Dr. Martina Varrentrapp, äußert sich zur Personalproblematik an der Rechbergklinik Bretten
Probleme durch scheidende Assistenzärzte
Bretten (swiz) Die Personalfluktuation im Ärztlichen Dienst der Medizinischen Klinik der Rechbergklinik Bretten war in den vergangenen Wochen immer wieder Thema in der Berichterstattung der Brettener Woche. Zu Wort gemeldet hatten sich dabei unter anderem die Bürgerinitiative Pro Rechbergklinik und die RKH-Regionaldirektorin Susanne Stalder. Im Interview bezieht nun die Ärztliche Direktorin der Medizinischen Klinik, Dr. Martina Varrentrapp, Stellung zu den Fakten und Gerüchten rund um das Personal der Klinik.
Wie beurteilen Sie die Personalsituation und die Fluktuation von Ärzten in der von Ihnen geführten Klinik?
Eine vernünftige Beurteilung der Personalsituation ist ohne eine differenzierte Betrachtung nicht möglich. Dies fängt schon bei dem unverzichtbaren Vergleich der Planstellen mit dem tatsächlich verfügbaren Personal an: Wenn von 20 planmäßigen Ärztinnen und Ärzten zwei Ärztinnen wegen Schwangerschaft einem Berufsverbot unterliegen, um dann in den gesetzlichen Mutterschutz zu gehen und eine weitere Ärztin bereits seit fast zehn Monaten krank ist, ohne dass ihre Rückkehr absehbar ist, dann fehlen für viele Monate bereits 15 Prozent im klinischen Alltag. Die Folgen sind allein dadurch erheblich, weil die weiteren gesetzlich und/oder tariflich bedingten Fehlzeiten durch Krankheit, Urlaub, Fortbildung und Freizeitausgleich bei der Dienstplangestaltung kaum vernünftig abzudecken sind.
Wenn, wie aus Ihren Ausführungen hervorgeht, mit Schwangerschafts-Fehlzeiten bei Ärztinnen und Fehlzeiten durch Krankheit, Urlaub, Fortbildung und Freizeitausgleich zu rechnen ist, wäre es dann nicht vorausschauend, von vornherein einen Personalpuffer vorzuhalten?
Ich bin überzeugt, dass die Einrichtung eines derartigen Puffers – wie er in vielen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft ja auch üblich ist – mittelfristig auch für Krankenhäuser in Betracht gezogen werden muss. Dies gilt um so mehr, als ärztliche Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten unter dem Aspekt der Work-Life-Balance zunehmend kritisch sehen und damit Überstunden nicht mehr nur den strikten Regeln des Arbeitszeitgesetzes und des Tarifvertrages unterliegen.
Mit der oftmals angesprochenen personellen Fluktuation bei den Arztstellen in der Rechbergklinik hat dies aber nichts zu tun. Was sagen Sie dazu?
Bei einer ohnehin angespannten Personalsituation generiert das Ausscheiden von Ärzten natürlich zusätzliche akute Probleme. Dabei ist zwischen dem Ausscheiden von Oberärzten, Fachärzten und Assistenzärzten zu unterscheiden. In der Medizinischen Klinik ist per Ende Juni eine Oberärztin mit einem Aufhebungsvertrag im wechselseitigen Einvernehmen und per Ende September ein Oberarzt durch Kündigung ausgeschieden, um sich niederzulassen. Durch Ernennung einer qualifizierten Fachärztin zur Oberärztin und durch die Gewinnung einer weiteren Oberärztin im Januar nächsten Jahres sind diese Abgänge bereits ersetzt.
Das Problem liegt also in erster Linie bei den Fach- und Assistenzärzten?
Bei den Fachärzten haben wir derzeit kein Problem, nachdem für eine ausscheidende Onkologin, die aus persönlichen Gründen in eine Niederlassung gegangen ist, bereits ein Ersatz engagiert werden konnte. In der Tat stellt uns das Ausscheiden von Assistenzärztinnen und -ärzten vor die größten Schwierigkeiten. Wenn ein junger Arzt nun aber unbedingt Polizeiarzt werden will, dann kann man ihn daran genauso wenig hindern wie zwei Ärztinnen, die ihren Ehemännern an deren neue berufliche Standorte im Allgäu und am Bodensee folgen. Und wenn junge Assistenzärzte Karrierepläne haben, die sich nur durch eine weitere Ausbildung an anderen Kliniken verfolgen lassen, dann liegen ihren Kündigungen Umstände zugrunde, wie sie mir aus meiner eigenen beruflichen Entwicklung nur allzu gut bekannt sind. Insgesamt lege ich daher Wert auf die Feststellung, dass es keine Kündigungen gegeben hat, weil es Ärztinnen und Ärzten in der Medizinischen Klinik nicht gefallen hat. Die Kündigungen – gerade der jungen Mitarbeiter – sind ausschließlich aus mit ihrer Lebensplanung verbundenen persönlichen Gründen erfolgt.
