"Mehr Barmherzigkeit im Umgang miteinander"
Dekanin Trautz und Pfarrer Maiba setzen in Krisenzeiten auf Gemeinschaft und Hoffnung
Bretten (ger) Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Friedens. Doch bereits zum zweiten Mal erleben wir das Weihnachtsfest mit der unerwünschten Begleiterscheinung Corona. Noch immer sind wir weit von normalen Jahren entfernt, in denen wir unbeschwert Weihnachtsmärkte und -feiern besuchen und uns spontan und unbesorgt zu Adventskonzerten und Verwandtenbesuchen aufmachen konnten. Nach 20 Monaten Ausnahmezustand schwinden bei vielen die Kräfte, und Unmut macht sich breit, von der Spaltung der Gesellschaft ist die Rede.
Was bringt Menschen zusammen?
Was sagen Vertreter der beiden großen Kirchen dazu? Wie beurteilen sie die Situation? Was hält die Menschen zusammen, was bringt sie wieder zusammen? Und wie kann die frohe Botschaft der Weihnachtszeit und der Glauben in schwierigen Situationen helfen? Darüber hat die Brettener Woche/kraichgau.news mit Ulrike Trautz, Dekanin des Evangelischen Kirchenbezirks Bretten-Bruchsal, und Harald-Mathias Maiba, Leitender Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Bretten-Walzbachtal, gesprochen.
Gemeinschaftsgefühl leidet unter Abstandsregeln
Beide, Trautz und Maiba, konstatieren, dass die Situation für das Gemeinschaftsgefühl in den Kirchen und damit auch in der Gesellschaft schwierig sei. „Abstand und Einschränkungen sind nicht förderlich für die Gemeinschaft, die ja das Grundprinzip der Kirche ist“, drückt es Maiba aus, und Trautz betont: „Die christliche Botschaft will ja Menschen zusammenbringen. Wir sind daher froh, dass Gottesdienste weiterhin möglich sind, wenn auch mit Abstand, Masken und Hygieneregeln. Niemand ist ausgeschlossen.“ Dem kann Maiba nur zustimmen, der froh ist, dass den Kirchen ein weiterer Lockdown erspart bleibt. „Hier hat schon ein Umdenken stattgefunden. Die Politik hat bemerkt, dass wir wichtig für die Menschen sind, dass die Kirche mit ausgleichenden Momenten Trost und die frohe Botschaft bieten.“
"Mehr Begegnungsmöglichkeiten würden helfen"
Man dürfe sich nicht auf die Konflikte fokussieren, findet Trautz. „Mehr Begegnungsmöglichkeiten würden den Menschen helfen.“ Auch in der Flüchtlingsfrage habe sie das immer wieder festgestellt: „Sobald man jemanden persönlich kennt, lösen sich Vorurteile und Ängste auf.“ Natürlich sei es derzeit schwer, wo man Kontakte zur Viruseindämmung meiden soll. Da müsse man eben andere Begegnungsmöglichkeiten nutzen wie Telefonieren, Briefe schreiben oder sich online zu treffen, die auch die Kirche praktiziere. Von diesen neuen Formen des Miteinanders profitiere man jetzt, so Maiba, der damit den besonderen Umständen in der Pandemie auch etwas Gutes abgewinnen kann.
"Keiner war auf Pandemie vorbereitet"
Den Grund für Konflikte und Unzufriedenheit sieht Maiba in den wachsenden Sorgen der Menschen. Das sei aber keine Rechtfertigung für Verleumdung oder Gewalt. „Mit der Pandemie hat keiner gerechnet, wir waren alle nicht darauf vorbereitet, müssen aber jetzt alle damit umgehen. Dass dabei Fehler gemacht werden, bleibt nicht aus.“ Alle Menschen würden Fehler machen, müsse man bedenken. „Wir sollten nicht gegen-, sondern füreinander sein.“
"Gott kommt nicht mit dicken Backen in die Welt"
„Ich wünsche mir mehr Barmherzigkeit im Umgang miteinander“, bringt es Trautz auf den Punkt und schlägt damit auch den Bogen zu Weihnachten: „Der Kern des Festes ist ja, dass Gott in die Welt kommt. Und er kommt nicht mit dicken Backen, nicht als einer, der weiß, wo es langgeht, sondern schwach und verletzlich als Kind.“ Versöhnung und Frieden erreiche man eben nicht durch Rechthaberei, sondern durch Achtung voreinander. „Wenn wir uns mehr aufeinander einlassen würden, würde das vieles öffnen.“
"Mensch ist Mensch"
„Uns verbindet mehr als uns trennt“, hebt Maiba hervor. „Die Grundaufgabe von Kirche, von allen Konfessionen ist die Gemeinschaft, ist nicht ausgrenzen, sondern einbinden. Das feiern wir an Weihnachten.“ Und ausdrücklich gelte das für alle, egal welcher Religion man angehöre, ob man gläubig sei oder nicht: „Mensch ist Mensch.“
Absolutheitsansprüche und Rechthaberei stehen dem Miteinander entgegen
Respekt füreinander, auch bei unterschiedlichen Meinungen, ist für Trautz sehr wichtig. „Ich kann auch Achtung vor dem anderen haben, wenn mir missfällt, was er denkt. Da muss ich zwischen der Person und seiner Meinung trennen“, sagt sie. In der Seelsorge versuche man, sich auf den anderen einzustellen und zuzuhören, um herauszufinden, was dahintersteckt, welche Ängste und Verletzlichkeit zum Beispiel sich hinter manchen Einstellungen verbergen könnten. „Im persönlichen Gespräch, also außerhalb der Seelsorge, darf man aber auch mal deutlich sagen: ‚Das geht nicht. Ich achte dich, aber nicht deine Meinung‘“, rät Trautz im persönlichen Umgang mit Menschen, die eine andere Meinung vertreten. Absolutheitsansprüche machten es dem anderen schwer. „Jeder versucht ja, das Richtige zu tun. Wenn man dabei sich selbst hinterfragt, macht man es dem anderen einfacher.“ Und Maiba empfiehlt, nicht nur das Äußere zu sehen, sondern auf die inneren Werte des anderen zu achten.
Glaube gibt Kraft
Der Glaube gibt beiden Kraft in dieser Zeit. „Ich behalte auch in Pandemiezeiten mein Grundprinzip Hoffnung bei“, so Maiba, der den Schwerpunkt auf das legen möchte, was die Menschen froh macht. „Damit ist nicht das große Event gemeint, sondern dass man auch in kleinen Dingen Schönes erlebt.“ „Wir dürfen uns nicht entmutigen lassen, wir kriegen das hin“, sagt Trautz. „Es gibt eine Hand, die uns hält. Die Versöhnung ist schon da, wir müssen sie nur annehmen.“
Autor:Katrin Gerweck aus Bretten |
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