Christian Gerhaher und Gerold Huber verbindet eine langjährige musikalische Freundschaft. Beste Voraussetzung für das Konzert am Freitag, 3. Mai 2019, 20 Uhr, bei dem im Festspielhaus Baden-Baden Lieder der eng befreundeten Komponisten Johannes Brahms und Robert Schumann erklingen.
Baden-Baden (kn) Lieder von Robert Schumann und Johannes Brahms, gesungen von Christian Gerhaher, am Flügel begleitet von Gerold Huber: Da geht Musikfreunden das Herz auf. Lieder der Romantik sind eine Spezialität der beiden Künstler, wobei der Überbegriff ‚Lieder der Romantik‘ präzisiert werden sollte: Bei aller Freundschaft unterscheidet sich die Lieder-Ästhetik eines Brahms durchaus von der Schumanns. Das zeigt sich bereits an der Wahl der Dichter: Eine Sammlung von Gedichten eines Heinrich Heine, wie sie Schumann vertonte und unter dem Titel „Dichterliebe“ herausgab, wäre bei Brahms nicht leicht möglich gewesen. Der jüngere scheute große Dichternamen und bevorzugte eher mittelmäßige Talente, deren Texte er durch seine Musik noch steigern konnte. Große Gedichte schienen ihm hingegen bereits ohne Musik vollkommen. Das bedeutet nicht, dass sich bei Brahms nicht hier und da auch ein Text von Goethe oder Mörike fände, die Tendenz ist jedoch klar.
Auch die musikalische Ausgestaltung unterscheidet sich bei den beiden Komponisten. Schumann geht mit der Liedgattung experimenteller um. Er versteht das Lied als eine Variante des „Klavier-Charakterstücks“ – was man etwa an den langen Vor- und Nachspielen bemerkt, die die Texte gewissermaßen fortführen und sie kommentieren. Brahms hingegen orientiert sich stärker am Volkslied, seine Textausdeutungen sind diskreter. Brahms´ Klaviersatz baut auf einer starken Basslinie auf, während Schumann, etwa in der „Dichterliebe“, fast schon vorimpressionistische Klänge erfindet und auch mal mit unaufgelösten Akkorden schließt.
Am 3. Mai 2019 erklingt zum Konzertauftakt im Festspielhaus Johannes Brahms „Regenlied-Zyklus“. Den gebürtigen Hamburger Johannes Brahms und den in der Geburtsstadt seines Vaters, im schleswig-holsteinischen Heide, geborenen Dichter Klaus Groth verband eine tiefe Freundschaft. Brahms sandte dem fünfzehn Jahre Älteren im Frühjahr 1873 vier auf Groths Gedichte entstandene Lieder zu. Sie fanden wenig später und in einer revidierten Fassung Eingang in die Lieder und Gesänge op. 59, die Brahms zusammen mit vier weiteren, im „Tutzinger Sommer“ entstandenen Liedern, zu dem losen sogenannten „See-Zyklus“ zusammenstellte. „Regenlied“ und „Regentropfen“ (das Brahms in op. 59 in „Nachklang“ umbenannte) schenkte der Komponist Clara Schumann zu ihrem Geburtstag am 13. September 1873. Er setzte so die von Robert Schumann mit dessen Tod 1856 unterbrochene Tradition fort, der befreundeten Pianistin Kompositionen zum Geburtstag zu überreichen.
In seinem „Liederjahr“ 1840 schuf Schumann beinahe systematisch einen ganzen Kosmos von Liedern, Einzellieder und Zyklen gleichermaßen. Im Februar entstand der „Liederkreis“, Schumanns erste intensive Beschäftigung mit Heinrich Heine. Vom 24. Mai bis 1. Juni vertonte er zwanzig ausgewählte Gedichte Heines aus dessen „Buch der Lieder“. Für die Druckausgabe, die 1844 mit dem Titel „Dichterliebe“ veröffentlicht wurde, wählte Schumann schließlich 16 Lieder aus. Bei der Uraufführung des gesamten Zyklus am 30. April 1861 in Hamburg begleitete Freund Brahms den Sänger Julius Stockhausen am Klavier.