Können Sie denn die ausgeschiedenen Assistenzärzte in absehbarer Zeit ersetzen?
Dies ist allerdings ein schwieriger Prozess. Die gute Nachricht ist, dass wir nach heutigem Erkenntnisstand bis Anfang des nächsten Jahres unsere Lücken soweit auffüllen können, dass wir aus ärztlicher Sicht wieder alle internistischen Betten aktivieren können – dabei hoffe ich, dass dies auch aus pflegerischer Sicht möglich sein wird. Die Schwierigkeiten, geeignete Assistenzärzte zu gewinnen, sind enorm. Ein großes Hindernis ist zunächst die Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende, wie sie nach dem Tarifvertrag für alle kommunalen Krankenhäuser gilt. Bei Ausnutzung dieser Frist kann man die Stelle sodann erst zum Folgequartal neu besetzen. Dass bei einer Neubesetzung nicht nur die medizinische Qualifikation eine Rolle spielt, sondern zunehmend auch ausreichende Kenntnis der deutschen Sprache, dürfte allgemein bekannt sein. Aber dass ich auch noch „logistische“ Probleme wie die Suche von angemessenem Wohnraum oder die Bereitstellung eines Kindergartenplatzes lösen muss, erweist sich im Einzelfall als Herausforderung, der bei dem Kindergartenplatz zum Beispiel nur durch die erfolgreiche Einschaltung des Oberbürgermeisters zu bewältigen war.
Heißt das im Umkehrschluss, die Brettener Verwaltungsspitze schaltet sich in diese „logistischen Probleme“ zu wenig ein?
So will ich das keinesfalls verstanden wissen. Es ist nach meinem Verständnis ja nicht Sache der Stadt, logistische Fragen des Krankenhauses zu lösen. Hier ist vielmehr die KLK als Krankenhausträger gefragt, der für die sachlichen und personellen Ressourcen für den Betrieb der Klinik verantwortlich ist.
Sie hoffen nach eigenem Bekunden, dass die (Re-)Aktivierung aller internistischen Betten bis Anfang nächsten Jahres „auch aus pflegerischer Sicht möglich sein wird“. Wie ist die Personalsituation bei den Pflegekräften in Ihrem Bereich und welche Gründe haben auch mögliche „Überlastungssymptome“?
Im Hinblick auf den Umstand, dass es für den pflegerischen Bereich eine Pflegedirektorin gibt, bitte ich um Verständnis, dass ich mich insoweit auf die bereits geäußerte Hoffnung und den Hinweis auf die Verantwortung des Krankenhausträgers für die Bereitstellung der personellen Ressourcen beschränken möchte
Sie gehen, trotz aller Widrigkeiten, aber demnach von einer Entspannung der Personalsituation aus und sehen mit Zuversicht der weiteren Entwicklung entgegen?
Dies gilt jedenfalls für die Bewältigung der im Laufe dieses Jahres aufgetretenen Probleme. Mir ist jedoch bewusst, dass wir auch in der Zukunft eine gewisse Fluktuation aus den oben geschilderten Gründen – verbunden mit der Notwendigkeit der Akquisition neuer Mitarbeiter sehen werden. Da die Begründung von Arbeitsverhältnissen in die Zuständigkeit der Regionaldirektion fällt, werden wir das Personalmanagement unter Berücksichtigung der diesjährigen Erfahrungen in enger Abstimmung mit Bruchsal zu optimieren haben.
Wie könnten diese Optimierungen aus Ihrer Sicht gestaltet werden?
Zunächst sollte man meines Erachtens die derzeit üblichen Verfahren zur Ermittlung des Stellenschlüssels überdenken – wobei dies durch die beträchtlichen Änderungen des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern vom 22. Mai 2019 meines Erachtens als unumgänglich erscheint. In derartige Überlegungen sollte man auch den bereits erwähnten ’Personalpuffer‘ einbeziehen. Darüber hinaus scheint es mir im Hinblick auf das erwähnte Problem der Kündigungsfrist sinnvoll zu sein, über alternative Gestaltungen nachzudenken. Eine erhebliche Erleichterung wäre es schließlich, wenn wir wieder – wie in der Vergangenheit – über Kleinwohnungen verfügen könnten, die von Ärzten jedenfalls für eine Übergangszeit genutzt werden könnten. Dies wird bereits von der Regionaldirektion initiiert.
Die Fragen stellte Brettener Woche/kraichgau.news-Redaktionsleiter Christian Schweizer
Autor:Christian Schweizer aus Bretten |
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