Gespräch mit der Schulleitung anlässlich 40 Jahre Pestalozzischule in Diedelsheim
Individuelle Förderung für jedes Kind

Engagiertes Leitungsteam: (von links) Sonderschulrektorin Monika Czolk und Sonderschulkonrektorin Carolin Rudy am Haupteingang der Pestalozzischule.  | Foto: ch
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  • Engagiertes Leitungsteam: (von links) Sonderschulrektorin Monika Czolk und Sonderschulkonrektorin Carolin Rudy am Haupteingang der Pestalozzischule.
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BRETTEN (ch) Vor 40 Jahren hat die Pestalozzischule eigene Räumlichkeiten am heutigen Standort in Diedelsheim bezogen. Die offiziellen Jubiläumsfeierlichkeiten liegen nun schon eine Weile zurück. Zeit, um mit Sonderschulrektorin Monika Czolk und Konrektorin Carolin Rudy sowohl einen Blick zurück, als auch einen Blick in die Zukunft zu wagen.

Frau Czolk, Frau Rudy, erinnern Sie sich an Ihr schönstes Erlebnis im Jubiläumsjahr?
Monika Czolk: Das schönste Erlebnis für mich war die klassenübergreifend durchgeführte Projektwoche im Vorfeld, wo jede Schülerin und jeder Schüler seinen Neigungen entsprechend etwas erarbeiten konnte, das dann am Jubiläumstag präsentiert wurde. Das reichte von der Schulhofgestaltung über naturwissenschaftliche Experimente bis zur Herstellung von Bilderbüchern.

Carolin Rudy: Ich fand auch schön, dass die Kinder in dieser Woche nicht nur hier im Haus gelernt haben, sondern auch außerschulisch unterwegs waren. Die Kinder waren dann sehr stolz, die Projekte am Präsentationstag ihren Eltern vorzustellen.

Ein Jubiläum ist immer auch eine Gelegenheit, um zurückzublicken. Was waren in den vergangenen vier Jahrzehnten die wichtigsten Stationen in der Entwicklung der Pestalozzischule?
Monika Czolk: Die Pestalozzischule wurde ja eigentlich schon vor 65 Jahren ins Leben gerufen, nämlich 1954 als Hilfsschule. Nicht am heutigen Standort in Diedelsheim, sondern in den Räumen der jetzigen Hebelschule in der Kernstadt. Erst 1979 hat sie als Sonderschule für Lernbehinderte die heutigen Räume bezogen, woran das diesjährige Jubiläum erinnert. Später wurde auch der Name in Förderschule geändert. In diesen mehrfachen Namensänderungen spiegelte sich jeweils die in der Gesellschaft vorherrschende Vorstellung von Behinderung. Und jetzt sind wir seit 2015 ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, kurz SBBZ, mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Das ist zwar ein sehr langer Titel, aber damit taucht im Schulnamen erstmals das Wort Beratung auf, um zu verdeutlichen, dass Beratung neben Bildung ebenfalls eine Hauptaufgabe unserer Schule ist.

Was war denn die größte Veränderung?
Carolin Rudy: Das war die Abschaffung der Sonderschulpflicht, also der Pflicht zum Besuch der Sonderschule, wenn ein Kind durch ein Gutachten einer bestimmten Sonderschule zugewiesen wurde.

Monika Czolk: Heute wird umgekehrt der Anspruch des Kindes auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot festgestellt. Und die Eltern können entscheiden, an welchem Lernort dieser Anspruch eingelöst werden soll, entweder am betreffenden SBBZ oder an einer allgemeinen Schule.

Ist das eine Folge der UN-Behindertenrechtskonvention von 2006?
Carolin Rudy: Ja, zum Teil. Die UN-Konvention sagt, dass alle Kinder - sowohl behinderte als auch nicht behinderte - grundsätzlich das Recht haben, gemeinsam eine Schule zu besuchen, mit dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe an Bildung ...

Monika Czolk: ... also auch, dass es ein Recht auf gemeinsames, sprich inklusives Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern gibt. Das hat dazu geführt, dass es in unserem Schuleinzugsbiet mittlerweile mehrere Schulen gibt, in denen inklusives Lernen stattfindet.

Wenn das so ist, wozu braucht man dann noch eine eigenständige Schule für lernbehinderte Kinder wie die Pestalozzischule?
Monika Czolk: Weil es weiterhin Schüler gibt, die in verschiedenen Bereichen, sei es in der Sprache, in ihrer Auffassungsgabe und Wahrnehmung, im Lerntempo oder in ihrer Motorik, entwicklungsverzögert sind, und die deshalb dem Bildungsplan der allgemeinen Schule nicht oder zeitweise nicht folgen können. An allgemeinen Schulen können diese Schüler aktuell nur stundenweise von einer zusätzlichen Sonderschullehrkraft unterstützt werden.

