Vor 100 Jahren hingen die Plätzchen am selbstgefällten Weihnachtsbaum
Das 104. Weihnachtsfest

Bretten (bea) Wie ein Weihnachtsfest vor 100 Jahren aussah, weiß kaum noch jemand aus eigener Erfahrung. Doch der in Bretten lebende Karl Ebert wird Mitte Januar 104 Jahre alt und erlebt somit in diesem Jahr sein 104. Weihnachtsfest. Wie sich die Feste in den vergangenen 100 Jahren verändert haben, wollte unsere Brettener Woche/kraichgau.news Redakteurin Beatrix Drescher von ihm und seinem Sohn Franz Ebert wissen.

"Das Christkind kommt heute Nacht"

"Früher hieß es, das Christkind kommt heute Nacht", sagt Karl Ebert. Am Weihnachtsabend sei die ganze Familie im Wohnzimmer zusammengekommen und habe gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. Anschließend sei das Christkind gekommen, und wenn nicht, habe es geheißen: es hat wohl Verspätung. Zu dieser Zeit habe es jedoch nur wenige Geschenke für die Kinder gegeben. Lediglich, wenn etwas dringend gebraucht wurde, wie beispielsweise Unterwäsche, habe etwas unter dem Weihnachtsbaum gelegen. "Spielzeug war unnötiger Kram", sagt der inzwischen 103-Jährige.

Weihnachtsbaum wurde selbst geschlagen

Dafür wurde in jedem Jahr ein schöner, großer Weihnachtsbaum im Wohnzimmer aufgestellt, der bis zur Decke reichte. "Damals war es üblich, dass sich jeder selbst einen Baum aus dem Gemeinschaftswald holt." Beim Schmücken des Weihnachtsbaums durfte er mit seinen sechs Geschwistern helfen. Anschließend bewunderten alle den Weihnachtsbaum mit Kerzen, Kugeln und Lametta. Ein besonderer Hingucker war dabei das am Weihnachtsbaum aufgehängte, bunt gemischte Gebäck, das unter den Kindern heiß begehrt war. "Wir haben immer geguckt, was runterfällt und auch mal nachgeholfen, bis alles weggenascht war." So hat jeder seine Portion vom Weihnachtsgebäck erhalten.

Um sechs Uhr begann die Christmette

An Weihnachten, so erinnert sich Ebert, habe man um den Tisch herum gesessen und gespielt. Auch ein schönes Essen habe es immer gegeben. Da es ganz früher lediglich Petroleumlampen im Haus der Eberts gegeben hat, ging die Familie auch am Weihnachtsabend ziemlich früh ins Bett, berichtet Ebert. Geschlafen haben die Kinder unter dem Dach, denn unten gab es nur die gute Stube, die Küche und ein weiteres Zimmer. Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages hieß es wieder früh aufstehen, denn die Christmette in der Kirche begann bereits um sechs Uhr morgens. Und zuvor musste die Familie noch in den ein Kilometer entfernten Nachbarort laufen. „Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir nasse Füße wegen den Pfützen gehabt haben, bis wir zur Kirche und später auch wieder zurück kamen“, sagt der heutige Senior.

In Kriegsgefangenschaft fiel Weihnachten aus

Im Sommer 1938 kam Karl Ebert zuerst zum Arbeitsdienst, dann in den Krieg. An Weihnachten, so erinnert er sich, ist er mit seinen Kameraden in einem größeren Raum zusammengekommen. „Doch meistens war gar nichts los.“ Es gab keinen Weihnachtsbaum, doch ein paar Lieder haben sie gemeinsam, fern der Heimat und ihrer Familien, gesungen. Dabei kam auch bei ihm kurzzeitig etwas festliche Stimmung auf. Während seiner dreijährigen Kriegsgefangenschaft in der Ukraine fiel für ihn und seine Kameraden Weihnachten hingegen schlichtweg aus. „Bis 1948 hat meine Familie noch nicht einmal gewusst, dass ich noch lebe.“ Doch nachdem Ebert zurückgekehrt war, wurde im Kreis der Familie wieder Weihnachten gefeiert. Die Tradition an Weihnachten sei ihm immer wichtig gewesen, sagt Franz Ebert, auch als er in Bretten seine eigene Familie gegründet hatte.

Diabetrachter und Spielzeugeisenbahn

Zu dieser Zeit gab es für Sohn Franz Ebert und seine drei Geschwister zu Weihnachten sowohl Nützliches, als auch einige der von ihnen auf Wunschlisten aufgeführten Geschenke, sprich: Spielzeug. Darunter waren ein Diabetrachter und eine Spielzeugeisenbahn, die er gemeinsam mit seinem Bruder geschenkt bekam, erinnert sich der Lehrer. Doch auch zu dieser Zeit blieb Karl Ebert einer geliebten Tradition treu: zum Einstieg in die „schöne, feierliche Stimmung“ wurden vor der Bescherung gemeinsam Weihnachtslieder gesungen.

Heute gibts echte Bienenwachskerzen am Baum

Auch heute noch gibt es im Hause Ebert einen echten, inzwischen jedoch selbstgekauften, Weihnachtsbaum, sagt Franz Ebert. Dieser sei allerdings seit 20 Jahren mit schlichten, roten Kugeln und Strohsternen geschmückt und auch nicht mehr so groß wie früher, denn er passe auf den im Raum stehenden Tisch. Und obwohl mittlerweile kein Weihnachtsgebäck mehr am Baum hänge, verbreiteten die dort befestigten, echten Bienenwachskerzen einen angenehmen Duft im Raum. Früher habe seine Mutter einen besonders großen Sonntagsbraten gekocht, sagt Franz Ebert, doch heute gebe es am Weihnachtstag traditionell Kartoffelsalat mit Würstchen. Auch komme seine Schwester am Heiligabend mit ihren Kindern zu Besuch. Und dann singen alle, wie in jedem Jahr, wieder gemeinsam die allseits bekannten Weihnachtslieder.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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