bleiben, auch wenn das Erinnern der Zeitzeugen künftig fehlen wird.“ Das war das Fazit aller Ansprachen in Gurs.
Heidemarie Leins nahm im Auftrag der Stadt Bretten an der diesjährigen Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs teil. Bretten ist seit einigen Jahren Mitglied der Arbeitsgemeinschaft zur Pflege des Friedhofs. Zum 85. Mal jährt sich dieses Jahr die Deportation der ca. 6.500 Jüdinnen und Juden, sozusagen aus unserer nächsten Nachbarschaft. Sie alle lebten in den Dörfern und Städten Badens, der Saarpfalz und der Rheinpfalz. Für Heidi Leins ist es bei jedem Besuch auf dem Friedhof in Gurs wichtig, doch wenigstens eine Person besonders hervorzuheben, die mit Bretten verknüpft ist, deportiert wurde und in Gurs den Tod fand, wie Samuel Eichtersheimer, der am 1.4.1941 im Lager starb.
Der 80 Jahre alte Witwer Samuel Eichtersheimer war einer, der am 22. Oktober 1940, dem letzten Tag des Laubhüttenfestes, nach Gurs von Karlsruhe aus deportiert wurde. Ihm gilt das besondere Gedenken.

Maier Eichtersheimer kam mit seiner Familie schon 1883 von Ittlingen nach Bretten, um sich hier als Lederhändler niederzulassen. Samuel (1860) und Bruder Max (1857) sind noch in Ittlingen geboren. Das Geschäftsfeld änderte sich hin zur Zigarrenproduktion. So hatten die Geschwister bald Zigarrenfabriken in Bretten, Weiher, Malschenberg, Sternenfels und Helmsheim und beschäftigten bis zu 500 Menschen, kein kleines Unternehmen.
Max starb schon 1913 und ist auf dem jüdischen Friedhof in Bretten begraben. Seine Frau zog zu ihrer Tochter Nelly nach Berlin, wo sie mit dem Alterstransport 1943 nach Theresienstadt deportiert wurde und auch dort umkam. 1942 waren schon ihre Tochter und Schwiegersohn zur Ermordung mit dem Osttransport nach Riga gebracht worden.
In das Geschäft stieg nach des Vaters Tod sein Sohn Josef ein. Samuel Eichtersheimer führte dann zusammen mit seinem Sohn Walter und dem Neffen Josef die Geschäfte, die außerordentlich gut gingen. Der Rohtabak kam für die Zigarren aus Sumatra, nicht nur aus dem Kraichgau. Regelmäßig waren die Eichtersheimers in Amsterdam auf der Börse anzutreffen, denn dort wurde weltweit gehandelt. Und in Bretten wurden Häuser gekauft und expandiert.
1932 zog sich Samuel Eichtersheimer aus dem Geschäft zurück und zog zusammen mit seiner Frau Sophie Goldschmidt, die aus Meiningen stammte, nach Karlsruhe als Privatier zum Sohn in die Kaiserallee 20. Seine Frau starb 1939 bei einem Autounfall und ist auf dem jüdischen Friedhof in Karlsruhe beerdigt.

Josef und Walter Eichtersheimer, die beiden Cousins, waren nun für die Fabriken alleine verantwortlich. Nach der Machtergreifung liefen die Geschäfte schleppend. Auch sie wurden zunehmend gedrängt zu verkaufen, um so einer Enteignung zuvorzukommen. Da trugen sich beide schon mit dem Gedanken auszuwandern.
Walter, der für den Verkauf in der Firma zuständig war, reiste im Jahr 1936 zusammen mit Frau und den Schwiegereltern als Tourist in die USA. Vielleicht um auszuloten, denn alle kamen wieder zurück? Endgültig verließ er mit seiner Frau dann Deutschland 1938 ohne die Schwiegereltern. Sie wurden 1940 von Speyer aus nach Gurs deportiert, überlebten und emigrierten von Marseilles und Les Milles über Casablanca 1942.
Die Firma wurde im April 1938 an Rudolf Harsch, Oskar und Willy Klaiber und Willi Kehr zum Preis von 366.000 RM, weit unter Wert, wie in der Wiedergutmachungsakte zu lesen ist, verkauft. Nun war die „Fa. Max Eichtersheimer“ in arischen Händen. Klaiber und Kehr führten die Zigarrenproduktion weiter.
Nun war es auch für Josef und seine Familie klar, dass er nicht länger in Bretten bleiben konnte. Seine Bemühungen gingen in Richtung Montevideo, weil viele andere Staaten keine Einreisemöglichkeiten mehr boten. 10.000 RM Schmiergeld für einen Konsulatsbeamten waren z. B. für das Visum nötig, das einen Tag vor der Abreise kam. In Montevideo versuchte er sich als Vertreter im Korkhandel für Dichtungen, doch bald wurden sie durch Kunststoff verdrängt.

Das ist die traurige Geschichte einer Familie, aus der viele Mitglieder wegen ihrer Religion ermordet wurden, ausgelöst durch eine Diktaturherrschaft. Wehret den Anfängen!

Symbolische Schienen in Gurs. | Foto: Leins
Gelände, auf dem das Lager stand. Im Hintergrund die Pyrenäen. | Foto: Leins
Bewaffnete Soldaten sorgten für die Sicherheit der hochrangigen Gäste. | Foto: Leins
Zu Beginn der Veranstaltung. Kippot sind Pflicht. | Foto: leins
Ein Brettener Steinchen für Samuel Eichtersheimer | Foto: Leins
Mitgliederder AG Deportiertenfriedhof Gurs | Foto: Leins
Autor:

Heidemarie Leins aus Bretten

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