Das Landesamt für Denkmalpflege hat in Neibsheim Reste der Oberen Burg gefunden
„Archäologie ist für den Moment“

Grabungstechnikerin Marianne Lehmann, Gebietsreferent Folke Damminger und Grabungsarbeiter Ahmed Furan (von links) vor den Resten der Oberen Burg in Neibsheim.
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  • Grabungstechnikerin Marianne Lehmann, Gebietsreferent Folke Damminger und Grabungsarbeiter Ahmed Furan (von links) vor den Resten der Oberen Burg in Neibsheim.
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Bretten-Neibsheim (ger) Es gab sie also tatsächlich: In Neibsheim sind Reste der Oberen Burg gefunden worden. In der Ortschronik, die zur 1.200-Jahr-Feier 1970 entstanden ist, wird sie an der Stelle neben der Oberen Mühle vermutet. Auf dem großen Grundstück im Ortszentrum soll gebaut werden. Bevor aber die Baufirma tätig wird, hat das Landesamt für Denkmalpflege das Areal untersucht. Aber wie gehen die Fachleute eigentlich vor? Wie bestimmen sie das Alter ihrer Fundstücke? Wo graben sie und was ist für sie von Belang? Im Gespräch mit Folke Damminger, Gebietsreferent Archäologische Denkmalpflege in Karlsruhe, und Marianne Lehmann, Grabungstechnikerin, ist Brettener Woche-Redakteurin Katrin Gerweck diesen Fragen nachgegangen.

Sondierungsgrabungen nur in den Baufeldern

Da an dieser Stelle aufgrund historischer Quellen – das können beispielsweise Urkunden oder alte Landkarten sein – eine Burg vermutet wurde, sind archäologische Belange betroffen. Damit wird das Landesamt für Denkmalpflege tätig, erläutert Damminger das Prozedere. In diesem Fall liegt schon der Bebauungsplan vor – auf dem Gelände sollen elf Doppelhäuser entstehen – daher beschränkten sich die Sondierungsgrabungen auf die Baufelder. Man grabe auch nur so tief, wie das Bauprojekt vorgesehen sei.

"Fund im Befund verrät das Alter"

Im letzten Baufeld wurde man fündig. Die verhältnismäßig mächtigen Mauerreste in T-Form deuteten auf ein bedeutsames Gebäude hin. „Man kann sich dort einen Eingangsbereich in den Hof vorstellen“, erläutert Damminger und weist auf einen abgerundeten Mauerabschluss. Die Obere Burg taucht in Schriftstücken des 14. Jahrhunderts als Lehen der Speyerer Bischöfe auf. „Das Gelände ist im 12. Jahrhundert aufplaniert worden, um dort zu bauen“, weiß der Gebietsreferent. Scherben von Ofenkacheln und Gebrauchskeramik lassen auf dieses Alter schließen. „Der Fund im Befund verrät uns das Alter“, erklärt Lehmann. „Gut ist es zum Beispiel, wenn man außer- oder innerhalb der Mauern Bodenpflaster findet, in dessen Ritzen sich eine heruntergefallene Münze versteckt“, beschreibt Damminger eine optimale Situation. Demzufolge müsse das Bauwerk nach dem 12. aber vor dem 18./19. Jahrhundert entstanden sein. Die Zeit, in der den Erdschichten zufolge, die Mauern gekappt und das Gelände aufgefüllt worden sei.

Anlage mit Wassergraben

Die Befunde lassen auf ein 13 bis 14 Meter großes Gebäude mit kleineren Wirtschaftsgebäuden schließen. Die Anlage war von einem Wassergraben umgeben. „Unter dem Baum vermuten wir eine Brücke, die den Zugang ermöglicht hat“, sagt Lehmann. Auf den Erdgeschossmauern aus Stein war das obere Geschoss gebaut, wahrscheinlich aus Fachwerk.

Detektive der Geschichte

Die Arbeit des Archäologen hat Ähnlichkeit mit der Tätigkeit von Detektiven, hat aber auch etwas Spielerisches wie beim Puzzeln: Zusammen ergeben die kleinen Fundstücke ein großes Bild. Doch es bleiben Lücken: „Innerhalb der Mauern gibt es eine kleine Mauerstruktur von zweieinhalb auf zweieinhalb Meter“, so Damminger. Zuerst wussten die Archäologen nicht, worum es sich handelt, beim Weitergraben stellte sich heraus, dass es möglicherweise Reste einer Treppe waren. Nicht ganz aufklären lässt sich die größere Grube daneben, die mit Brandschutt verfüllt wurde. „Da sind Ton- und Holzkohlereste eingefüllt worden, als wäre das Dach abgebrannt und dort entsorgt worden", sagt Lehmann. Darunter finden sich Mauerreste einer früheren Bebauung.

Bemerkenswerte Funde in der Region

Ziel der Grabungen sei es, das Gefundene zu dokumentieren. Funde von Bedeutung wanderten nach Rastatt ins Zentralarchiv. Von den Burgresten in Neibsheim sind die Fachleute durchaus angetan. Auch an anderen Stellen in der Region haben sie schon bemerkenswerte Funde gemacht, zum Beispiel in Zaisenhausen, wo sie eine eisenzeitliche Siedlung dokumentiert haben. „Außerdem hat man bei den Grabungen dort ein frühalamannisches Grabenwerk, also einen Graben, der einen Bereich befestigt hat, gefunden. Das war für den Kraichgau etwas ganz Neues“, so Damminger. Am Neubaugebiet Zimmerplatz in Flehingen waren Funde aus der Bronzezeit zu verzeichnen. Von 2012 bis 2019 fanden umfangreiche Grabungen im Rathaushof in Pforzheim statt. Unter dem Pflaster des nach dem Zweiten Weltkrieg dort angelegten Parkplatzes waren Funde aus der Vorgeschichte und aus acht Jahrhunderten Stadtgeschichte konserviert, an dieser Stelle hatte unter anderem ein Dominikanerkloster gestanden.

Funde stehen einer Bebauung nicht im Weg

In der Regel stehen die Funde aber einer Bebauung nicht im Wege. „Archäologie ist etwas für den Moment“, bringt es Damminger auf den Punkt. Wenn alles dokumentiert ist und interessante Funde geborgen sind, können die Bauarbeiten beginnen. „Man kann uns ruhig anrufen, wenn man auf seinem Grundstück etwas findet. Wir sind auch ganz schnell“, verspricht der Archäologe. Inzwischen ist die Fundstelle zugeschüttet.

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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