Schulen sollen Hochschulnetz „BelWü“ verlassen
Bedauern, aber keine Panik an Brettener Schulen

Die Digitalisierung der Schulen ist schon lange ein Thema, durch die Pandemie hat sie nun einen großen Sprung nach vorne gemacht. | Foto: Halfpoint - stock.adobe.com
  • Die Digitalisierung der Schulen ist schon lange ein Thema, durch die Pandemie hat sie nun einen großen Sprung nach vorne gemacht.
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Bretten (ger) Die Digitalisierung der Schulen ist schon lange ein Thema, durch die Pandemie hat sie nun einen großen Sprung nach vorne gemacht. Für Unruhe sorgte in diesem Zusammenhang allerdings eine Mitteilung der Landesregierung, dass die Schulen das Hochschulnetz des Landes, „BelWü“, verlassen sollen. „Baden-Württembergs extended LAN“, so der vollständige Name, ist das 1987 gegründete Datennetz der wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes. Es verbindet Universitäten und Hochschulen sowie sonstige wissenschaftliche und öffentliche Einrichtungen, zum Beispiel Bibliotheken und Schulen im Land miteinander. Corona hat auch dort für große Veränderungen gesorgt: Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 ist die Zahl der Schulen, die die Lernplattform Moodle über BelWü nutzen, von 1.000 auf über 5.000 angestiegen.

Bedauern, aber keine Panik

Fragt man in den Schulen in Bretten nach, ruft die Ankündigung zwar Bedauern, aber keine Panik hervor. Einerseits wurde inzwischen klargestellt, dass es Übergangsregelungen bis Februar 2023 gibt und dass die Mail- und Lernplattform-Dienste mittelfristig von einem anderen zentralen Dienstleister übernommen werden sollen. Auf der anderen Seite sind vor allem die weiterführenden Schulen daran gewöhnt, dass sie sich schon immer selbst um ihre IT kümmern. Wie viel Engagement und Innovationskraft seitens der Lehrerinnen und Lehrer dahintersteckt, ist in den vergangenen Monaten des Fernlernens deutlich zutage getreten.

"Unterm Strich macht man aber schon mehr"

Land und Schulträger teilen sich die Aufgaben an den Schulen. Bei der IT sieht das so aus, dass das Land die Personal-ressourcen zur Verfügung stellt, der Schulträger – in der Regel die Kommune – die Ausstattung. Das Personal sind die Lehrer, die als Netzwerkbetreuer je eine Anrechnungsstunde bekommen, die sie dafür weniger unterrichten müssen. Diese Regelung gilt seit 1998 und wurde seither nicht verändert. Genau beziffern kann Thomas Frank, der an der Max-Planck-Realschule (MPR) in Bretten zusammen mit einem Kollegen als Netzwerkbetreuer fungiert, sein Arbeitsaufkommen nicht. „An manchen Wochen ist es wenig, an manchen kommt alles auf einmal. Unterm Strich macht man aber schon mehr“, sagt der Lehrer für Mathematik, Biologie und Informatik. Am Melanchthon-Gymnasium Bretten (MGB) fungieren die Abteilungsleiter Michael Oehmig und Stefan Senft als Netzwerkbetreuer. Sie koordinieren die Aufgaben und haben sich noch ein Team von acht Kollegen ins Boot geholt, die sich um die Tablets, die Lernplattform Moodle oder die Lehrercloud kümmern. Aber: „Es ist immer mehr zu tun, als man schaffen kann“, sagt Senft.

"Pädagogische Musterlösung"

An der MPR wird BelWü nur für das Verwaltungsnetz genutzt, für alles andere greift die Schule auf „paedML“ („pädagogische Musterlösung“) zurück, eine speziell für die Anforderungen von Schulen in Baden-Württemberg entwickelte Netzwerklösung. Der Online-Unterricht lief während des Homeschoolings über Microsoft Teams. Aus datenschutzrechtlichen Gründen hat das Kultusministerium jedoch veranlasst, dass Schulen dieses Tool nicht mehr nutzen sollen. „Wir müssen jetzt nach einer gleichwertigen Alternative suchen, was schade ist, da es mit Teams gut funktioniert hat“, so Thomas Frank.

Beim Datennetz ist alles technisch durchdacht

Im Datenschutz sieht Stefan Senft, der Biologie und Chemie unterrichtet, eine große Wichtigkeit, gerade im Hinblick auf Schüler: „IT muss mit Geld bezahlt werden und nicht mit Nutzerrechten.“ Gerade kümmere man sich am MGB um eine datenschutzrechtlich konforme Schulcloud, die die größere Datenmenge bewältigen kann. Senft würde es auch begrüßen, wenn BelWü weiter für die Schulen zur Verfügung stünde, denn „die wissen, wie Schule läuft.“ Im ersten Lockdown hatte BelWü für einige tausend Schulen die Plattform Moodle, über die Schüler und Lehrer Dateien austauschen können, innerhalb kürzester Zeit bereitgestellt. „Bei dem Datennetz ist alles technisch durchdacht und es ist fraglich, ob man eine ähnlich gute Unterstützung findet für das Geld, das BelWü kostet“, so Senft.
Oehmig, Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik, verweist darauf, dass das Land mit einem einheitlichen Programm für Verwaltung und Planung an Schulen (ASV-BW) eine sehr gute Lösung vorgelegt habe: „Das haben wir seit zwei oder drei Jahren im Einsatz und es wird immer besser.“ Mehrere Programme seien darin miteinander verbunden, wodurch Schnittstellen wegfallen würden. Zum Beispiel könnten Lehrer Noten von zu Hause eintragen, und die Schulstatistik mit Schülerdaten, die an das Land übermittelt werden müssten, könne per Knopfdruck übermittelt werden. Außerdem sei dort die Datensicherheit durch das Land gewährleistet. Für den pädagogischen Bereich wäre es begrüßenswert, auch solch eine Lösung zu finden.

"Wir sind schließlich Lehrer und nicht als IT-Fachleute"

An Schnittstellen kann es vorkommen, dass Zuständigkeiten nicht klar sind. Inzwischen hat der Schulträger mobile Geräte für Schüler und Lehrer angeschafft. Die müssen eingerichtet und gewartet werden, was wiederum an den Lehrern hängen bleibt. Wünschen sich die Schulen daher einen Schul-Admin, der sich nicht nur nebenher um die IT kümmert? Thomas Frank bejaht: „Wir sind schließlich Lehrer und nicht als IT-Fachleute ausgebildet. Vom Kultusministerium wird so viel vorgegeben, mit dem Schulträger und Schulen zu kämpfen haben.“ Senft und Oehmig würden einen hauptberuflichen Schul-Admin auch begrüßen, ihrer Ansicht nach könnte einer für alle Brettener Schulen genügen. „Gerade die Grundschulen brauchen Fachleute für Administration und auch für die Bedienung der Geräte.“ Bisher haben die großen Schulen jede einen eigenen externen Dienstleister, der sich zum Beispiel um Serverprobleme kümmert. Ausgewählt wird der vom Schulträger, im besten Fall in Abstimmung mit der Schule.

Digitaler Schub durch die Krise

Den digitalen Schub durch die Krise begrüßen die Lehrkräfte allesamt. „Die Pandemie hat dazu geführt, dass das, wovon man vorher gedacht hat, dass man es angehen muss, jetzt wirklich gemacht wurde“, sagt Senft. Thomas Frank sieht darin ebenfalls eine große Chance: „Auch mit Technik kann man guten Unterricht machen.“

Autor:

Katrin Gerweck aus Bretten

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