Und wie ist das an der Pestalozzischule?
Monika Czolk: Bei uns ist das gesamte schulische Angebot auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes ausgerichtet. Das heißt, wir orientieren uns am individuellen Lernfortschritt jedes einzelnen Kindes und legen in enger Abstimmung mit den Eltern und dem Kind die jeweils nächsten Förderziele fest.

Was macht die Pestalozzischule darüber hinaus noch aus?
Monika Czolk: Das übergeordnete Motto unserer Schule heißt „Leben lernen“.

Carolin Rudy: Aus diesem Grund haben wir das verbindliche Ganztagesangebot in der Grundstufe und die Nachmittagsbetreuung für die älteren Schüler ...

Monika Czolk: ... und vielfältige Kooperationen mit außerschulischen Partnern wie Vereinen, Verbänden und Organisationen ...

Carolin Rudy: ... und uns liegen das ganzheitliche Lernen und die Persönlichkeitsstärkung der Schüler besonders am Herzen, was sich in einer großen Bandbreite von Angeboten ausdrückt, von besonderer Sprachförderung über erlebnispädagogische Angebote bis zu lebenspraktischen Inhalten.

Wie viele Schüler besuchen die Pestalozzischule und woher kommen sie?
Monika Czolk: Wir haben aktuell 92 Schüler, verteilt auf acht Klassen. Unser Einzugsgebiet reicht über Bretten und seine Stadtteile hinaus bis nach Zaisenhausen im Nordosten und Jöhlingen im Westen. Sogar aus Knittlingen kommen Schüler.

Und die Mitarbeiter?
Monik Czolk: Unsere Schüler werden von 15 Lehrkräften unterrichtet, zusätzlich haben wir städtische Mitarbeiter wie eine Schulsozialarbeiterin, zwei Erzieherinnen und eine Freiwilliges Soziales Jahr-Kraft. Dieses multiprofessionelle Team macht unsere Schule aus. Außerdem engagieren sich an der Pestalozzischule noch Jugendbegleiter, Lehrbeauftragte und Lesepaten.

Was verstehen Sie unter Jugendbegleitern?
Monika Czolk: Das sind Personen, die über das Jugendbegleiterprogramm des Landes finanziert werden und die schulische Arbeit vor allem in der Nachmittagsbetreuung bereichern, zum Beispiel mit Hausaufgabenbetreuung und Freizeitangeboten. Unsere Schule würde sich übrigens freuen, wenn sich dafür weitere Interessenten melden. Einfach im Sekretariat anrufen unter 07252/958585 oder eine E-Mail schreiben an kontakt@pestalozzischule.de

Die Pestalozzischule liegt direkt neben der Schwandorf-Grundschule. Wie gelingt das alltägliche Miteinander auf demselben Gelände?
Carolin Rudy: Wir kooperieren in einzelnen Projekten wie zum Beispiel dem gemeinsamen Zirkusprojekt, einem Wildbienenprojekt und im gemeinsamen Sportunterricht.

Monik Czolk: Wir nutzen auch gemeinsam die Schwimm- und Sporthalle und die Schulmensa. Und für den kollegialen Austausch sind die Wege kurz, das funktioniert praktisch über den Schulhof.

Gibt es noch andere Themen, die Sie beschäftigen?
Monika Czolk: Die Lehrerversorgung ist ein Dauerthema, auch an unserer Schule. Auch die Digitalisierung beschäftigt uns. Im Augenblick werden gerade die Kabel für WLAN und Netzwerkanschlüsse in jedem Klassenzimmer verlegt. Und wir beschäftigen uns damit, wie unsere Schüler den Umgang mit den digitalen Medien erlernen und sich in der Welt der neuen Medien zurechtfinden.

Aber lernen das die Schüler nicht von selbst viel schneller?
Carolin Rudy: Unsere Schüler nicht unbedingt. Bei uns muss man viel grundsätzlicher an das Thema herangehen. Und auch wir möchten natürlich unsere Schüler auf die Gefahren im Netz aufmerksam machen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was würden Sie sich vordringlich für die Pestalozzischule wünschen?
Carolin Rudy: Mir wäre wichtig, dass wir von der Gesellschaft Anerkennung für uns als Schulart und für unsere Schüler bekommen ...

Monika Czolk: ... und wir würden uns auch wünschen, dass die Gesellschaft erkennt, welche Potenziale in unseren Schülern schlummern, die es gemeinsam und zum Nutzen aller zu heben gilt.

Die Fragen stellte Chris Heinemann

Engagiertes Leitungsteam: (von links) Sonderschulrektorin Monika Czolk und Sonderschulkonrektorin Carolin Rudy am Haupteingang der Pestalozzischule.  | Foto: ch
Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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