Die Türen von Wetzel Motors in Bretten schließen sich Ende Oktober
Wenn die Ziege das Autohaus besucht
Bretten (bea) Eigentlich geht es bei Michael Wetzel um Pferdestärken. Doch gelegentlich bekommt der Brettener Autohändler Besuch von einer Ziege. Diese wird von ihrer Besitzerin, einer langjährigen Kundin im Autohaus Wetzel Motors, an der Leine geführt. „Das ist immer ein Highlight“, sagt Wetzel erfreut. Auch wenn es die Ziege bei ihrem letzten Besuch vor dem Schalter im Servicebereich einfach laufen ließ, heißt der Geschäftsführer das handzahme Tier noch immer gerne willkommen. Doch bald wird mit den Besuchen Schluss sein, denn für Michael Wetzel geht eine Ära zu Ende: Ende Oktober wird er die Türen seines Autohauses für immer schließen.
Reisebüro bleibt vorerst in Räumen
Danach wird sich der Geschäftsführer noch um die Abwicklung vor Ort kümmern. Die freigewordenen Stellflächen in Werkstatt, Tiefgarage, Ausstellungsräumen und im Außenbereich plant Wetzel vorerst zu vermieten. Das im Gebäude untergebrachte Reisebüro wird noch bis Ende 2021 an seinem gewohnten Platz bleiben. Danach wird es in ein bislang noch nicht errichtetes Gebäude auf dem Mellert-Fibron-Areal umziehen. Wetzels Zukunftsplänen steht das Reisebüro bis Ende kommenden Jahres jedoch nicht im Weg, denn momentan befindet er sich noch in der Findungsphase, sagt er.
Quartierslösung in der Melanchthonstraße denkbar
Nach seinem Entschluss das Autohaus zu schließen, hat Wetzel mit der Stadt Bretten und Projektentwicklern gesprochen. So könnte in einigen Jahren auf dem 4.530 Quadratmeter großen Areal eine von der Stadt favorisierte Quartierslösung entstehen. Ob an der Straße reine Wohnbebauung oder auch Gewerbe verwirklicht wird, lässt Wetzel offen. Es gebe viele Ideen, doch diese gelte es erst einmal in die richtigen Bahnen zu lenken, sagt Wetzel. Die Entscheidung zu diesem Schritt ist ihm nicht leicht gefallen. Seit 1995 ist der Geschäftsführer an der Melanchthonstraße in Bretten beheimatet, seit dem Jahr 2000 mit seinem eigenen Betrieb Wetzel Motors. „Ich sehe langfristig einfach keine Zukunft mehr in der Automobilbranche“, begründet er seinen Schritt. Man sehe bereits heute ansatzweise, inwieweit Automobilhändler sich künftig umstellen müssten: Bereits heute bekämen VW-Händler nur noch Agentur- und keine Händlerverträge mehr, erläutert Wetzel.
„In zehn Jahren tickt die Automobilbranche ganz anders“
Somit würde der Kunde seinen Kaufvertrag direkt mit dem Mutterkonzern abschließen und selbst der Kundenservice über diesen laufen, sagt er. Auch Tesla gehe den Weg ohne Händler und Vertragswerkstatt, allerdings mit Service-Center in Ballungsgebieten. "Hier sind keine Händler mehr notwendig", sagt Wetzel. Einen Tesla könne man sich in zwei Minuten online konfigurieren und direkt bestellen. Der Umschwung komme zwar nicht von heute auf morgen, doch Wetzel ist überzeugt: „In zehn Jahren tickt die Automobilbranche ganz anders“. Da er auch keinen Nachfolger in der Familie hat, seine Kinder seien noch zu jung, hat sich Wetzel zu dieser "Vernunftsentscheidung"durchgerungen.
Keinen Nachfolger gefunden
Doch zuvor hat der Geschäftsführer eineinhalb Jahre lang nach einem Nachfolger gesucht. Über die Hausbank habe er eine Agentur mit der Unternehmensvermittlung beauftragt, doch jeglicher Versuch sei ohne Erfolg geblieben. „Für die Zukunft ist der Markt in Bretten zu klein“, sagt Wetzel. Den rückläufigen Werkstattservice, samt Reparaturen an den wartungsärmeren Elektro-Autos würde er mit Verkäufen kompensieren müssen. „Wenn es hier ein riesiges Marktpotential geben würde, hätten Opel und Kia sicherlich nicht so einfach der Vertragsauflösung zugestimmt“, sagt Wetzel. Daher sieht er sich in seiner Meinung bestätigt.
Bessere Lösung für Mitarbeiter
Für seine Kunden sei die Schließung ein Umstand, räumt Wetzel ein, da sie nun weitere Strecken fahren müssten. Doch für seine Mitarbeiter sei es die bessere Lösung. Wetzels Führungsmannschaft sei inzwischen über 50 und je länger er seine Entscheidung herausgezögert hätte, desto schwerer hätten diese es, auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen, argumentiert der Geschäftsführer. Mittlerweile seien einige seiner Mitarbeiter untergekommen, andere seien noch in Gesprächen. Weitere seien am Überlegen, ob sie die Chance nutzen sollten, um die Branche zu wechseln und eine Mitarbeiterin gehe ein Jahr früher in ihren wohl verdienten Ruhestand, erklärt er.
Betriebe in Kurzarbeit dürfen keine Mitarbeiter einstellen
Für die Kollegen, die noch keine Stelle gefunden hätten, hat Wetzel eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in die er offene Stellen einstellt. Doch die momentane Lage mit Corona-bedingter Kurzarbeit mache eine Neueinstellung nicht gerade einfacher, gibt er zu. Denn sobald ein Unternehmen Kurzarbeit angemeldet habe, dürfe es keine neuen Mitarbeiter einstellen.
Gute Erinnerungen an 25 Jahre in der Melanchthonstraße
Wetzel blickt gerne auf seine 25 Jahre in der Melanchthonstraße zurück. In dieser Zeit hat er viel erleben dürfen. Zum Beispiel auch Kunden, die frisch gebackenen Kuchen oder kleine schokoladige Dankeschön-Präsente mitbrachten. Und auch in Notsituationen hat Wetzel seinen Kunden geholfen. Etwa, wenn eine Reparatur anstand, der Kunde diese jedoch nicht auf einmal bezahlen konnte. „In so einem Fall haben wir immer eine Lösung gefunden“, sagt er. Die Kundenkontakte im Haus seien oft ins Private gegangen. „Es war immer ein schönes und angenehmes Arbeiten“, sagt er.
Autor:Beatrix Drescher aus Bretten |
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