Geldstrafe wegen übler Nachrede
Richter verweist auf hippokratischen Eid

Rechtliche Konsequenzen für einen Mann aus Sulzfeld hat nun die Veröffentlichung eines Videos haben.  | Foto: hk
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Bretten/Sulzfeld/Karlsruhe (hk) Eine Veröffentlichung in der Social-Media-App „Telegram“ vor knapp drei Jahren hat für den Verfasser nun strafrechtliche Konsequenzen. Der 59-jährige Arbeitslose aus Sulzfeld wurde vom Amtsgericht Bretten wegen übler Nachrede zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.

Verdächtigungen gegen das Städtische Klinikum Karlsruhe

Der Fall betrifft den Tod eines Mannes im Städtischen Klinikum Karlsruhe im November 2021 während der Corona-Pandemie. Im Telegram-Kanal des Angeklagten äußerte dieser den Verdacht, das Krankenhaus habe dem Patienten aufgrund einer fehlenden Impfung die Behandlung verweigert. Genährt wurden diese Spekulationen durch ein Video, das den 67-Jährigen auf einer Matratze in einem Krankenzimmer zeigte. Der Angeklagte berief sich dabei auf Schilderungen der Lebensgefährtin des Patienten. Im Laufe des Prozesses zeichnete sich jedoch das Bild eines Patienten ab, der wohl die Hilfe der Ärzte nicht annehmen wollte. In der Folge starb der Patient, der positiv auf Covid-19 getestet worden war, wenige Tage nach seiner Einlieferung an den Folgen einer schweren Lungenentzündung.

Prozessdetails und Beweisaufnahme

Dem Prozess lag eine Sprachaufzeichnung zugrunde, die der Angeklagte auf Telegram veröffentlicht hatte. Darin hatte er behauptet, der Patient sei aufgrund seines Impfstatus weder medizinisch behandelt noch ausreichend mit Essen und Trinken versorgt worden. Zudem sei das Handy des Patienten vom Klinikpersonal konfisziert worden. Aus Sicht von Richter David Scheuver trafen diese Behauptungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zu.

Glaubhafte Zeugenaussagen entlasten Klinikpersonal

Die Zeugenaussagen eines Arztes und einer Krankenschwester hätten glaubhaft und verständlich dargelegt, dass sich der Patient trotz mehrfacher Bitte des medizinischen Personals geweigert habe, die notwendige Hilfe anzunehmen. Der Patient sei in der Lage gewesen, seinen Willen klar zu artikulieren. Zudem hätten die medizinischen Fachleute nachvollziehbar dargelegt, dass nach der Feststellung der Covid-19-Erkrankung eine Impfung ohnehin nicht sinnvoll gewesen wäre, so Scheuver in seiner Urteilsbegründung. Daher wies Scheuver auch den Vorwurf, das Klinikpersonal sei gänzlich untätig gewesen, als "völlig falsch" zurück: „Diese Aussage ist in dieser Absolutheit schlichtweg falsch“, ergänzte er.

Zweifel an der Beschlagnahme des Handys

Sowohl die Behandlungsberichte als auch die Zeugenaussagen hätten ein klares Bild ergeben, dass Behandlungsmaßnahmen und -versuche unternommen worden seien. Dazu gehörten die Verabreichung von Schmerzmitteln und andere medizinische Interventionen, etwa als der schwergewichtige Patient aus dem Bett gefallen war und zu seinem eigenen Schutz auf eine Matratze auf dem Boden gelegt wurde, um einen weiteren Sturz zu verhindern. Scheuver verwies auf den hippokratischen Eid, der Mediziner verpflichtet, ihre Patienten nach bestem Wissen und Gewissen zu behandeln, Schaden zu vermeiden und die Würde der Patienten zu achten. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Klinikpersonal dem Patienten das Handy abgenommen habe, auch wenn das Gerät in einem Übergabeprotokoll nicht erwähnt worden sei. Der Vorwurf der Beschlagnahme sei daher "fernliegend".

Nach Ansicht des Richters zielten die Vorwürfe des Beschuldigten darauf ab, das Ansehen des Klinikums herabzuwürdigen, und zwar gegenüber einem breiten Adressatenkreis. Die Schwere der Anschuldigungen hatten damals sogar eine öffentliche Stellungnahme des Klinikums erforderlich gemacht. Scheuver berücksichtigte in seinem Urteil, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt nicht vorbestraft war. Zugute kam dem Angeklagten auch, dass der Vorwurf der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs fallen gelassen wurde.

Unsicherheiten in der Bevölkerung geschürt

Die Verteidigung hatte zuvor einen Freispruch gefordert und unter anderem damit argumentiert, dass in der Sprachaufzeichnung lediglich von „einer Klinik“ in Karlsruhe die Rede sei, ohne das Städtische Klinikum explizit zu nennen. Da es in Karlsruhe mehrere Kliniken gebe, könne nicht eindeutig davon ausgegangen werden, dass das Städtische Klinikum gemeint sei. Das sah Richter Scheuver ganz anders: Für die Adressaten der Nachricht sei klar gewesen, welches Klinikum gemeint sei. Dies belegten auch die nachfolgenden Reaktionen in Form zahlreicher Beschwerden und Anzeigen gegen das Klinikum. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte durch seine Behauptungen eine erhebliche öffentliche Diskussion ausgelöst und bestehende Unsicherheiten in der Bevölkerung weiter geschürt – und das in einer Zeit, in der wegen der Corona-Pandemie ohnehin große Verunsicherung herrschte, so der Staatsanwalt. Man dürfe durchaus kritisch berichten, dann aber unter Einhaltung journalistischer Standards. Das habe der Angeklagte nicht getan. Vielmehr habe er mit seinen unhaltbaren Behauptungen das Vertrauen in die Klinik untergraben.

Autor:

Havva Keskin aus Bretten

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