Silvester-Angriffe: Neue Diskussion um Gewalt gegen Polizei

Übergriffe an Silvester haben die Diskussion über zunehmende Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte erneut entfacht.

Stuttgart (dpa/lsw) Übergriffe an Silvester haben die Diskussion über zunehmende Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte erneut entfacht. "Gewalt gegen Polizei ist auch Gewalt gegen unsere Gesellschaft", sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Hans-Jürgen Kirstein, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Er brachte einen Entzug des Führerscheins ins Spiel, mit dem vor allem Ersttäter abgeschreckt werden könnten. "Es wäre durchaus mal ein Gedanke, den Führerschein wegen charakterlicher Mängel wegzunehmen", sagte er. "Wenn ich sehe, wie so mancher eine Geldstrafe locker abbezahlt, wäre so eine Maßnahme vielleicht deutlich schmerzhafter." 

"Zum Teil schwerwiegende Straftaten"

Justizminister Guido Wolf (CDU) bezeichnete die Vorfälle als absolut inakzeptabel. Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), nannte die bundesweiten Ausschreitungen, bei denen Beamte unter anderem in Stuttgart mit Böllern beworfen, verletzt und in Berlin sogar mit Schusswaffen bedroht worden waren, "zum Teil schwerwiegende Straftaten und keine Bagatelldelikte". Dass der Respekt gegen Einsatzkräfte abnehme, sei ein besorgniserregender gesamtgesellschaftlicher Trend. "Es ist beschämend und respektlos, Einsatzkräfte gezielt zu attackieren", fügte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sascha Binder, hinzu.

Beamte mit Böllern beworfen

Polizisten und Feuerwehrleute waren im Südwesten in der Silvesternacht vor allem in Stuttgart bei der Arbeit behindert und etwa mit Böllern beworfen worden. Zwölf Beamte wurden auf dem Stuttgarter Schlossplatz verletzt. Insgesamt seien 18 Personen vorläufig festgenommen worden, ein Großteil davon sei aber wieder auf freiem Fuß, sagte ein Sprecher der Stuttgarter Polizei. Auch in anderen Bundesländern gab es solche Vorfälle.

Mehr Richter und Staatsanwälte gefordert

Kusterer forderte auf Landesebene - zusätzlich zu den in Baden-Württemberg bereits zugesagten 1500 neuen Polizeistellen - weitere 2000 Stellen. Außerdem würden mehr Richter und Staatsanwälte benötigt: "Damit die Strafe auf dem Fuß folgt und nicht erst Monate später." Minister Wolf verwies dazu auf 67 allein im vergangenen Jahr neu eingestellte Richter und Staatsanwälte; weitere 91 seien im Doppelhaushalt 2018/19 bereits vorgesehen. "Damit sorgen wir dafür, dass die Justiz nicht zum Flaschenhals der Strafverfolgung wird", betonte Wolf.

"Konzepte der Polizei haben funktioniert"

Gleichzeitig verlangte Gewerkschafter Kirstein strengere Gerichtsurteile gegen Randalierer, die Beamte angreifen. "Wenn man einen Täter hat, dann sollte man natürlich als Konsequenz auch bei der Strafe mal nicht nur das Mindestmaß nehmen", sagte er dem Radiosender SWR Aktuell. Gemäß dem Paragrafen 114 ist "bei tätlichen Angriffen auf Vollstreckungsbeamte" eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren möglich.Ein Sprecher des Innenministeriums betonte jedoch, dass die Silvesternacht in Baden-Württemberg in der Gesamtschau ruhig verlaufen sei: "Die Konzepte der Polizei haben funktioniert". Allerdings sei die generelle Tendenz zu mehr Gewalt gegen Beamte weiter da; 2016 habe es einen neuen Höchststand gegeben. Hier wolle man gegensteuern: Etwa mit den Bodycams, für die extra das Polizeigesetz geändert worden war. Bis Jahresende sollten die regionalen Polizeipräsidien und -reviere mit einer ausreichenden Zahl dieser Kameras, die die Beamten am Körper tragen, ausgerüstet sein. Absolute Zahlen nannte der Sprecher nicht.

Immer weniger Zeugenmeldungen

Insgesamt habe die Gewalt in der Silvesternacht im Vergleich zu vorangegangenen Jahren im Südwesten nicht exorbitant zugenommen, sagte Kirstein. Abgenommen habe aber die Bereitschaft von Zuschauern, sich als Augenzeuge zu melden. "Wir brauchen mehr Zivilcourage", sagte er. "Für jeden Scheißdreck gibt es inzwischen ein Bild auf dem Handy. Da kann man doch auch mal einen Schwenk zu einem Täter machen, dann hat man den auch gleich mit drauf." Auch Kusterer forderte mehr Engagement der Bürger: "Zu helfen, sich zu melden, Wahrnehmungen weiterzugeben."

Autor:

Christian Schweizer aus Bretten

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