Leserbrief zum Bauvorhaben „Melanchthonhöhe“ in Bretten
„Brettener wehrt Euch, Ihr habt es nicht verlernt“

Im vergangenen Jahrtausend baute man Wehrtürme – heute wehrt man sich der Türme und das mit Recht. Ein augenscheinlich gepimpter Gebäudeentwurf aus dem vergangenen Jahrhundert soll Brettens Wahrzeichen und Zukunft werden, wenn es nach dem Willen eines windigen Investors und seines nicht unbedingt glaubwürdigen Architekten geht.

Schon der Gedanke, Brettens Zukunft benötige ein Hochhaus mit Kongresszentrum entbehrt jeder Logik und Vernunft. Wer bitte von den an der Komödie beteiligten, allen voran unser Stadttriumvirat Wolff, Nöltner, Velte hat sich über Entstehung, Sinn und Zweck, Nachhaltigkeit, Nutzbarkeit, Auslastung eines Kongresszentrums Gedanken gemacht? Gibt es überhaupt irgendeinen Ansatz dafür, dass Bretten ein geeigneter Kongressstandort ist, schlechte Anbindungen und überhaupt, passt das zu Bretten? Ist es nur blauäugig, unreflektiert, naiv oder einfach nur Bretten? Das Flair des Big Business hat wohl die Sinne der Verantwortlichen geblendet.

Soziale Brennpunkte, manifestiert durch Betonbauten, gibt es genügend. Aus Habgier von sogenannten Investoren erstellte Betonwüsten, trost- und leblose Wohn und Hochhäuser, einfach nicht menschenfreundlich, gibt es bereits landauf und landab (zum Beispiel Heidelberg-Boxberg/-Emmertsgrund). Bretten mit seiner besonderen Atmosphäre einer liebevollen, lebenswerten Kleinstadt hat weitaus besseres Potenzial, welches es zu nutzen und auszubauen gilt. Ein Paradebeispiel an Trostlosigkeit und falscher, von Investoren geprägter Hochbaupolitik steht ganz in unserer Nähe. Der „Schwabenlandtower“ in Fellbach, ursprünglich „Gewa Tower“, wegen diverser Investoren-Insolvenzen mehrfach verkauft und nach wie vor so gut wie leerstehend. Kein Einzelfall, trotz angeblich tollen Umfeld und Einzugsgebiet.

In Zeiten der Digitalisierung, der weltweiten Vernetzung, wo Wahlparteitage per Videokonferenzen stattfinden, drittklassige Vereine ihre Präsidenten per Videomitgliedersitzungen wählen, sollte dem Zukunftsorientierten klar werden, dass Kongresse in der bekannten Form ihren Zenit überschritten und keine große Zukunft haben. Glücksbringer, wie genannter Investor, waren vielleicht nach der Wende in den neuen Bundesländern angesagt, sind einfach aufgetaucht. Liest man seine Interviews, seine vagen Darstellungen, seine angeblichen Referenzen und Statements, erkennt man rasch, welcher Gesinnung und Vorhabens er ist. Profit um jeden Preis scheint sein oberstes Gebot und Ziel.

In Zeiten von Pandemie, Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe, Treibhausgasen, Schmelzen des Permafrost, steigender Meeresspiegel muss die Zukunft neu definiert werden. Es muss uns allen klar werden, dass es so nicht weitergehen kann. Neoliberalismus, Globalisierung müssen dringend auf den Prüfstand. Das Baurecht auf dem Hügel ist noch nicht manifestiert, bitte nachdenken, verantwortlich handeln. Bretten braucht Wohnquartiere, keine Frage, bezahlbare! Ökologisches, ökonomisches, menschengerechtes und klimafreundliches Bauen ist angesagt.

Und hier, genau hier liegt die ganz große Chance für Bretten und seine Macher.

Bauen mit Beton ist pures Gift für die Umwelt. Die Herstellung von Stahl Beton ist mit 20 Prozent an den Treibhausgasen beteiligt (1), das Abbauen und Ankarren von Kalk aus der gesamten Welt ist ein ökologisches, Umwelt frevelndes Desaster (2), die weltweiten Vorräte an Beton fähigem Sand gehen zur Neige. Missgunst, Ausbeutung, illegaler Sandabbau sind an der Tagesordnung (3). Ja, es gibt mittlerweile Verfahren, Wüstensand Beton fähig zu machen ... aber die Transportwege ... mehr wie klimaschädlich und keinesfalls wirtschaftlich.

Hochhäuser, Wohnquartiere, mehrstöckig aus Holz und Verbundstoffen, nachhaltig, aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut - mit großem Erfolg stehen weltweit solche Exemplare moderner, zeitgerechter, umweltbewusster Bauweise (4). Ein Vorzeigehochhaus steht ganz in unserer Nähe in Heilbronn (5). Mehrgeschossiger Holzbau, begrünte Fassaden (6) sind zukunftsweisend, fördern gutes Klima und sind einfach umwelt- und menschenfreundlich, steigern den Lebenswert.

