Hoch auf dem alten Wagen ...
Hoch auf dem alten Wagen... Ohne Wagenmeister Jürgen Dorn gäbe es keine Fuhrwerke beim Festzug.
Bretten (wod) Es ist eine stattliche Erscheinung: Zwei Kaltblüter, denen man ihre Kraft förmlich ansieht, sind vor den Reißwagen gespannt, der die Utensilien und einige von Brettens Kämpfern mitführt. Weiter vorne im Festzug winken die Altvorderen der Bürgerwehr aus ihrer Ehrenkutsche, ebenfalls gezogen von zwei festlich geschmückten Rössern. Weiter hinten, beim Gewalthaufen, wird der Balduff, das größte und schwerste Geschütz der Verteidiger, ebenfalls mit Pferdekraft vorwärts bewegt und auch die Handwerker haben ihren eigenen Wagen beim Zug dabei – gezogen von zwei Kühen. Die Fuhrwerke und ihre Zugtiere sind nicht nur eine Augenweide beim Festzug, sie sind auch immer gern anvisierte Fotomotive. Wenn dann noch Kinder auf dem Wagen sitzen, ist das ideale Peter-und-Paul-Motiv für Fotografen quasi perfekt.
20 Fuhrwerke am Sonntag
Was so leicht und locker aussieht beim Festzug, ist allerdings alles andere als das. Bis die rund 20 Fuhrwerke am Sonntagnachmittag ab halb drei auf ihre Reise durch die Brettener Innenstadt gehen, sind vielerlei Vorbereitungen zu treffen. Nicht erst kurz vor dem Umzug. „Eigentlich das ganze Jahr über“, sagt Jürgen Dorn. Er muss es wissen. Denn er ist verantwortlich für sämtliche Fuhrwerke, die beim Festzug mitfahren. Historische Genauigkeit und möglichst authentische Kutschen und Fuhrwerke sind das Eine, betont er. Sicherheit das Andere. Und die ist dem 67-Jährigen aus Heidelsheim ganz besonders wichtig.
Das Fest kann kommen
Schon im Frühjahr nimmt er die Gefährte genauer unter die Lupe, die in einer Halle hinter der Schießmauer untergebracht sind. Sauber aufgereiht stehen dort die Wagen, die von Huldesman Gesind, der Landsknechte, der Kraemer, der Handwerker und all der Gruppen, die nicht allein zu Fuß den Festzug bereichern. Die Bremsen seien es meist, weiß Jürgen Dorn, die Probleme bereiten. Ganz wie bei den alten Vorbildern sorgen bei fast allen Wagen Balkenbremsen dafür, dass die Gefährte sich verlangsamen, wenn der Mann oder die Frau auf dem Kutschbock das will. Dorn, in der Landwirtschaft groß geworden, weiß, wo er hinlangen muss, wenn’s um Reparieren geht, weiß, welche Ersatzteile notwendig sind und wie sie eingebaut werden, damit der Wagen wieder der offiziellen Zulassungsordnung entspricht. Die jedoch bleibt relativ vage: Eine „ausreichende Bremsanlage“ müssen Kutschen aufweisen. Für den Wagenmeister ist aber klar: Wenn der Kutscher an der Bremskurbel dreht, sich das Seil spannt oder die Stange bewegt, muss der Wagen sanft abbremsen, darf keinesfalls blockieren, weil er dann nicht mehr lenkbar ist. Tests und erste Ausfahrten folgen: Das Fest kann kommen.
Närrische Tiere haben meist einen närrischen Chef
Aber noch stehen weitere Reparaturen an: Der Zahn der Zeit nagt an den teils über 100 Jahre alten Wagen, vom Holzwurm befallene seitliche Leitern sind noch auszutauschen und auch im Unterbau muss so manches Gefährt verstärkt werden. Wagenmeister Martin Bodner aus Gochsheim geht Jürgen Dorn da gern zur Hand. Sein Wissen um alte Wagen ist nötig, um sie gleichermaßen sicher und ansehnlich zu machen. Das Material ist das Eine. Die Tiere das Andere. Aber noch wichtiger, ist sich Jürgen Dorn sicher, sind die Wagenlenker: „Närrische Tiere haben meist einen närrischen Chef, der auf dem Bock sitzt“ ist seine Erfahrung. Entsprechend sucht er seine Kutscher aus: Das sind allesamt langjährig erfahrene und erprobte Wagenlenker, die den Festzug in Bretten als einen der Höhepunkte in ihrem Kutscherjahresablauf sehen. Sie kommen nicht nur aus der Region, teils seien auch schon vom Bodensee welche angereist.
Alle sind vor dem Umzug angespannt
Nicht nur die Wagenlenker, auch die Tiere sind vor dem Umzug ein wenig angespannt. Um 12 Uhr trifft man sich vor der Wagenhalle, der Tierarzt schaut sich die Pferde kurz an, dann wird angespannt und man fährt zur Festzugaufstellung – und los sollte es gehen. Denn wenn die Tiere den ganzen Weg in Richtung Hohkreuz gelaufen sind, sind sie zwar schon viel ruhiger als bei der Abfahrt, wollen aber weiterlaufen - und nicht stehen. Jürgen Dorn weiß, wovon er redet. Er selbst hat in seiner Jugend noch mit Pferden in der Landwirtschaft gearbeitet. Seit 25 Jahren macht er den Job als Wagenmeister jetzt. Neben seinen vielen Aufgaben in der Artilleriegruppe, der er angehört und die er mitgeprägt hat.
Der Aufwand lohnt sich
Die Ergebnisse seiner Arbeit, die Fuhrwerke beim Festzug selbst, kennt er daher zumeist lediglich von Fotos und Videos. Denn selbstverständlich ist Jürgen Dorn mit dem Balduff, der von zwei Kaltblütern gezogen wird, auch mit beim Festzug unterwegs. Gleichwohl fällt ihm immer ein Stein vom Herzen, wenn die Tour mit den Wagen durch den Festzugstrubel ohne Zwischenfälle gelaufen ist. Auch wenn vor jedem Gespann zwei Sicherheitsleute mitlaufen – es sind oft die unbedachten Aktionen von Zuschauern, die sich selbst in Gefahr bringen, wenn sie beispielsweise den Tieren nahe kommen wollen. Aber der Aufwand lohnt sich – die begeisterten Gesichter der Festzugbesucher beim Anblick der Gespanne beweisen jedes Jahr aufs Neue: Ohne die Fuhrwerke wäre der Festzug nur die Hälfte wert. Und das ist Peter-und-Paul-Urgestein Jürgen Dorn Jahr für Jahr Ansporn genug.
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Alle Fotos: wod
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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