Trotz vieler Hürden
Zehn Jahre Partnerschaft zwischen Enzkreis und Masasi
Enzkreis (enz) Mehr als 10.000 Kilometer Entfernung, häufig wechselnde Ansprechpartner, eine aufwendige Beantragung von Fördermitteln und jetzt noch Corona – trotz dieser und einiger anderer Hürden gelingt es dem Enzkreis bereits seit zehn Jahren, einen engen und fruchtbaren Austausch mit Masasi in Afrika zu pflegen. Der Distrikt liegt im Süden Tansanias, ist vergleichbar mit einem deutschen Landkreis, hat rund 350.000 Einwohner und ist mit einer Fläche von fast 4.000 Quadratkilometern etwa acht Mal so groß wie seine deutsche Partnerkommune.
Verbesserung der Gesundheitsversorgung und verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien
„Der Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit lag in den vergangenen Jahren auf der Verbesserung der Gesundheitsversorgung sowie dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien in Masasi und lief insgesamt unter der Überschrift Klimapartnerschaft“, berichtet Landrat Bastian Rosenau. Im vergangenen Jahr sei jedoch der Entschluss gereift, die Beziehungen zu einer offiziellen kommunalen Partnerschaft weiterzuentwickeln. Und so sei schließlich im Juli 2020 – Corona-bedingt auf digitalem Wege – die Partnerschaftsurkunde unterschrieben worden, nachdem der Kreistag des Enzkreises sowie die Parlamente auf tansanischer Seite grünes Licht gegeben hatten. Nach der Aufteilung des Masasi-Distriktes im Jahre 2012 besteht die Partnerschaft auch mit der bis dato zum Kreis gehörenden Stadt Masasi.
Offizielle kommunale Partnerschaft
Angefangen hatte alles im November 2011, als Vertreter beider Seiten in Daressalam ein sogenanntes „Memorandum of Understanding“ der „Servicestelle für Kommune in der Einen Welt“ (kurz: SKEW) unterschrieben. Damals war der Enzkreis der einzige Landkreis, der zusammen mit acht Städten zur Pilotphase der Klimapartnerschaften gehörte. Nach Abschluss der Pilotphase wurde im Sommer 2013 – quasi als Richtschnur für die Partnerschaft - ein gemeinsames Handlungsprogramm erarbeitet, das seitdem fortgeschrieben und immer wieder erweitert wird.
Nachhaltige Projekte
Noch im selben Jahr konnten die ersten beiden geförderten Projekte in Angriff genommen werden: der Bau von vier kleinen Biogasanlagen in Masasi und die Errichtung einer Solarstromanlage auf dem Dach des Mkomaindo Hospitals. Nach dem erfolgreichen Abschluss dieser beiden Vorhaben wurde dann 2015 die nächste Projektphase eingeläutet: Auf Wunsch von Masasi wurden mit Bundesmitteln insgesamt 27 Gesundheitsstationen samt Nebengebäuden sowie zwei neu errichtete Health Centres mit insgesamt 76 kleinen Solarstromanlagen ausgestattet. Bei allen Projekten wurden auch Techniker zu Solartechnikern weitergebildet.
Zivilgesellschaftliche Aktivitäten neben kommunalen Projekten
„Neben diesen kommunalen Projekten entwickelten sich erfreulicherweise auch die zivilgesellschaftlichen Aktivitäten weiter“, berichtet Angela Gewiese. Sie arbeitet hauptberuflich bei der „Stabsstelle Klimaschutz und Kreisentwicklung“ beim Landratsamt Enzkreis; ehrenamtlich ist sie Vorsitzende des Partnerschaftsvereins „Marafiki wa Masasi“. Zu dessen treuen Unterstützern gehört die Sinfonietta Mühlacker – ein ehrenamtliches symphonisches Projektorchester unter der Leitung von Wolfhard Bickel. Bis zur Corona-Pandemie gab es regelmäßig ein bis zwei vom Lions Club Mühlacker unterstützte Benefizkonzerte im Enzkreis, deren Erlöse der Partnerschaft zugutekamen. Mit den Spenden konnten ein Toilettengebäude und ein Laborraum für Schulen finanziert oder die Renovierung eines Aufwachraums am Mkomaindo Hospital ermöglicht werden.
Unter der Regie des langjährigen „Kurators“ der Klinikpartnerschaft, Dr. Erhard Kirschbaum, sind seit 2018 auch Mittel für die Ausstattung des neuen OP-Traktes gesammelt worden; der Neubau soll bis Ende 2021 weitgehend fertiggestellt sein. Nach dem tragischen Tod von Dr. Kirschbaum im Sommer 2020 steht nun ein neues Ärzteteam bereit, die Klinikpartnerschaft fortzuführen. Corona-bedingt mussten bislang allerdings alle Schulungen des Klinikpersonals vor Ort abgesagt werden.
Austausch zwischen Schulen in Tansania und dem Enzkreis
Auch zwischen Schulen beider Seiten entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein reger Austausch, wie Gewiese berichtet: „So baute beispielsweise das Hilda-Gymnasium Pforzheim eine Schulpartnerschaft mit der Ndwika Secondary School in Masasi auf; seither fand schon zwei Mal ein Schüleraustausch statt.“ Auch die Hochschule Pforzheim habe sich mit dem internationalen Studiengang „Engineering and Management“ unter der Leitung von Prof. Dr. Ludwig Martin gewinnbringend in die Partnerschaft eingebracht, ebenso die Wilhelm-Ganzhorn-Schule in Straubenhardt sowie die Dr. Johannes-Faust-Realschule Knittlingen.
Projekte haben auch soziale Effekte
„Und das ist gut so, denn all unsere Projekte haben neben ökologischen immer auch soziale und bewusstseinsbildende Effekte“, wie die Erste Landesbeamtin des Enzkreises, Dr. Hilde Neidhardt, betont, in deren Dezernat auch die Stabsstelle für Klimaschutz und Kreisentwicklung angesiedelt ist. Überhaupt hat sich nach ihren Worten die Bildungsförderung im Laufe der Jahre zu einem weiteren wichtigen Standbein der Partnerschaft entwickelt. Ganz in diesem Sinne sei im vergangenen Jahr ein neues Projekt initiiert worden: Da die meisten Schulen in Masasi bisher über keinen Stromanschluss verfügen, sollen bald acht von ihnen mit Solartechnik ausgestattet werden. Außerdem erhalten zwei weitere Health Centres und das neue Distrikt Hospital Photovoltaik-Anlagen; bis 2023 soll in Masasi auch ein Umweltbildungszentrum entstehen.
Masasi Teil der umfangreichen Agenda 2030
„Wir betrachten die Zusammenarbeit mit Masasi als eine Erfolgsgeschichte und als Beispiel für moderne kommunale Entwicklungszusammenarbeit. Wir kooperieren auf Augenhöhe – und sind dankbar für die fachliche und finanzielle Unterstützung durch die SKEW“, so Rosenau, Neidhardt und Gewiese abschließend. „Jedenfalls soll die Klimapartnerschaft mit Masasi auch in Zukunft ein wichtiges Puzzle-Teil im Rahmen der umfangreichen Agenda 2030-Aktivitäten des Enzkreises bilden.“
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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