In Bretten zuhause: Bei der Brettener Familie Eggert spielen drei Generationen Schach

Die Schachfamilie: Sonntags finden sich Großvater Victor Eggert (rechts), sein Sohn Vadim (Zweiter von links) und die Enkel Arthur und Emma für eine Partie am Schachbrett zusammen. Foto: privat
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  • Die Schachfamilie: Sonntags finden sich Großvater Victor Eggert (rechts), sein Sohn Vadim (Zweiter von links) und die Enkel Arthur und Emma für eine Partie am Schachbrett zusammen. Foto: privat
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Sehen so Deutschlands nächste Top-Schachspieler aus? Familie Eggert aus Bretten hat das Zeug, eine ganze Schachspieler-Dynastie zu begründen.

BRETTEN (ch) Sehen so Deutschlands nächste Top-Schachspieler aus? Familie Eggert aus Bretten hat das Zeug, eine ganze Schachspieler-Dynastie zu begründen. Zu Besuch bei der vermutlich einzigen deutschen Familie, wo drei Generationen gleichzeitig dem organisierten Schachsport huldigen.

Jüngste Mitglieder in der Clubgeschichte

Es ist schon dunkel, als Vadim Eggert am Freitagabend aus dem britischen Manchester nach Hause kommt. Der Bauingenieur ist für seinen Arbeitgeber viel im Ausland unterwegs, sieht seine Familie nur am Wochenende. Die beiden Kinder, Arthur und Emma, sind schon im Bett. Eigentlich sollten die sechsjährigen Zwillinge ausnahmsweise mit am Tisch sitzen. Denn sie waren vor einem Jahr die jüngsten Neuzugänge in der bisherigen Geschichte des Brettener Schachclubs. Doch nun müssen sie eine Erkältung auskurieren. Dafür erzählt ihr aus dem Nachbarhaus hinzugekommener Opa Victor seine Geschichte.

„Helden der Stadt“

Der heute 68-jährige Rentner, Bauingenieur wie sein Sohn Vadim, war vor 28 Jahren mit seiner ebenfalls im Baufach tätigen Frau aus dem westrussischen Sibirien, wohin die Familie einst deportiert worden war, in die alte Heimat Deutschland übersiedelt. Ebenso wie später sein Sohn machte Victor Eggert als Bauleiter für deutsche Firmen in Russland rasch Karriere. 2016 ließ sich die Familie in Bretten nieder. Während Victor seit zwei Jahren den Ruhestand genießt, steht sein Sohn als reisender technischer Controller weiter voll unter Strom. „Ich habe nach etwas gesucht, das mich ablenkt“, wirft Vadim ein. Bei einem Wochenendaufenthalt daheim sei er „auf einen Bericht der Brettener Woche aufmerksam geworden“, in dem die örtliche Schachmannschaft einen ihrer Erfolge feierte. „Es wurden auch Namen genannt und es schien uns, als ob das richtige Helden der Stadt sind“, lächelt der 41-Jährige.

„Wir konnten nur Figuren bewegen“

Mit seinem Vater trat er im Dezember 2017 dem Schachclub bei. Beide huldigen seit ihrer Kindheit dem Denksport. „In Sibirien hatten wir nur Schach und zwei, drei andere Spiele, deshalb hat jeder Schach gespielt“, erinnert sich Victor. „Wir dachten, wir können Schach“, lacht sein Sohn. Aber nach den ersten Testspielen gegen Clubmitglieder, die sie alle mit Pauken und Trompeten verloren, war ihnen schnell klar: „Wir konnten nur Figuren bewegen.“ Heute ist er überzeugt: „Nur im Club lernt man richtig Schach spielen.“ Wenig später meldeten sie auch die Kinder an. Seitdem verbringen die Vier fast jeden Freitagabend in den Vereinsräumen im Brettener Naturfreundehaus. Vadim pflegt darüber hinaus die Club-Webseite und engagiert sich in der Vereinsentwicklung. Aufgrund der freundschaftlichen Atmosphäre und der fachlichen Begleitung durch Clubmitglied Helmut Niedermeier ist der Schachclub für sie „fast eine zweite Familie“ geworden, wie Vadim sagt.

Training mit dem Online-Lehrer

Der zeitliche Einsatz der Familie für ihr Hobby ist beachtlich. Zu den rund dreieinhalb Abendstunden pro Woche im Club fahren sie alle drei Wochenenden zu auswärtigen Verbandsspielen, wo sie im Schnitt noch mal vier Stunden verbringen. Mit seinen Kindern nimmt Vadim Eggert zusätzlich an drei Turnieren im Jahr teil. Wenn es nach ihm ginge, wären es mehr. Aber seine Frau hat ihr Veto eingelegt. Überhaupt investiert er am meisten. „Ich bin die ganze Woche weg, was soll ich abends machen: entweder laufen oder Schach spielen“, meint er fast entschuldigend. Eine Stunde wöchentlich trainiert er mit einem Online-Lehrer und übt dann weitere drei Stunden mit anonymen Schachpartnern im Netz. Inzwischen ist er auch einem englischen Schachclub beigetreten und verschlingt am Feierabend Schachliteratur. Großvater Victor lässt es ruhiger angehen: Vier, fünf Wochenstunden mit den Enkeln am Schachbrett reichen, ansonsten widmet er sich seinem Garten und der Hobbymalerei.

Schach hält geistig fit

Laut Vadim trägt der Einsatz bereits erste Früchte. Er selbst hat vergangenes Jahr bei einem Bruchsaler Turnier einen zweiten Platz und jüngst bei einem Turnier in Untergrombach den achten Platz, allerdings in einer höheren Leistungsklasse, erreicht. Auch die Kinder haben schon einige Urkunden mit nach Hause gebracht. Seitdem die Eggert-Kinder dabei sind, hat der Club vor allem beim Nachwuchs stark zugelegt. Opa Victor spricht immerhin von Erfahrung, die er gewonnen hat, und: „Das Spiel hält geistig fit.“

Es gibt kein Glück

Auf die Frage, warum sie gerade Schach so reizt, hat Vadim als Erster eine Antwort: „In erster Linie die unbegrenzte Vielfalt an Möglichkeiten.“ Seiner Meinung gibt es „so viele Varianten wie Sterne am Himmel“. Dadurch ergäben sich „ständig neue Verbesserungspotenziale, sowohl taktisch, strategisch als auch psychologisch“. Er ist überzeugt: „Beim Schach gibt es kein Glück, es ist das Können.“ Außerdem vermittle das Brettspiel „eine gewisse Ruhe“, mit deren Hilfe man nachher sowohl im Privaten wie im Beruf auch ganz schwierige Entscheidungen sachlich meistern könne. Um erfolgreich Schach zu spielen, braucht man laut Victor Eggert vor allem Geduld, logisches Denken und den Wunsch sich zu verbessern. „Man kann diese Eigenschaften aber auch umgekehrt durch Schach spielen fördern“, wendet sein Sohn ein. Bei seinen Sprösslingen hat er eine Zunahme der Konzentrationsfähigkeit beobachtet. „Ich weiß nicht, ob es am Schach liegt, aber unsere Kinder sind in diesem einen Jahr im Schachclub deutlich reifer geworden“, findet er und fügt hinzu: „Im Übrigen gilt: Am meisten lernt man beim Verlieren.“

Mehr lesen Sie auf unserer Themenseite In Bretten zuhause

Autor:

Chris Heinemann aus Bretten

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