Leserbrief zum Thema Sozial- und Rechtsstaat
"Ich habe endlich wieder Luft bekommen"

Foto: Michael J Berlin - stock.adobe.com
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Es ist unglaublich, was es in unserem Land für Verwirrungen gibt, wenn man mit der Bürokratie konfrontiert wird. Viele Freunde und Bekannte – selbst Menschen, die man nicht näher kennt – sagen mir: „Damit solltest du an die Öffentlichkeit gehen!“ Aber wie?
Zu meiner aktuellen Situation: Ich bin eine ältere, alleinstehende Frau im Alter von 57 Jahren und musste aus gesundheitlichen Gründen (Asthma, COPD), meine Selbstständigkeit aufgeben. Monatelang musste ich mich bei den Ämtern (Krankenkasse, Jobcenter) durchschlagen, um eine Brustverkleinerung zu erhalten, die mir nach ärztlichen Untersuchungen und von einem Professor in Bruchsal angeraten wurde, um danach wieder ein halbwegs normales Leben führen zu können. Die Krankenkasse meinte, dass es eine Schönheits-OP wäre – obwohl es hierbei um meine Gesundheit ging. Daraufhin schrieb der Professor der Krankenkasse und erklärte die Notwendigkeit dieser Operation, woraufhin ich gegen Ende des Jahres 2020 in Bruchsal von einem großen Gewicht befreit wurde.
Ich habe so sehr gehofft, dass es nach der Operation wieder aufwärts geht. Ich habe endlich wieder Luft bekommen. Das kann sich keiner vorstellen, der nicht selbst in der Lage ist oder war. Doch dann kam die nächste Herausforderung.
Ich habe keine Arbeit und keine Wohnung. Wenn meine Tochter mich nicht aufgenommen hätte, müsste ich draußen unter der Brücke schlafen. Da war man bis vor kurzem selbstständig und schon rutscht man ins Hartz IV. Wie soll man da in unserem Land als ältere Frau wieder auf die Beine kommen?
Ich bin ständig – seit zwei Jahren – auf der Suche nach einer Wohnung, aber es gibt von Landkreis zu Landkreis verschiedene Mietstaffeln und sobald der Vermieter erfährt, dass das Geld derzeit vom Amt kommt, werde ich direkt abserviert. Wie soll man so eine Wohnung und Neustart finden?
So verliert man den Glauben und die Hoffnung. Ich habe mein ganzes Leben unter Kontrolle gehabt, Kinder großgezogen und bin arbeiten gegangen (würde ich gerne wieder!), doch plötzlich fällt man aus gesundheitlichen Gründen auf die Nase und in unserem Sozial- und Rechtsstaat wird es einem unmöglich gemacht, wieder auf die Beine zu kommen. Hoffnung …
Wenn mir das jemand vor 20 Jahren erzählt hätte, hätte ich sehr darüber geschmunzelt. Doch heute – wo es mich sehr trifft – muss ich einfach nur weinen, sehr weinen. Darüber, dass in dieser heutigen (Corona-)Zeit Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und soziales Miteinander fehlen. Wo sind sie geblieben?

Maria-Carmen Stenger,
Ölbronn-Dürrn

Autor:

Kraichgau News aus Bretten

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