Aufstieg und Fall der Schuhfabrik Groll in Bretten
Abiturient belegt ersten Platz bei Wettbewerb zur Heimatforschung
Bretten (kuna) „Es ist spannend zu sehen, wie die Weltwirtschaftskrise sich auch auf Bretten ausgewirkt hat“, meint Lionel Vinçon, Abiturient des Melanchthon-Gymnasiums Bretten (MGB). Mit seinem Aufsatz zur Schuhfabrik Groll in Bretten – einst ein großes Unternehmen in der Melanchthonstadt – hat er den mit 1.000 Euro dotierten ersten Preis des Schulwettbewerbs „Heimatforschung“ des Heimatvereins Kraichgau gewonnen. Noch heute sind Reste der einstigen Schuhfabrik in Bretten zu entdecken, die an den schnellen Aufstieg, aber auch den raschen Niedergang des Familienunternehmens erinnern.
Reste der Fabrik noch erhalten
In der Hirschstraße 17 zeugt ein Giebelhaus aus Backstein von der einstigen Pracht der Fabrik. Schuhe werden dort schon lange nicht mehr produziert. Ein Zeugnis der alten Handwerkskunst besitzt die Familie des 18-Jährigen aber noch: Die Kinderschuhe seiner Uroma, zierliche braune Lederschuhe, gefertigt in der Schuhfabrik Groll.
Geschichte sei eines seiner Lieblingsfächer, erklärt Vinçon, insbesondere die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg interessiere ihn am meisten. Wie sich die großen Themen im Regionalen aufspüren ließen, habe ihn an seiner Arbeit zur Schuhfabrik besonders gefesselt.
Vom kleinen Laden zur Schuhfabrik
Die sehr zeitintensive Recherche sei aber auch ein Stück Familienforschung gewesen, erklärt der Abiturient. Denn der Opa seiner Uroma, Georg Philipp Groll, sei 1860 der Gründer der Schuhfabrik gewesen, die damals den Namen „Mechanische Schuhfabrik Bretten“ trug. „Er hatte zuerst ein Geschäft am Marktplatz 4, in dem er Gewürze und Stoffe verkauft hat“, so Vinçon. Später erweiterte er den Laden und machte ihn zu einem Schuhgeschäft, "erst noch im kleinen Stil". Schnell sei das Unternehmen aufgestiegen, woraus sich auch die Schuhfabrik entwickelte, ein Areal aus mehreren Gebäuden mit Fabrik und Wohnhaus, mit Sitz in der Hirschstraße 17.
Eigenmarke "Brettener Hundle"
In dieser wurden dann auch eigene Modelle unter der Eigenmarke „Brettener Hundle“ produziert, berichtet Vinçon. Auch "exotischere" Produktionen habe es gegeben, etwa Damenschuhe aus Schlangenleder, die sich heute im Museum im Schweizer Hof befinden, oder Skischuhe.
Weltwirtschaftskrise führt zum Untergang
Doch genauso schnell wie der Aufstieg des Familienunternehmens, so schnell kam auch der Fall. „Durch die Weltwirtschaftskrise in 1929/30 kamen immer weniger Kunden“, erklärt Vinçon. Das Problem sei ähnlich wie heute, meint der 18-Jährige, der durchaus Parallelen entdeckt: Viele sind nicht bereit, viel für hochwertige Kleidung auszugeben oder haben das Geld dafür schlicht nicht.
Aber auch schon einige Jahre zuvor habe das Unternehmen finanzielle Dämpfer erlitten, als Groll zu Zeiten des Ersten Weltkrieges „viel Geld in Kriegsanleihen zahlen musste“, so der Abiturient. 1931 geriet die Fabrik endgültig in Konkurs. Dann konnte auch ein Bürgschaftsvertrag mit der Stadt nicht mehr helfen.
Intensive Recherchearbeit neben dem Schulalltag
In den Dokumenten, die der Abiturient in seiner Freizeit, meist in den Ferien oder am Wochenende, neben dem Schulalltag ausgewertet hat, habe er viele emotionale Berichte gefunden, vor allem in Tagebucheinträgen. „Die Familie hat viel Geld investiert, um die Fabrik am Laufen zu halten“, berichtet er. Auch habe es ein Hin und Her mit dem Brettener Gemeinderat gegeben, ob die Fabrik von der Stadt übernommen werden könne. Letztlich wurde die Fabrik noch für einige Jahre von einem Investor weitergeführt.
Datum der endgültigen Schließung nicht bekannt
Wann die Schuhfabrik endgültig geschlossen wurde, sei nicht bekannt, erklärt Vinçon. Die vielen Dokumente im Brettener Stadtarchiv, die er für seine Arbeit durchforstet hat, gäben darüber keine Auskunft. Ein weiteres Zeugnis der einstigen Größe des Namens Groll wurde übrigens erst vor kurzem entfernt: Der Schriftzug "Groll", der auf dem Gebäude in der Hirschstraße zu lesen war, wurde erst neulich überstrichen.
Auswertung zahlreicher Primärquellen
Für seine preisgekrönte Recherche – die Preisverleihung fand am 18. Juli in der Sparkasse Sinsheim statt – hat Vinçon sich ausschließlich auf Primärquellen gestützt. Keine leichte Arbeit: Denn die originalen und bislang nicht ausgewerteten Dokumente sind in der Regel in altdeutscher Schrift verfasst. Diese erst einmal zu entziffern, aber auch zu ordnen, zusammenzufassen und schließlich einen eigenen Text niederzuschreiben, sei „extrem zeitintensiv“ gewesen, muss der 18-Jährige mit einigem Überraschen zugeben.
Beitrag wird ihm Jahrbuch des Heimatvereins Kraichgau veröffentlicht
Entstanden ist am Ende eine zehn Seiten lange Arbeit, bestehend aus Text und der Kopie originaler Dokumente und Fotos. Veröffentlicht wird der Beitrag im Jahrbuch des Heimatvereins Kraichgau, der laut Thomas Adam, Schriftleiter des Jahrbuches und stellvertretender Vorsitzender des Heimatvereins, im November erscheinen soll.
Auch die Beiträge der anderen Preisträgerinnen und Preisträger von Schulen aus Mosbach, Sinsheim, Bruchsal und Bad Schönborn werden darin publiziert, je nach Platzierung im Wettbewerb dann nur auszugsweise.
18-Jähriger will Jura studieren
Vinçon selbst zieht es nach seinem Ausflug in die Heimatforschung und dem erfolgreichen Abschluss seines Abiturs aber nicht etwa ins Geschichtsstudium – vielmehr wird der 18-Jährige ab Herbst in Bayreuth Jura studieren.
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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