Wo, ja wo seid ihr denn ihr Grünen, das ist doch euer Thema?

Wahre Architekten überbieten sich mit intelligenten Entwürfen, man muss nur wollen, und können im Einklang von Profit, Umwelt, Nachhaltigkeit und werten Lebensbedingungen zukunftsgerecht planen.

An den Wänden herabfließendes Wasser zur Verbesserung der Luftqualität hört sich gut an, sind aber Märchen aus den 80ern. Wasser findet all überall seinen Weg und frisst sich in wenigen Jahren in und unter die Oberflächen. Spätestens nach 20 Jahren bedarf es grundlegender Sanierungen, steht da der Glücksbringer Investor noch zur Verfügung? Wer haftet für die Kosten? Wer übernimmt die Verantwortung?

Was mir überhaupt nicht in den Kopf will: Da gab es im Gemeinderat mit Recht "Standing Ovations" für einen Brettener IT-Unternehmer, welcher für seine weltweit tätige Firma einen Hotelkomplex mit Kongressräumlichkeiten und Gastronomie baut, nutzbar auch von Bretten und seinen Unternehmen. Diesem sicherlich kalkulierten und wohldurchdachten Projekt, leider in Betonbauweise, stellen die Stadtoberen ein Konkurrenzprojekt vor die Nase, was für eine Ohrfeige, was für ein schlechtes Verhalten.

Liebes Brettener Triumvirat, nehmt eure Herzen und Gewissen in zwei Hände und denkt darüber nach. Wie gesagt, noch besteht kein Baurecht, da habt ihr das Sagen. Macht diesen Hügel, wenn überhaupt, zu einem überregionalen Vorzeigehügel, baut mit den Menschen für die Menschen. Sagt diesem Investor was er darf, was er nicht darf, was Bretten und der Umwelt guttut. Es wäre ein kleiner Schritt mit großer Signalwirkung. Mit Stolz, im Beisein der Presse und hocherhobenen Hauptes dürft dann ihr drei und der Investor gerne zur Eröffnung das Band aus wiederverwertbarem Material zerschneiden, es würde mich freuen. Ganz unverständlich, eine Provinzposse bester Güte, das Medienscharmützel der Brettener Platzhirsche ob der Interview-Reihenfolge eines fragwürdigen Investors. He, ihr Meinungsmacher, geht’s noch. Ach ja, Herr Melanchthon wendet sich sicherlich im Grabe, wenn sein Name für so ein vollkommen unnützes, unrealistisches, an Bedarf und Zukunft vorbei geplantes
Projekt benutzt wird. Wolffsbuckel oder Veltenhöhe wären da angebrachter.

Brettener wehrt Euch, Ihr habt es nicht verlernt.

Michael Kaufmann
Bretten-Sprantal

Quellen:
(1) ZDF Mediathek vom 13. Mai 2018, Zement der heimliche Klimakiller; Mit Vollgas in die Klimakatastrophe am Beispiel von Stuttgart 21, Karl-Heinz Rößler Verkehrsberater Rede vom 3. August 2020, 523 Montagsdemo
(2) Rhein-Neckar-Zeitung 22. August 2020; Fridays for Future nehmen Heidelberg Zement ins Visier
(3) Bayerischer Rundfunk Wissen vom 17. Mai 2019; Wenn die Strände schwinden. www.br.de/wissen/sand-rohstoff-abbau-straende-100.html; Boerse online vom 28. Juni 2019 „Der große Sandraub: Weltweiter Bauboom fördert illegalen Abbau des Rohstoffs
(4) www.wohnglueck.de/artikel/spektakulaere-holzhochhaeuser-1516, „Die 7 spektakulärsten Holzhochchhäuser der Welt“; www.springerprofessional.de/holzbau/baukonstruktion/mehrgeschossige-holzhaeuser/13294124?searchResult=1.Mehrgeschossige Holzhäuser&searchBackButton=true vom 13. Juli 2017 „Mehrgeschossige Holzhäuser“
(5) Bayerischer Rundfunk (BR24) 20. April 2019, www.br.de/nachrichten/wissen/deutschlands-hat-ein-neues-hoechstes-holzhochhaus,RNixJH3, www.bundesstiftung-baukultur.de/beispiele/skaio-heilbronn
(6) www.freyarchitekten.com/projekte/das-holzhaus/, www.wikiwand.com/de/Holzhaus, www.anlegen-in-immobilien.de/begruente-gebaeude-sehen-so-die-haeuser-der-zukunft-aus/
(7) Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4den_an_Betonbauwerken

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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