Rezension zum Vortrag "Lernlust statt Lernfrust" in der Stadtparkhalle Bretten
Am Donnerstagabend, 12. Mai, fand in der Brettener Stadtparkhalle der Vortrag "Lernlust statt Lernfrust" von Jutta Wimmer statt.
Dank der Anstrengungen meiner Frau erhielt ich tatsächlich noch in letzter Sekunde eine Karte und auch dank ihr reservierten uns Freunde einen Platz in der dritten (!) Reihe - von gefühlten hundert Reihen. Es war wirklich fast bis zum letzten Platz voll.
Bekannt gemacht und verkauft wurden die Karten über die Schulen, und das so gut, dass die normalen Kartenvorverkaufsstellen kein einzige Karte mehr zum Verkauf bekamen.
Organisiert wurde die Veranstaltung vom Gemeindeelternbeirat Bretten (deren Homepage vielleicht mal etwas erneuert gehört ;-). Logistisch wurde die Veranstaltung von Schülern organisiert.
Was zu Beginn gleich auffiel war ein störendes Dauerbrummen aus den Lautsprechern, was aber nach ca. 15 Minuten dann glücklicherweise auch immer mehr verschwand.
Wir erfuhren auch schnell, dass wir froh sein konnten, dass es überhaupt Ton gab, da es wohl kurz vorher noch massive Probleme damit gab.
Zuerst spielte Jutta Wimmer eine Szene der 13-jährigen Lisa, in der sie sehr überzogen alle später folgenden Lernfrust-Eigenschaften darstellte. Sehr authentisch, mit obligatorischen Facebook- und Whatsapp-Einlage. Diese Szene gibt es auch bei Youtube zu sehen (ca. 9 Minuten)
Damit war dann auch klar, um was es in dem folgenden Vortrag gehen wird: Was können Eltern und Lehrer tun, um Lernlust zu fördern bzw. den gezeigten Lernfrust der Lisa zu minimieren. Dies hat Jutta Wimmer manchmal etwas knapp, meist aber sehr konkret und in unterhaltsamen Geschichten verpackt, anschaulich rübergebracht.
Der Vortrag war sehr interaktiv und mitreißend gestaltet, wir Zuhörer fühlten uns zugegebenermaßen durchaus wie in einer Schulklasse. Durch Mitarbeit oder Störungen einzelner wurde unsere Publikumsnote ständig nachjustiert.
Aber was sind sie denn nun, die Lernlust-Killer? Hier also die konkreten Punkte, die durchgenommen wurden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
1. Die vergebliche Suche nach dem Sinn des Lernstoffes Eigentlich ist es ganz einfach dagegen vorzugehen, nämlich schlicht durch die explizite Erklärung der Sinnhaftigkeit, am besten mittels StoryTelling - so kommt die Erklärung am ehesten im Herzen der Schüler an.
Dabei hilft es, ein Ziel oder besser eine Vision zu haben, z.B. über den Wunschberuf. Wenn die Tochter - inzwischen englisch "Laisa" ausgesprochen - also eine große Sängerin werden will, dann wird das eine große internationale Sache, also braucht sie Sprachkenntnisse, für die Welttournee Erdkunde und für die Millionen, die sie verdient, Mathematik.
2. Langeweile und fehlender Spaß im Unterricht Hier zeigte sie diverse Lösungen, z.B. fand ich diese sehr bemerkenswert: In einem Experiment zeigte man einer Klasse einen Film ohne Vorspann und Ton, vom Amerikanischen Bürgerkrieg, und sofort war wegen den fehlenden Informationen die Aufmerksamkeit der Kinder da und die Fragen kamen von ganz alleine. Der Lehrer wurde zum gefragten Fragenbeantworter.
3. Es werden oft abstrakte Lernmethoden ohne Langzeiteffekt verwendet Sie sprach vom "Bulimielernen": Der Stoff wird am Abend vor der Arbeit reingepresst, zur Arbeit ausgespuckt und deshalb ganz schnell wieder vergessen. Dabei gibt es viele Mittel und Wege, z.b. die Mnemo-Technik, um sehr viel effektiver zu lernen. Wir praktizierten dies am Artikel 3 des Grundgesetzes, und ich kann ihn zu 80% immer noch auswendig! :)
4. Vernachlässigte Bedürfnisse des Gehirns Beispielsweise ist bekannt, dass die Konzentration mit der Zeit immer schneller nachlässt. Weiss ja jeder. Anstatt dem nun aber nachzugeben und die Kinder nach 45 Minuten Hausaufgaben sich mal für 15 Minuten bewegen zu lassen, heisst es dann "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen."
- im Notfall bis 22 Uhr.
5. Überfrachtete Lernpläne Dies war eine klare Message an die Lehrplanersteller, warum die Schüler in Biologie den Citronensäurezyklus auswendig lernen, aber im Wald kaum einen Laubbaum vom Nadelbaum unterscheiden können.
Als kleinen Ausflug ging es noch um die Aufschieberitis, wo sie uns sehr schön (Grüße an Herrn H. aus dem Publikum) klarmachte, dass wir von unseren Kindern nicht verlangen können, nicht in letzter Sekunde mit dem Lernen zu beginnen, wobei wir selbst die Steuererklärung, die Fensterputz- und Kelleraufräumaktion usw. ebenfalls bis zum Gehtnichtmehr aufschieben.
6. Schlechte Noten greifen den Selbstwert an Die Eltern sollen vom "Fehlersucher zum Schatzsucher" werden. Hierzu las sie aus ihrem Buch vor, wie in einer ihrer Lerncoachings Schüler wie Eltern in Tränen ausbrachen, weil die Eltern ihren Kindern einen Text aufschrieben und zum Lesen gaben. Der Inhalt des Textes war einfach nur, was die Eltern an ihren Kindern toll finden und warum sie stolz auf sie sind.
Nach dieser fünfminütigen Lesung war der Saal für 15 Sekunden totenstill - ich denke, für viele war dies der emotionalste Moment der ganzen Show!
Und plötzlich waren sie vorbei, die 3.5 Stunden.
Dass man danach noch ihr Buch mit Autogramm kaufen konnte, versteht sich von selbst.
Vielen Dank an Frau Wimmer für diese in meinen Augen durchaus gelungene Vorstellung - hoffentlich mit Langzeiteffekt!
Vor der Halle gab es danach noch angeregte Gespräche zum Thema, insb. Lehrer hatten hier wie zu erwarten auch andere Meinungen zu einzelnen Themen. Zum Beispiel geht es beim Lernen des Citronensäurezyklus nicht darum, genau diesen zu kennen, sondern viel abstrakter um das Lernen und Verstehen von chemischen Prozessen. Was da nun richtig oder falsch ist, können Sie, liebe Leser, gerne in den Kommentaren diskutieren; ich habe davon keine Ahnung.
Die Diskussionen draußen waren deshalb für mich persönlich fast genauso wertvoll wie der Vortrag drinnen. Vielen Dank auch dafür!
Autor:Heiko Seebach aus Bretten |
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