Starker Zusammenhalt bei den Angestellten der Pflegedienste in der Region
„Die Sorge vor der Vereinsamung ist da“
Bretten/Gondelsheim (hk) Die ambulanten Pflegedienste der Region halten auch während der Corona-Krise ihre Leistungen für pflegebedürftige Menschen aufrecht. Trotz ungewöhnlicher Umstände müssen sie ihrer Arbeit nachgehen: Sie verabreichen Arzneimittel, messen den Blutdruck, spritzen Insulin, helfen bei der Körperpflege sowie bei der Nahrungsaufnahme und versorgen Wunden. Was hat sich seit dem Ausbruch der Pandemie bei den Pflegediensten verändert und wie gelingt ihnen die doch sehr persönliche Arbeit, wenn eigentlich Abstand das Gebot der Stunde ist?
Notfallplan in der Schublade
Stefan Schorpp hat zwar erst 2018 den Pflegedienst Phönix mit Sitz in Gondelsheim ins Leben gerufen, einen innerbetrieblichen „Katastrophenplan“ hat er dennoch auf Lager. „Das ist aber nur der Spitzname“, sagt er mit einem Lachen. Der Plan setze fest, wann wie reagiert werde. Auch Armin Schulz, Inhaber und Pflegedienstleiter des gleichnamigen Pflegedienstes aus Bretten, hat einen Notfallplan für den ambulanten Dienst in der Schublade. Dieser legt fest, welche Patienten priorisiert behandelt werden müssen. Vorrang haben etwa Patienten, bei denen ein Verband gewechselt werden muss oder bettlägerige Patienten, die umgedreht werden müssen.
Einige Leistungen in der ambulanten Pflege eingestellt
Einige Maßnahmen mussten aber schon ergriffen werden. Der Pflegedienst Phönix hat innerhalb des Betriebs das kommunikative Verhalten umgestellt: Es gibt keine Team-Sitzungen mehr und der persönliche Austausch findet höchstens zwischen zwei Mitarbeitern statt. Der Pflegedienst Schulz hat den Betrieb seiner Tagespflege mindestens bis zum 15. Juni 2020 sowie einige Leistungen in der ambulanten Pflege eingestellt.
Gemeinschaftsgefühl zwischen Menschen
Gerade in Zeiten von Krisen entwickelt sich oft ein starkes Gemeinschaftsgefühl zwischen Menschen. Stefan Schorpp kann das auch in seinem Betrieb beobachten: „Der Zusammenhalt trägt hier im Moment einiges“. Auch Pflegedienstleiter Schulz weiß seine motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schätzen und kann deren Ängste gut nachvollziehen, wenn zum Beispiel der Partner von Kurzarbeit betroffen ist. Gleichzeitig bereiten ihm auch seine Patienten große Sorgen, die mit Ängsten zu kämpfen hätten und verunsichert seien. Viele Pflegebedürftige sind aufgrund ihres hohen Alters oder durch Vorerkrankungen sowieso schon isoliert. „Die meisten haben tatsächlich Angst, dass wir auch nicht mehr kommen“, weiß Schulz, dessen Mitarbeiter manchmal die einzigen Kontakte der Patienten sind. „Die Sorge vor der Vereinsamung ist tatsächlich da“, so Schulz. Dadurch würde ein großer psychischer Druck auf gerade den Patienten lasten, die eigentlich Zuneigung brauchten. Mit denen, die keinen Besuch haben wollen, bleibe der Pflegedienst zumindest telefonisch in Kontakt.
Schutzausrüstung ist Mangelware
Gerade weil sie die einzigen Kontaktpersonen sind, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter womöglich auch Überträger des Coronavirus. Umso wichtiger ist nun die Schutzausrüstung, zum Beispiel in Form von Mund-Nasen-Abdeckungen, deren Mehrbedarf Stefan Schorpp aktuell – neben der Ungewissheit, was noch auf uns zukommt – als die größte Herausforderung bezeichnet. „Ich verhandele gerade mit drei bis vier Lieferanten gleichzeitig. Außerdem warte ich noch auf eine Bestellung vom Februar“, schildert er seine Lage. Sein aktueller Vorrat an Schutzmaterial würde noch für zwei Wochen ausreichen. Auch Armin Schulz hat eine größere Menge an Schutzmasken bestellt. Er hofft zudem auf die Unterstützung des Dachverbands. Im Normalfall würden für ihn und seine Mitarbeiter etwa hundert Stück pro Jahr reichen. Auf der anderen Seite hat der Pflegedienstleiter aber auch seine Patienten im Blick. Gerade bei älteren Pflegebedürftigen würde der Mundschutz in der Corona-Krise eine gewisse Angst hervorrufen. Da sei es eine Herausforderung, ein Stück Normalität zu bewahren.
"Versorgung der Pflegebedürftigen so lange wie möglich aufrechterhalten"
Normalität bewahren? Spätestens seit dem Ausbruch des Coronavirus im Pflegeheim Haus Schönblick in Neibsheim (wir berichteten) sind diese Worte wieder in den Vordergrund gerückt. Stefan Schorpp hat die Vermutung, dass ähnliche Situationen auch in weiteren Pflegeheimen entstehen könnten. Armin Schulz ergänzt, dass man das Personal im Haus Schönblick nicht an die Wand stellen könne: „Jeder arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wir alle wollen die Versorgung der Pflegebedürftigen so lange wie möglich aufrechterhalten.“
Mehr finden Sie auf unserer Themenseite Coronavirus.
Autor:Havva Keskin aus Bretten |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.