Nicht eichrechtskonform
Bauernhof Müller muss Betrieb des Milchautomaten einstellen
Bretten (kuna) Frische Milch direkt vom Hof: Das gibt es beim Bauernhof Müller in Bretten schon seit 2010. Wie bei vielen Direktvermarktern in der Region können sich die Kundinnen und Kunden an einem Automaten die frische Rohmilch selbst abholen und das rund um die Uhr, zu jeder Tageszeit. Doch der Milchautomat der Familie Müller wird in absehbarer Zeit seinen Betrieb einstellen. Das hat laut Sabine Müller rein bürokratische Gründe. Denn der Automat könne keinen Bon ausgeben.
Einen Bon fürs Milchabholen?
Ende November habe der Bauernhof im Rahmen einer Routinekontrolle einen Besuch vom Eichamt Karlsruhe bekommen, holt sie aus. Dabei habe die Behörde, die zum Regierungspräsidium Tübingen gehört, dem Betrieb eine Frist bis Ende Januar 2024 gesetzt. „Da der Automat keinen Bon ausgeben kann, müssen wir ihn entweder aufrüsten lassen oder einen neuen anschaffen“, erklärt Müller. Einen Bon fürs Milchabholen? Das hätten die Kunden in all der langen Zeit noch nie verlangt, meint sie mit einem Kopfschütteln.
Eichamt handelt im Sinne des Verbraucherschutzes
Das Eichamt erklärt die Lage wie folgt: Da die Milchabgabeautomaten im geschäftlichen Verkehr eingesetzt werden, unterliegen sie den Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes und der europäischen Richtlinie 2014/32/EU (MID). Bei der Abgabe von Milch werde deren Volumen gemessen und dem Käufer entsprechend in Rechnung gestellt. „Mit der Einhaltung dieser Anforderungen und einer messtechnischen Prüfung wird im Sinne des Verbraucherschutzes generell sichergestellt, dass der Kunde die Menge erhält, für die er bezahlt“, so das Eichamt. Der Behörde würden in diesem Zusammenhang auch Verbraucherbeschwerden in Bezug auf Minderabgaben vorliegen.
Bauernhof will Milchkuhbetrieb in den nächsten Jahren einstellen
Die rechtlichen Anforderungen an den Automaten, die ab dem neuen Jahr gelten, waren der Familie Müller wohl bewusst. „Wir haben es auf uns zukommen lassen“, schildert die Landwirtin. Weiterhin erklärt die 63-Jährige: „Unseren Milchkuhbetrieb werden wir sowieso nur noch zwei bis drei Jahre weiterführen. Irgendwann wollen wir ja auch sowas wie Rente machen.“ Während die Tochter in Zukunft die Felderwirtschaft übernehmen soll, werde es in einigen Jahren generell keine Milch mehr von dem Bauernhof geben. Auch aufgrund dieser Situation hätte sie sich vonseiten der Behörde mehr Kulanz gewünscht, meint Müller.
Kühe werden vier- bis fünfmal am Tag gemolken
Rund 50 Kühe werden auf dem Bauernhof in den Salzhofen derzeit gemolken. Daneben beherbergt die Familie mehrere trächtige Tiere und fünf Jungkühe, die von ihren Muttertieren getrennt aufwachsen und mit Milchpulver aufgezogen werden. „Eine Kuh gibt über den Tag verteilt 30 bis 40 Liter Milch“, erklärt Müller. Vier- bis fünfmal am Tag werden sie gemolken. Dafür gibt es eine vollautomatische Melkvorrichtung im Stall, die rund um die Uhr von den Kühen aufgesucht werden kann.
Automat gibt beliebige Mengen Rohmilch aus
Der Großteil der Milch wird anschließend zur Weiterverarbeitung nach Heilbronn gebracht, nur ein kleiner Teil davon landet im Automaten und kann dort in beliebigen Mengen abgezapft werden. „Die Abgabe geht ab fünf Cent los“, so Müller, „man kann prinzipiell seine Tasse drunterstellen, wenn man einen Schuss Milch für seinen Kaffee möchte. Für einen Euro gibt es einen Liter.“
Übergangsfrist seit 2017
Dass die Familie Müller ihren Automaten nun schließen muss, hat laut Eichamt folgenden Hintergrund: Demnach habe es in der Anfangszeit der Milchautomaten viele Geräte gegeben, die nicht eichfähig und ohne Baumusterprüfbescheinigung zum Einsatz gekommen sind. Um den Höfen entgegenzukommen, habe es 2017 eine Ausnahmeregelung in der Mess- und Eichverordnung und eine entsprechende Frist zur Nachrüstung gegeben. Nach dieser Regelung waren Milchautomaten unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 2023 von der Eichpflicht ausgenommen. „Diese Übergangsfrist sowie deren Ablauf wurden seit 2017 durch uns kontinuierlich gegenüber den Herstellern dieser Geräte, den Verbänden und den Verwendern kommuniziert", schreibt das Eichamt.
Papierausdruck nicht zwingend notwendig
Eine Bonpflicht in dem Sinne, dass bei jedem Messvorgang ein Papierausdruck erzeugt werden muss, bestehe dagegen nicht. Die Behörde spricht, etwas verklausuliert ausgedrückt, von einer Pflicht, "dass bei Nutzung eines Messgerätes von nur einer Partie ohne Wiederholbarkeit der Messung auf Anfrage ein dauerhafter Nachweis durch das Messgerät erstellt werden muss." Dies könne durch einen Bon, durch eine prüfbare Messwertsignatur oder mittels einer Datencloud beziehungsweise einem Speicher im geeichten Bereich erfüllt werden.
14.000 bis 15.000 Euro für neuen Automaten
„Wenn wir jünger wären, gäbe es da keine Diskussion. Dann würden wir einen neuen Automaten kaufen“, meint Sabine Müller. Aber jetzt, da der Ruhestand in greifbarer Nähe ist, will die Familie in diesem Bereich keine Investitionen mehr tätigen. 14.000 bis 15.000 Euro würde ein neuer Automat kosten, schätzt Müller. Auch eine Nachrüstung dürfte mehrere tausend Euro betragen.
Keine Kulanz seitens Behörde
Auf die gehoffte Kulanz vonseiten des Eichamtes dürfen sie jedenfalls nicht hoffen. Das begründet die Behörde mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Landwirten, die ihre Automaten eichrechtskonform betreiben. Sollten sie das Gerät entgegen der Vorschriften dennoch weiterbetreiben, handle es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden könne, erklärt das Eichamt. Wie hoch das Bußgeld ist, hänge dabei vom Einzelfall ab und könne nicht pauschal beantwortet werden.
Autor:Kathrin Kuna aus Bretten |
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