Enkelin besucht Heimatort des jüdischen Großvaters
Hermann Durlacher ist eine Ausstellung im Torwächterhaus Münzesheim gewidmet
Kraichtal (sn). An die Geschichte und Kultur der Juden in unserer Region erinnert aktuell die Veranstaltungsreihe „Jüdische Wochen in Kraichtal“, die der Heimat- und Museumsverein Kraichtal gemeinsam mit dem Verein Jüdisches Leben Kraichgau initiiert hat. Den Bogen spannt eine Ausstellung im Torwächterhaus Münzesheim. „Hermann Durlacher – das Schicksal
eines Münzesheimer Juden“ – diese Überschrift trägt eine von vielen aktuell im Torwächterhaus zu sehenden Texttafeln anlässlich der dort am Sonntag, 8. Mai, offiziell eröffneten „Jüdischen Wochen“. Die Wanderausstellung mit dem Titel „Dem Vergessen entrissen“ gibt Einblicke in Themen wie „Frühe Ansiedlungen“, „Jüdische Schulen“, „Speisevorschriften“ oder „Pogrom und Deportation“, ergänzt durch Informationen zu den früheren jüdischen Gemeinden in Kraichtal.
Empfang im Kraichtaler Stadtteil Münzesheim
Eine ganz besondere Besucherin kam am Dienstag, 10. Mai, aus Birmingham (England) ins beschauliche Münzesheim angereist: Suzie Mould ist die Enkelin des 1893 in Münzesheim geborenen Juden Hermann Durlacher. Nach einer offiziellen Begrüßung durch Bürgermeister-Stellvertreter Alfred Richter im Restaurant „Bella Italia“ - nur wenige Gehminuten entfernt vom Torwächterhaus - nahmen die Münzesheimerin Roswitha Müller (Heimat- und Museumsverein Kraichtal), Pfarrer Horst Nasarek und Bernard Zimmermann (Vortrag „Jüdisches Leben in zwei Generationen am 7. Juni in Münzesheim) ihren Gast mit auf eine Reise durch das Fachwerkdorf – inklusive Besichtigung der beiden Häuser, die früher den Familien Durlacher gehört haben -, bevor man schließlich gemeinsam einen Blick in die Ausstellung im Torwächterhaus warf. Die Verbundenheit Kraichtals zur jüdischen Geschichte beschrieb Roswitha Müller wie folgt „Zu Beginn den 20. Jahrhunderts gab es in Menzingen und Münzesheim große jüdische Gemeinden sowie in Oberöwisheim einen Verbandsfriedhof für die umliegenden Ort.“ Mit vielen beeindruckenden Begegnungen und Erlebnissen „im Gepäck“ trat Suzie Mould gemeinsam mit ihren Ehemann wieder die Heimreise an.
Die Lebensgeschichte eines Münzesheimer Juden
Nach Abschluss der Schule studierte Hermann Durlacher am Lehrerseminar Heidelberg und war hier seit 1912 als Lehrer tätig. Im 1. Weltkrieg wurde er als Frontsoldat eingesetzt und 1918 als Unterleutnant der Reserve entlassen. Er leitete die Heidelberger Sektion des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten, dessen Ziel es vor allem war, die Verbundenheit der Juden mit ihrer deutschen Heimat zu demonstrieren. Nach dem Krieg war Hermann Durlacher Lehrer an der damaligen „Hindenburgschule“ in der Heidelberger Plöck. 1923 heiratete er Marta Fischer. Dem Ehepaar wurden die beiden Söhne Walter Julius und Ludwig geboren. Die Familie lebte in der Heidelberger Altstadt. Nach der Machtergreifung durch die NSDAP 1933 wird Durlacher vom Schuldienst beurlaubt, unterrichtete jedoch weiterhin die jüdischen Schüler an der Pestalozzischule Heidelberg. Während der Pogromnacht am 9./10. November 1938 wird das Klassenzimmer von der SA zerstört, Schüler und Lehrer dürfen nicht in die Schule zurückkehren. Durlacher wird festgenommen und am Abend ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Als er am 10. Januar 1939 zurückkehrt, nimmt er den Unterricht in einem Privathaus wieder auf. Während die beiden Söhne mit einem Kindertransport 1939 nach England gelangen, werden Marta und Hermann Durlacher im Oktober 1940 verschleppt, voneinander getrennt und später in Auschwitz ermordet.
Veranstaltungstipps
Diese und weitere berührende (Lebens-)„Geschichten“ erfahren Interessierte beim Besuch der Ausstellung im Münzesheimer Torwächterhaus, geöffnet bis 17. Juli, jeweils sonntags von 14 bis 17 Uhr; für Gruppen und Schulklassen sind Führungen nach Vereinbarung möglich. Alle weiteren Termine (Ausstellungen, Vorträge, Wanderungen und Klezmer-Konzert) finden Sie unter www.kraichtal.de Kultur und Tourismus Veranstaltungen
Autor:Gabriele Meyer aus Bretten |
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