Des Weiteren werden in dem Konzert im Festspielhaus die „Endzeit-Lieder“ (Sechs Gesänge op. 89), die Robert Schumann der 1820 in Stockholm geborenen ‚Schwedischen Nachtigall‘ Jenny Lind widmete und die Drei Gedichte op. 119, gewidmet der Sängerin Mathilde Hartmann, zu hören sein. In Dresden komponierte Schumann 1849 die Drei Gesänge op. 95 auf Lord Byrons „Hebräische Gesänge“. George Gordon Noel Byron verhalf der englischen Dichtung zu einer einzigartigen Entwicklung, schuf er doch mit dem „Byronic Hero“ einen literarischen Archetypus: eine leidenschaftlich-romantische Künstlerpersönlichkeit, die zugleich ein egoistisch auf sich selbst fixierter Einzelgänger ist. Die auch als „schwarze Romantik“ bezeichnete Literatur faszinierte die nachfolgenden Künstlergenerationen in ganz Europa.
Der Bariton Christian Gerhaher besuchte während seiner Studienzeit bei Paul Kuen und Raimund Grumbach an der Münchner Hochschule für Musik die Opernschule und studierte dort gemeinsam mit Gerold Huber Liedgesang bei Friedemann Berger. Neben einem Medizinstudium rundete er seine stimmliche Ausbildung in Meisterkursen bei Dietrich Fischer-Dieskau und Elisabeth Schwarzkopf ab. In der Liedinterpretation setzt er mit seinem festen Klavierpartner Gerold Huber Maßstäbe. Für ihre Aufnahmen erhielten sie bedeutende Preise wie BBC Music Magazine Award und die „Nachtigall“, den Ehrenpreis der Deutschen Schallplattenkritik. Im Festspielhaus Baden-Baden war er in den letzten Jahren immer wieder zu Gast, mit Gerold Huber zuletzt 2016 mit Schuberts „Winterreise“. Christian Gerhahers Hauptaugenmerk gilt dem Lied- und Konzertgesang, aber er ist auch auf der Opernbühne ein gesuchter Darsteller. Mehrfachwählten ihn Kritiker in der Zeitschrift „Opernwelt“ zum Sänger des Jahres. 2011 wurde er mit dem renommierten Laurence Olivier Award ausgezeichnet und 2013 erhielt er den Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ für seine Darstellung des Pelléas in Debussys Oper „Pelléas et Mélisande“. Christian Gerhaher ist Bayerischer Kammersänger, Honorarprofessor der Münchner Hochschule für Musik und Theater sowie Träger des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst.
Gerold Huber, geboren in Straubing, studierte als Stipendiat an der Hochschule für Musik und Theater in München Klavier bei Friedemann Berger und besuchte die Liedklasse von Dietrich Fischer-Dieskau in Berlin. Mit dem Bariton Christian Gerhaher bildet er bereits seit Schülertagen ein festes Lied-Duo. Er ist regelmäßig zu Gast bei Festivals wie der Schubertiade Schwarzenberg, dem Schleswig-Holstein Musik Festival, den Schwetzinger Festspielen und dem Rheingau Musik Festival. Er tritt international in allen großen Konzertsälen auf und arbeitet mit einer Vielzahl renommierter Sängerinnen und Sänger zusammen. Als Kammermusikpartner konzertierte er unter anderem mit dem Artemis-Quartett. Seit 2013 hat Gerold Huber eine Professur für Liedbegleitung an der Hochschule für Musik in Würzburg inne und gibt Meisterklassen, etwa an der University of Yale. Er ist Künstlerischer Leiter der Pollinger Tage Alter und Neuer Musik.
Weitere Informationen und Tickets: www.festspielhaus.de. Persönliche Beratung und Reservierungen: Tel. 07221 / 30 13 101.
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |