Kammerchor Maulbronn konzertierte in Bretten
Kontrastvolle Klangkonstellationen und kosmische Abenteuer
Bretten (Bernd Neuschl) Was für ein beglückender Konzertabend. Der Maulbronner Kammerchor gastierte in der Brettener Stiftskirche und Bezirkskantorin Bärbel Tschochohei zeigte sich hoch erfreut, dass viele musikliebende Menschen dem Gotteshaus ihre erwartungsvolle Aufwartung gemacht hatten.
Sternstunde der Chormusik
Nun mag es plump wirken, wenn für die erlebten Höreindrücke abgedroschene Phrasen bemüht werden, aber was das vitale Vokalensemble unter der Leitung von Benjamin Hartmann darbot, war wahrlich eine Sternstunde der Chormusik. Hartmann, der auch als charmanter Conférencier die Zuhörer durch den Abend geleitete, überzeugte mit einer exzellenten Werkauswahl in einem dramaturgisch klug gesetzten Programm.
Verschiedene Blickwinkel auf das Thema "Sterne"
Dem Thema „Sterne“ nährte sich die famose Vokalformation epochenübergreifend aus verschiedenen Blickwinkeln. Da gerät Rheinbergers „Morgenlied“ unter dem herrlich federnden Dirigat Hartmanns nicht zögerlich aufknospend, sondern zärtlich aufblühend. Der Sonnengesang „Cantico della creature“ von Petr Eben bot dem Chor reichlich Gelegenheit, auch in zeitgenössischen Gefilden sein technisches Raffinement unter Beweis zu stellen. Dabei gossen pulsierende Repetitionen ein tragfähiges Fundament für harmonisch komplexe Klangkonstellationen voller wohltönender Kontraste.
Souveräne Akkuratesse
Geradezu programmatisch geriet Rautavaaras „Suite de Lorca“, bei der die Choristen das vertikale Klangspektrum von glühenden Klanggipfeln bis in ertragreiche Tiefen mühelos auskosteten, ehe es zum sonoren Schluss gar rassig-temperamentvoll wurde. Bei Albert Beckers „Ich hebe meine Augen auf“ scheint der warme Klang die bewegten Zuhörer umarmen zu wollen. Benjamin Hartmann sucht stets das Klangideal, findet und formt es. Da leuchten Schlussakkorde nicht nur intonatorisch rein, sondern oszillieren obertonreich. Neue Musik kann zur plumpen Persiflage ihrer selbst werden, wenn nicht überzeugt und damit überzeugend agiert wird. Die Maulbronner aber meisterten neue Töne und fremde Klänge durchweg mit souveräner Akkuratesse.
"Musik ist nicht Politik. Was bin ich froh"
Chor und Publikum blieben tapfer. Mit Frances-Hoads „Beyond the Night Sky“ wurde das Publikum in kosmische Klangabenteuer katapultiert. Sehr inspirierend der Ansatz, exorbitante Themen im Dialog aus theologischer und wissenschaftlicher Perspektive heraus musikalisch auszuleuchten. Kultur ist nur dann bedeutsam, wenn sie auch einen kritischen Kontext zu der Zeit herstellt, in der sie geschaffen wird. Dieser Verantwortung stellen sich die Maulbronner. „Musik ist nicht Politik. Was bin ich froh.“ Mit diesen weisen Worten kündigte Benjamin Hartmann die folgenden Werke an.
Musik aus Russland und der Ukraine
Musik aus Russland und der Ukraine. Rachmanninoffs „Bogoroditse Devo“ zum Niederknien schön, dem gegenüber ein hoffnungsvolles Werk von der wegen des Angriffskrieges tragisch verstorbenen ukrainischen Komponistin Hanna Haweylez. Dazwischen als verknüpfendes Element Elgars himmlisch aufbrechendes „Lux Aeterna“. Balsam für die Seele. Wenn Musik die Herzen berührt, dann ist das Verbindende größer als das Trennende. Die polyphonen Verästelungen in Arvo Pärts cleveren, da geradezu harmonisch hypnotischen Stammbaum-Vertonung „Which was the Son of…“ gerieten nie eintönig, sondern fesselten vom ersten bis zum letzten Takt.
Kontrastvolle Klangvegetationen
Max Regers „Sternlein“ leuchtete mit zarter Reinheit auf. Selbst Schlichtes klingt aus den Maulbronner Mündern großartig. Das war alles wundervoll phrasiert und dynamisch fein abschattiert. György Ligetis kompromisslose Gedichtvertonungen „Éjszaka“ und „Reggel“ machten die Nacht zum Tage. Mit artistischer Akribie durchpflügte der Chor kontrastvolle Klangvegetationen. Zum fulminanten Fine ein wuchtiger Quintakkord im vierfach-Forte. Gleißendes Morgenlicht im Gotteshaus. Bezaubernd schön am Ende Ēriks Ešenvalds „Stars“. Sphärisch flirrend, kristallin schwingend, ehe mit Eric Whitacres „Lux Aurumque“ als großartige Zugabe ein wahrhaft goldener Schlusspunkt gesetzt wurde. Stehende Ovationen.
Autor:Kraichgau News aus Bretten |
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