Tanzschulen, Kosmetikinstitute und Ballettschulen in der Region leiden unter dem Lockdown
„Viele werden die Zeit nicht überleben“

Foto: WavebreakMediaMicro - stock.adobe.com
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Bretten (bea/hk/ger) Kein Licht, keine Musik, keine Tänzer – die Tanzsäle von Sven Wipper von der gleichnamigen Tanzschule sind komplett verwaist. Wipper spricht von einem regelrechten "Berufsverbot". Denn niemand darf mehr in seiner Tanzstunde erscheinen, lediglich im Internet können sich die Gäste der Tanzschule Wipper weiterbilden. Wöchentlich werden drei Figuren freigeschaltet, sagt der Geschäftsführer. Neu ist diese Art des Angebots für ihn jedoch nicht. Bereits seit mehreren Jahren hat jeder Tanzschüler einen Zugang zum internen „Mein Wipper Community“-Onlineportal. Darin finden fortgeschrittene Tanzschüler auch entsprechende Musikvorschläge.

Investitionen in Luftfilter für weiteren Betrieb

Nach dem zweiten Lockdown will Wipper dort auch wieder Tanzkurse live übertragen, um seinen Gästen mit Ängsten vor einer Ansteckung einen Service zu bieten. Zudem hat Wipper vor dem zweiten Lockdown ordentlich investiert, um während der Corona-Pandemie seinen Betrieb weiterlaufen zu lassen: In seiner Tanzschule in Bruchsal gibt es eine Lüftungsanlage, in Bretten hat er Luftfilter einbauen lassen. Wipper ist davon überzeugt, dass diese auch ihre Funktion erfüllen. Denn zu ihm seien bereits, wie im Nachhinein festgestellt wurde, mit dem Coronavirus infizierte Besucher gekommen und hätten dank des Lüftungssystems, des Hygienekonzepts und des Abstands niemanden angesteckt. Doch ohne Einkünfte muss auch er von seinen Reserven leben, die er eigentlich anderweitig investieren wollte. Ob es für ihn eine Unterstützung von staatlicher Seite gebe, bleibe abzuwarten, allerdings würden die angekündigten 75 Prozent nicht seine Kosten decken.

Weiterbildung während des Lockdowns fokussiert

Auch im Institut für Ästhetische Kosmetik von Bianca Walz bleiben derzeit wieder die Lichter aus. Zum zweiten Mal in diesem Jahr. Doch Walz bleibt gelassen. Während ihre finanziellen Rücklagen noch ausreichen, macht sie sich Gedanken um ihre Kolleginnen. „Viele werden die Zeit nicht überleben“, sagt Walz. Immerhin müssten Miete, Kranken- und weitere Versicherungen für Selbstständige weiterhin bezahlt werden. Sie selbst nutze die Zeit, die sie durch den Lockdown erhalten habe, um sich ins Lernen zu stürzen, sagt sie. Derzeit bildet sich Walz zur Heilpraktikerin weiter. So habe Corona für sie trotz Allem etwas Gutes bewirkt, sagt Walz. Für die Beschränkungen der sozialen Kontakte und der damit verbundenen Schließung ihres Betriebs zeigt die Geschäftsfrau Verständnis: „Zu uns kommen viele Menschen, die zur Risikogruppe gehören“, sagt Walz. Die Zahlen der neu an Covid-19 Infizierten würden über den Winter hoch bleiben, lautet ihre Einschätzung. Die Kosmetikerin geht davon aus, dass sie ihr Institut frühestens ab März wieder öffnen kann.

„Ungerecht, willkürlich und lobbyistisch“

Dass seit 16. November die Ballettschulen nicht unterrichten dürfen, sehr wohl aber die Musik- und Kunstschulen, die oftmals auch Tanz anbieten – für Bettina Forkel von der Ballettschule Bretten sei das ein „harter Schlag“. „Ich bin für die Eindämmung der Pandemie, aber diese Entscheidung empfinde ich als ungerecht, willkürlich und lobbyistisch“, erklärt die Leiterin der Ballettschule im Gespräch mit der Brettener Woche/kraichgau.news. Zwar seien Ballettschulen vom Regierungspräsidium auch als Bildungseinrichtungen eingestuft worden. Wenn man sich jedoch mit einer Beschwerde an die Behörden wende, höre man von dort, dass Musikschulen für die musisch-ästhetische Bildung wichtig seien. „Dabei kommen ja aber die gleichen Kinder auch in die Ballettschulen. Mir würde es bessergehen, wenn diese Verzerrung von Wertigkeit nicht da wäre“, betont Forkel, die in ihrer Ballettschule einen hohen pädagogischen Anspruch anstrebe. Wegen der aktuellen Verordnung stehe die Ballettschulen-Welt Kopf, denn: „Es gibt ja auch Schülerinnen und Schüler, bei denen eine Prüfung ansteht. Und es gibt Kinder, für die der Tanz unglaublich wichtig ist, die Tänzer werden wollen“, so Forkel.

„Hatte gehofft, dass die Corona-Verordnung endlich Klarheit schafft“

Betroffen ist auch Nadine Elskamp mit ihrer gleichnamigen Ballettschule in Oberderdingen. Laut aktueller Verordnung dürfe zwar jede – auch freie und private – Musikschule, Kunst- oder Jugendkunstschule Ballett unterrichten. Ihre Ballettschule soll aber geschlossen bleiben, obwohl ihr das Regierungspräsidium Karlsruhe seit 2014 fortlaufend bescheinigt habe, dass sie als freie Unterrichtseinrichtung „unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen“ erbringe. Dieser Widerspruch stimmt die Ballettlehrerin „traurig“: „Ich hatte gehofft, dass die Corona-Verordnung endlich Klarheit schafft.“ Umso enttäuschter sei sie über das Ergebnis gewesen. Nun versuche sie stark zu bleiben – zumindest für ihre Schüler. In ihrer Ballettschule ermöglicht sie diesen an einer Prüfung der Londoner „Royal Academy of Dance“ teilzunehmen. Wenn Elskamp ihre Ballettschule demnächst nicht wieder öffnen kann, muss sie vermutlich die Teilnahme im Frühjahr absagen und ihre Schüler auf die Prüfungen im Sommer vertrösten. Deshalb will sie weiter für die Öffnung ihrer Ballettschule kämpfen, damit sie bald wieder gemeinsam in der Ballettschule trainieren können. "Uns Tanzschulen geht es nur darum, dass wir unsere Türen öffnen dürfen – und dass wir uneingeschränkt als Bildungsrichtung angesehen werden", betont Elskamp.

Autor:

Beatrix Drescher aus Bretten

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